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Ist Streetstyle wirklich tragbar? So sehen Trends an echten Menschen aus

Manchmal dreht sich der Modemonat September gefühlt genauso sehr um die Besucher und ihre surrealen Outfits wie um die Fashion Shows selbst. Beiden liegt eine inhärente Fantasie zugrunde: Der Catwalk repräsentiert die Spitze der Modewelt, welche sich in den folgenden Monaten zur tragbaren Mode destilliert, Street Style hingegen schafft einen voyeuristischen Einblick in die tatsächliche Realität und zeigt, wie individuell und ausdrucksstark der eigene Style fernab der Haute Couture sein kann – selbst, wenn wir keine zwei Jacken übereinander schichten und Rihanna-Stilettos tragen. Das Genre der Street-Style-Fotografie hat im vergangenen Jahrhundert eine große Entwicklung durchlebt, was zu großen Teilen dem kürzlich verstorbenen Bill Cunningham und unabhängigen Modeblogs wie etwa The Sartorialist zu verdanken ist. Es wurden visuelle Zeugnisse dessen geschaffen, was sich in der Welt – und in den Kleiderschränken – der Modebewussten abspielt. Es wurde ein immer breiteres Publikum erreicht und so wurden auch die Grenzen des durch Mode Möglichen neu definiert. Das Resultat war ein Zelebrieren des persönlichen Stils gepaart mit dem, was man schlicht halbjährliches Herumstolzieren nennen kann. Dieser Zusammenprall, und die Individuen dahinter, mögen auf den ersten Blick absurd und fern wirken, doch eigentlich bewirken sie das Gegenteil. Sie bringen uns die High Fashion ein Stück näher, betten sie in einen nachvollziehbaren Kontext ein und zeigen oftmals, wie das auf den Catwalks Vorgeführte tatsächlich getragen aussieht. Wie wahrscheinlich ist es schließlich, dass Normalsterbliche sich ein Couture-Teil anschaffen? Trotzdem sind wir der Meinung, dass man die ein oder andere Modelektion aus den Shows lernen kann. Deshalb haben wir 6 unserer Redakteurinnen gebeten, ein paar der neuesten Trends auszuprobieren und sie auf das echte Leben anzuwenden – wir haben sie außerdem gebeten, das alles mit einer Prise Humor zu sehen. Anbei die Anleitung, mit Real-Life-Gifs.
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Photographed by Alex Thebez of GIFRIENDS.
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Die Schulterfrei-Jacke
Schon lange wurde gewitzelt, dass Moderedakteure nicht genau wissen, wie man eine Jacke trägt. Nun ja, es ist natürlich nicht so, als wüssten sie es nicht, das lässige Überwerfen sieht nur einfach sehr viel besser aus und lässt einiges an Flexibilität übrig. Doch dann kam der neue Draping-Trend: Dieser sieht vor, die Jacke zwar regulär anzuziehen, sie jedoch an den Schultern herunter zu stülpen, sodass daraus eine schulterfreie Variante entsteht. In diesem Jahr zeigte Demna Gvasalia auf seiner Balenciaga-Show, wie der Hase läuft – und, wie alles, was er anfasst, wurde die neue Tragart zum nächsten Trend. Der Trick ist durchaus interessant, denn er hat scheinbar eine Rückwärtsbewegung angestoßen: erst Redakteure, dann Street Style, dann Catwalk, anstatt des typischen umgekehrten Modezyklus. Der verdrehte Verlauf des Wachstums macht den Trend jedoch kein Stück praktikabler als andere modische Bühnenerscheinungen. Die Tragart fordert permanentes Zurechtziehen und -rücken, eine sehr bestimmte Haltung und neiderregende Schweißresistenz. Unsere Moderedakteurin Alyssa Coscarelli hat sich also pünktlich zur New York Fashion Week der Herausforderung gestellt und einen Tag lang diesen Trend ausprobiert. „Ich habe mich zwar ungemein gefreut, meinen Lieblingslook der Balenciaga-Show 2016 testen zu dürfen, war jedoch auch wirklich nervös, weil ich nicht einschätzen konnte, ob er im echten Leben überhaupt machbar war“, so Coscarelli. „Und ganz zurecht: Der Ärger war, wie mit so ziemlich jedem schulterfreien Top, war groß. Außerdem habe ich mich permanent gefühlt, als hätte ich extreme T-Rex-Ärmchen. Ich konnte meine U-Bahn-Tickets kaum entwerten, geschweige denn mich an den oberen Stangen im Zug festzuhalten, wenn ich mal stand.“ „Gleichzeitig fühlte ich mich allerdings wirklich schick“, fügte sie noch hinzu. „Die Leute starrten mich zwar an, doch ästhetisch fand ich den Look wirklich toll. Er ist eben nicht ideal für die meisten Anlässe, aber ich finde, er trotzdem nach einem dieser perfekt ungestylten Stylings aus, vor allem über einem hautengen Rollkragen. Für den kommenden Herbst und Winter schließe ich den Look also keineswegs kategorisch aus.“ Da haben wir's: ein solides Jein.
