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Eine Näherin erzählt: Wie Kosumenten das Leben der Arbeiterinnen in Bangladesch verändern können

Foto: Daniella Zalcman.
Nazma Akter war gerade einmal 11 Jahre alt, als sie gemeinsam mit ihrer Mutter anfing in einer Textilfabrik zu arbeiten. „Ich arbeitete 14 oder 15 Stunden am Tag, sechs - manchmal sieben - Tage die Woche“, sagt Akter. „Ich war Helferin, sowas wie eine Assistentin für die Näherinnen an den Maschinen: Ich trug Ware hin und her und brachte die Stoffe… Später wurde ich dann auch Näherin.“ Sieben Jahre, sagt Akter, habe sie unter teils lebenbedrohlichen Bedingungen in der Bekleidungsindustrie von Bangladesch, die zweitgrößte der Welt, gearbeitet. Aber bereits als sie noch ein Teenager war, hat sie sich dafür engagiert für bessere Arbeitsbedingungen für sich und die anderen Arbeiterinnen zu kämpfen. „Als ich 13 oder 14 war, fand ich das schon nicht fair und ich wollte dafür kämpfen, dass sich etwas änderte“, erinnert sich Akter. Heute mit 43 ist Akter Präsidentin der Sommilito Garments Sramik Federation, die zu der globalen Gewerkschaft IdsutriALL gehört. IndustriALL war eine der Gewerkschaft, die, nachdem 2013 1.110 Menschen beim Einsturz des Rana Plaza Gebäudes ums Leben gekommen waren, das Abkommen zur Verbesserung des Brandschutzes und der Gebäudesicherheit in Bangladesch unterzeichnet und beaufsichtigt hatte.
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Obwohl das Abkommen von 200 Bekleidungsherstellern (darunter Abercrombie & Fitch, American Eagle und die Mutterfirma von Zara) als Fortschritt gelobt wurde, schließt es derzeit nur etwa 2 Millionen Arbeiter in der Bekleidungsindustrie Bangladeschs ein. Das bedeutet, dass etwa der Hälfte der Arbeiter keinerlei Schutz gewährt wird, wie die Clean Clothes Kampagne erklärt. Außerdem hat eine Recherche des NYU Stern Center for Business and Human Rights 2015 ergeben, dass mehr als 3.000 Textilfabriken des Landes gar nicht gelistet sind und sich somit jeglicher Kontrolle entziehen. Was können wir also tun, um sicher zu stellen, dass die Frauen, die unsere Kleidung herstellen, respektvoll behandelt und geschützt werden? Akter hat Refinery29 ihre Geschichte erzählt und ihre Sicht der Dinge geschildert, als wir sie in Brasilien, wo sie das Association for Women's Rights In Development Forum besucht hat, treffen durften.

Die Konsumenten haben die Macht, das Leben der Arbeiter zu verändern.

Wie war das als Kind, wenn sie jeden Tag mit ihrer Mutter zur Arbeit gegangen sind? Wie wurden sie von den Betreibern der Fabrik behandelt?
„Als ich ein Kind war und in der Fabrik gearbeitet habe, machte mich das sehr unglücklich. Ich hätte zur Schule gehen müssen. Ich wollte Wissenschaftlerin werden, aber meine Familie war sehr arm und ich musste genau wie sie arbeiten gehen.“ „Ich wurde genau wie die älteren Arbeiter behandelt und solange sie arbeiten musste, musste ich auch arbeiten. Ich musste die gleichen Produktionsziele erreichen wir die Erwachsenen. Ich bekam keinerlei emotionale Unterstützung, es gab keine Gefälligkeiten. Die Betreiber der Fabrik wussten, dass die Kinder, die sie anstellten, Angst hatten und immer darauf hören würden, was man ihnen sagte.“ „Die Bedingungen in der Fabrik waren nicht gut. Sie haben uns nicht rechtzeitig bezahlt. Was sauberes Trinkwasser, Mutterschutz und Sicherheit angingen, haben sie sich nicht an die gesetzlichen Bestimmungen gehalten. Das war ein großes Problem für uns und es brachte uns nur Schwierigkeiten ein, den Mund auf zu machen."
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Wenn du die Ausbeutung in Bangladesch boykottierst, gehen sie eben nach Myanmar oder nach Kambodscha und immer so weiter. Wir wollen die Ausbeutung aber nicht bloß verschieben. Wir wollen das Problem lösen und zwar da wo es passiert.