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Photographed by Alex Thebez of GIFRIENDS.
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Merch-On-Merch
Wenn wir von dominierenden Trends sprechen, kommen wir nicht um Tour-Merchandise herum. Es fühlte sich zeitweise sogar so an, als hätte Merch das modische Zepter übernommen. The Life Of Pablo (Kanye West), Purpose (Justin Bieber) oder Lemonade (Beyoncé) – man muss nicht einmal mehr aufs Konzert, um ein T-Shirt zu ergattern. Aus Merchandise wurde in den letzten Jahren sehr viel mehr als nur ein Souvenir an einen verschwitzten Fan-Abend. Auch die Künstler selbst mussten sich erst an das neue Verständnis von Merchandiseware gewöhnen, erklärte Mat Vlasic, CEO von Bravado, der Lizenzagentur, die sich an dem Kommerz ein goldenes Näschen verdient, im Interview mit der New York Times. „Schließlich sind sie es, die Trends vorantreiben!“ Im Laufe der Zeit sichtete man Bieber- und Pablo-Teile immer öfter auch auf Fashion Shows und Influencern, die die Welt bereisten. Nun bin ich in der Regel ziemlich spät dran, wenn es ums auf-den-Trendzug-aufspringen geht. Ganz egal, ob ich mein tägliches Brot damit verdiene, über sie zu schreiben: Ich zögere beim Kauf, bin unentschlossen beim Geld ausgeben und bis ich mich dafür entschieden habe, einen Choker zu tragen – BOOM, sind die Teile wieder out. In den vergangenen Monaten habe ich allerdings gleich mehrere Teile der Star-Brands ergattert: ein langärmeliges Pablo-Shirt und die Rihannas Puma-Fellschlappen. Ich hatte sie allerdings tatsächlich nur zuhause an, deshalb nahm ich mir für diese Challenge vor, soviel Merch wie möglich gleichzeitig zu tragen und weiterhin eine seriöse Modejournalistin zu sein. Zugegeben, bei Refinery29 als Arbeitgeber ist man nie mit problematischen Dresscodes konfrontiert, deswegen wusste ich von Anfang an, dass ich nicht gleich Probleme mit der Personalabteilung am Hals haben würde. Trotzdem fühlte es sich zeitweise ziemlich daneben an, mit einem Bieber'schen Sweatshirt um die Taille gebunden und einem Shirt mit der Beschriftung „I love Kanye like Kanye loves Kanye“ herumzulaufen. In der Regel wird Merch nur als Einzelteil eines Gesamtoutfits getragen, am besten mit ein paar Designerteilen und viel Understatement. Ich glaube, wir werden im Modemonat September noch viel von diesen Marken sehen – und sie sehen garantiert weniger fangirly aus, wenn man sie nicht auf-, über- und miteinander trägt.
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Photographed by Alex Thebez of GIFRIENDS.
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Extra-Extra lange Ärmel
Zu dieser Zeit im letzten Jahr erfuhr die Modewelt ein Ärmellängenphänomen: Als wir sie auf dem Catwalk sahen, betitelten wir die neue Erscheinung als „Spaghettisoßenärmel“ und verdammten sie zur ewigen Unbrauchbarkeit. Es ist einer dieser Trends, die bei Fashion Shows und in Hochglanzmagazinen wunderbar aussehen, aber schlicht unrealistisch sind. Für ein Experiment köderten wir Senior Fashion Editor Erin Cunningham mit einem Burger-und-Pommes-Lunch – und lassen sie das gleich mal mit den allerbesten/weltlängsten Baumelärmeln verzehren. Weil wir alle wissen: Nichts ist geschenkt. Wir fanden es herzallerliebst amüsant. Erin meint: „Spaghettisoßenärmel sind – Überraschung!!! – nicht zum Spaghetti essen geeignet. So gar nicht. Eigentlich darf man einfach gar nichts essen, wenn man sie trägt. Trotzdem bin ich nicht völlig dagegen: 1. Sie sehen schon ziemlich gut aus. Vor allem für kurze Persönchen wie mich erwecken diese Riesenärmel den Eindruck, man hätte ein paar Zentimeter extra unter den Füßen. 2. Sie machen Spaß, es ist Mode. Man muss sie vielleicht einfach als das nehmen, was sie sind, und nicht versuchen, überirdisch viel Sinn hineinzuinterpretieren. Natürlich sind sie nicht praktisch, aber geht es bei Haute Couture jemals wirklich um Praktikabilität?“ Ob sie den Trend weiter ausprobieren wird, weiß Erin nicht. Wenn Essen ansteht, wohl eher nicht. Andererseits könnte man sich unter Umständen Schneiderkosten sparen, „und wer spart nicht gerne mal ein bisschen Geld?“
Photographed by Alex Thebez of GIFRIENDS.
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Das Ballkleid für den Tag
Egal, wie oft wir sie uns anschauen, Susie Lau von StyleBubble erfüllt jedes Mal aufs neue unsere Outfitträume, wenn sie sich in einem ihrer Tüllträume ablichten lässt, ganz im Stil einer Molly Goddard. Ihre Kombinationen von Ballkleid mit Denim sehen immer wieder so eingängig aus, dass wir uns fragen, warum man diese Kleider eigentlich immer in den Kleiderschrank verbannt, unter dem Vorwand, man bräuchte besondere Anlässe. Stimmt nicht! Und wenn es eine Person in unserem Team gibt, die diesen Trend in Gang setzen könnte, dann ist es Moderedakteurin Ray Lowe, die ihre Kreditkarte zückt, sobald ein Kleidungsstück Katzenohren hat und deren Stil am besten als „zauberhaufte Komparsin im Disney-Klassiker“ beschrieben wäre. Und natürlich war sie dabei. „Ich will schon seit so langer Zeit einmal diesen charakteristischen Susie-Bubble-Style ausprobieren“, gibt sie vorab zu. „Das Einzige, was mich immer noch zurückhält, ist der Gedanke daran, Geld für ein Kleid auszugeben, das ich dann nur über T-Shirt, Jeans und Sneaker anziehen würde. Obwohl… das Ergebnis finde ich jedes Mal wirklich toll. Und quasi wie gemacht für einen Streetstyle-Blog!“ Erst als Ray begann sich mit der Challenge auseinanderzusetzen, bemerkte sie, dass sie viel zu wenig experimentierte mit all den Dingen in ihrem Kleiderschrank – doch wie einfach genau das eigentlich war. Es war aber auch kein Zuckerschlecken, und auch keine endlose Aneinanderreihung von instaready #OOTDs: „Sobald ich einen Schritt vor die Tür gemacht hatte, blies mir jeder noch so kleine Windstoß den Rock in die Höhe“, erzählt sie uns im Zwischenbericht. „Außerdem bewege ich mich hauptsächlich auf dem Fahrrad in der Stadt, das erleichtert einem das Outfit auch nicht wirklich. Es hat schon einen Grund, warum man Tüllkleider nicht oft als Radbekleidung sieht.“ Sie merkt jedoch auch an, dass sie mehr Komplimente denn je bekam. „Wir arbeiten ja so oder so in einem Büro, in dem eine sehr progressive und liberale Stimmung herrscht, was Mode, aber auch alles andere angeht. Trotzdem sind noch nie so viele Leute auf mich zugekommen, um mir ein Kompliment zu machen, wie an dem Tag. Es fühlte sich nicht einmal ansatzweise absurd an, mit dem Outfit auf der Arbeit aufzukreuzen. Eigentlich entspricht es sogar genau meinem Typen: ein bisschen Moderne gemischt mit Punkrock-Prinzessin – nur ohne Avril-Lavigne-Nietengürtel. Obwohl ich mir für das nächste Mal wahrscheinlich immer wieder einen Uber-Fahrer leisten muss um von A nach B zu kommen, würde ich es definitiv nochmal machen. Vielleicht mit einem kürzeren, etwas interessanteren Rock.“
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Photographed by Alex Thebez of GIFRIENDS.