Wie hat ihre Mutter ihnen als Kind erklärt, dass sie arbeiten gehen müssen? Wie haben sie sich damals gefühlt?
„Meine Mutter ist nie zur Schule gegangen, doch sie wollte, dass ich eine Ausbildung erhielt. Aber das ging nicht. Als ich dann anfing zu arbeiten, habe ich weiterhin versucht meine Mutter davon zu überzeugen, mich zur Schule gehen zu lassen. Wir haben beide gearbeitet und wir haben beide versucht uns gegen die Bedingungen zu wehren. Ich hatte aber vor allem Probleme mit meinem Vater und meinen männlichen Verwandten und Familienmitgliedern. Sie waren nicht gerade glücklich darüber, dass ich mich zur Wehr setzte und meine Recht einforderte. Es ist eine männerdominierte Gesellschaft. Als ich in der Fabrik gearbeitet haben - und auch heute noch - waren die meisten Vorgesetzten und Arbeiter in einer leitenden Position Männer. Wir Frauen waren lediglich Arbeitskräfte, das ist ein Problem.“ Wie versuchen sie Frauen in ihrer derzeitigen Position zu unterstützen?
„Hauptsächlich arbeite ich als Gewerkschaftsorganisatorin. Ich versuche die Arbeiter auszubilden, vor allem die weiblichen, damit sie sich zu Wehr setzen können. Ich bringe ihnen bei, wie man gemeinsam verhandelt, versuche mehr Frauen als Gewerkschaftsführerinnen zu fördern und zeige ihnen, dass eine gute Organisation dabei helfen kann, das Problem zu lösen.“

Als Feministin, als eine Frau, muss ich meine Stimme erheben: Für meinen Körper, für mein Leben, immer und überall. Vor allem bei der Arbeit. Ich muss mir meine Rechte, meinen Respekt und meine Ehre erkämpfen.

Erzählen sie ein bisschen darüber, wie die Bedingungen in den Fabriken heute aussehen und was sich ändern muss?
„Nach dem Einsturz des Rana Plaza wurde die Sicherheit verbessert und in einige Fabriken gibt es jetzt Gewerkschaften und Vereinigungsfreiheit. Aber die Zahl ist sehr gering. Das reicht nicht. Wir brauchen mehr Fabriken, die Gewerkschaften gründen und die Arbeiter respektvoll behandeln. Außerdem brauchen wir mehr Frauen als Gewerkschaftsführerinnen. Wir brauchen ein Mindesteinkommen für ein anständiges Leben.“ Wie können junge Frauen, die diese Kleidung kaufen, helfen?
„Junge weibliche Konsumenten sollte wissen, wo diese Kleidung herkommt, welche Firma verantwortlich ist und wie die Arbeiter dort behandelt werden, ob man respektvoll mit ihnen umgeht. Konsumenten haben die Macht, das Leben der Arbeiter zu verändern. Wenn niemand die Sachen kauft, was sollen die Firmen dann tun? Der Konsument ist der Hauptverantwortliche. Sie müssen sich damit befassen, wie die Bedingungen auf dieser Welt aussehen und sie müssen sich dementsprechend verhalten und Druck auf die Firmen ausüben.“
Foto: Daniella Zalcman.
Hilft ein Boykott ihrer Meinung nach? Auf welche Art können Konsumenten sonst Druck auf die Firmen ausüben, um den Arbeitern zu helfen?
„Ein Boykott würde nicht helfen, weil die Konsumenten dann nur die Ware, die in Bangladesch produziert wird, boykottieren würden und die Firmen würden einfach in ein anderes Land gehen. Wenn du die Ausbeutung in Bangladesch boykottierst, gehen sie eben nach Myanmar oder nach Kambodscha und immer so weiter. Wir wollen die Ausbeutung aber nicht bloß verschieben. Wir wollen das Problem lösen und zwar da wo es passiert." „Konsumenten müssen Druck auf die Länder ausüben, um Gesetze mit internationalem Standart zu erwirken. Ein Boykott wäre sehr schwierig für unsere Land. Wir, die hier Kleidung herstellen, haben keine Alternative für unseren Job. Darum sagen wir, dass Konsumenten Druck auf die Regierung ausüben müssen oder Demonstrationen und Aktionen vor den Geschäften oder den Büros der Firmen organisieren sollten.“ Was möchtest du jungen weiblichen Konsumenten von dir mitgeben?
„Wir sind alle Frauen. Wir stellen Ware für euch her und wir werden ausgebeutet. Vielleicht werdet auch ihr ausgebeutet. Deswegen müssen wir uns vereinen und unsere Stimme gegen multinationale Konzerne, Kapitalismus und Globalisierung erheben.“ Was heißt es für dich eine Feministin zu sein?
„Als Feministin, als eine Frau, muss ich meine Stimme erheben: Für meinen Körper, für mein Leben, immer und überall. Vor allem bei der Arbeit. Ich muss mir meine Rechte, meinen Respekt und meine Ehre erkämpfen. Das bedeutet es, eine Feministin zu sein.“ Übersetzt von Anna Hackbarth

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