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Matchy-Matchy
Im letzten Jahr war Vedas Best Friend Moto Jacket das ultimative It-Piece der New York Fashion Show, als Caroline Vreeland und Shea Marei von Peace Love Shea darin gesichtet wurden. Bald darauf wurde das Zwillings-Outfit ein Trend. Dabei geht es nicht darum, ein identisches Spiegelbild des anderen zu werden, sondern um das Übereinstimmen eines bestimmten Teils, bzw. das aufeinander Abstimmen von konkreten Farb-, Form-, oder Schnittschemen. Das klingt zwar einfach, erfordert jedoch einiges an Fantasie und Können, wenn es darum geht, die Balance zwischen Kitsch, Witz und Kostüm-Look zu finden. Zum Glück verbringen unsere zwei Redakteurinnen Connie Wang und Alexandra Ilyashov sowieso schon sehr viel Zeit miteinander, sodass das quasi ein ganz logischer Schritt in die richtige Richtung ihrer Freundschaft war. Das Ergebnis war auch nur ein kleines bisschen creepy. Connie hat das alles natürlich schon einmal gemacht. „Das matchy-matchy-Ding ist nichts Neues für mich, also war das mit Alex jetzt auch keine große Sache. Es macht wirklich Spaß, weil es vor allem auch etwas Performatives hat, und es fühlt sich fast so an, als würde man unmittelbar einen Hauch der Hadid-Jenner-Dynamik verspüren. Ganz egal, wo Alex und ich so auftraten, starrten uns die Leute an, aber nicht böse oder so, sondern eher noch in der Hoffnung, dass wir gleich ein Kunststück hinlegen oder einen Sketch darbieten. Und dann haben wir sie jedes Mal ein bisschen enttäuscht, wenn wir nichts aufführten, aber es war wirklich lustig“, berichtet sie nach ihrem Verkleidungstag. „Für den Alltag wäre das allerdings nichts für mich. Es steckt wirklich zuviel Spektakel dahinter. Alle hinterfragen dein Outfit, ständig muss man irgendetwas dazu sagen. Es wird nicht einfach so hingenommen, das wird dann doch schnell anstrengend.“ Alexandra war da noch etwas zögerlicher: „Ich gestehe, dass ich diese Outfit-Abstimmungen immer gehasst habe, weil meine Schwester und ich schon als Kinder immer für Familienfotos die gleichen Sachen angezogen bekamen.“ Doch als Erwachsene hat sie nun doch ein wenig Freunde daran gefunden. „Es hat mir wirklich etwas gegeben, so mit Connie im Partnerlook durch die Mengen zu wuseln“, sagt sie im Gespräch nach der Aktion. „Und das Outfit mit dem Rollkragen finde ich eigentlich auch sehr schön.“ Doch beim performativen Aspekt geht sie mit Connie mit: „Dieses Outfit suggeriert definitiv Show. Es war wirklich die meiste Zeit so, dass von uns irgendetwas erwartet wurde, und wenn es nur ein Ständchen gewesen wäre. Manche standen sogar auf und zückten ihre Handys für ein Selfie mit den absurden Freundinnen.“
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