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Exklusiv: Monica Lewinsky über Cyber-Mobbing & wann ihr alles zu viel wird

Photo: Damon Winter. Design: Alex Citrin.
Manche Menschen behaupten, der einzige Weg um Cyber-Mobbing zu stoppen sei, nicht mehr online zu gehen. Aber wir bleiben. „Reclaim Your Domain” ist eine Kampagne von Refinery29, die die Online-Welt (und die reale) zu einem sicheren Platz für jeden machen will - vor allem für Frauen.
Wenn man eine Geschichte über die Anfänge des Online-Mobbings schreiben würde, dann landet man automatisch bei Monica Lewinsky. Vor zwanzig Jahren wurde sie quasi über Nacht von einem normalen, unbekannten Staatsbürger zu einer berühmt-berüchtigten Person des öffentlichen Lebens, dank neuartiger News-Seiten, die rund um die Uhr durch sogenanntes Click-Baiting die Leserschaft anziehen wollen. Nachdem Details über ihre Affäre mit dem damaligen Präsidenten Bill Clinton ans Licht kamen, wurde Lewinsky praktisch das allererste Mobbing-Opfer der neuen Online-Ära.
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Heutzutage versucht sie ihre skandalöse Vergangenheit als eine Art Plattform zu nutzen, um der Mobbing-Kultur den Kampf anzusagen. Ihr Aktivismus und ihre Rückkehr ins Rampenlicht begann 2015 mit einem von ihr gehaltenem TED-Talk: „Der Preis des Schams” (orig.: “The Price of Shame”) war eine Anklage gegen Online-Schikane - Lewinsky kannte sich damit schließlich ganz genau aus.
Nun sprach sie in einem exklusiven Interview mit Refinery29 - ihr erstes Interview seit den US-Wahlen 2016. Lewinsky lässt uns an ihren Gedanken teilhaben, wie sich Cyber-Mobbing über die Jahre verändert hat, wie man die Täter wirklich zur Rechenschaft zieht. Außerdem spricht sie über die Kämpfe, die sie in ihrem eigenen Leben noch zu bewältigen hat.
Wie zeigt sich der sogenannte „Trickle-Down-Effekt” („Durchsickerungseffekt”) von Cyber-Mobbing auf unser Schamgefühl? Wie beeinflusst es unser Selbstbild? Und wie lernt man, die negativen Kommentare einfach zu ignorieren?
„Ich würde eher sagen, dass es weniger durchsickert, sondern einen zyklischen Effekt hat. Das Gefühl der Minderwertigkeit oder ein negatives Selbstbild, ein Sicherheitsbedürfnis (wir erinnern uns an Maslow’s Bedürfnispyramide), eine neue Form des Schamgefühls online, das sich in unserem Verhalten widerspiegelt - online wie offline: Wenn diese Faktoren sich vermischen, entwickelt sich eine Spirale des Schams und Cyber-Mobbings nicht nur in unserer Kultur, sondern auch in uns selbst.
In Bezug auf das Ignorieren dieser Negativ-Kommentare...Sagt mir Bescheid, wenn ihr die Antwort dazu gefunden habt! Aber mal im Ernst, ich glaube, dass zwei Dinge entscheidend sind, um die Situation zu erleichtern: dazu zählt, wie du wirklich von nahestehenden Menschen wahrgenommen wirst - Freunde und Familie, die dir helfen zu reflektieren, wer du bist. Das Zweite sind positive Kommentare. Das klingt vielleicht komisch, aber mir hilft das wirklich. Die negativen Kommentare tun nicht so weh, wenn ich wiederum andere sehe, die dem widersprechen und etwas Positives beinhalten.
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Ich habe beispielsweise im letzten Jahr für Vodafone gearbeitet, um Anti-Mobbing-Emojis zu entwickeln und vorzustellen. Es ist eine Art soziales Tool, das gegen Negativität im Internet kämpfen soll. Die #BeStrong-Emojis sind zum freien Download im iTunes-Store erhältlich. Weil unser Gehirn Bilder schneller verarbeiten kann als Worte, vermitteln diese Emojis Unterstützung, Solidarität und Mitgefühl auf dem schnellstmöglichen Weg. Wenn sie auf einer öffentlichen Plattform wie Twitter genutzt werden, können die Emojis außerdem dabei helfen, die Gefühle, die während eines boshaften Online-Angriffs ausgelöst werden, zunichte zu machen.
Diese positiven Bilder können in manchen Fällen auch den Personen einen Dämpfer versetzen, die einen Kick dadurch verspüren, andere Leute zu beleidigen. Stellt euch die Emojis so vor, als würden sie die Reifen des Mobbings durchstechen; sie lassen sie zwar nicht wie einen Ballon platzen, aber sie helfen, die Situation ein wenig abzuflachen.”
In dieser besonderen Zeit ist es manchmal schwer, etwas Gutes in den Sozialen Medien zu finden. Glauben Sie, die Vorteile überwiegen nach wie vor?
“Milliarden von Menschen haben durch Soziale Medien eine Stimme gefunden, eine Art der Mitteilung. Wenn man nur daran denkt, wie viele Menschen jetzt über ALS Bescheid wissen, dank der “Ice Bucket”-Challenge. Reine Mundpropaganda über die “Pink Pussy Hats” hätte vor dem Internet Monate, wenn nicht sogar ein Jahr, gedauert. Die Online-Welt hat es außerdem einfacher gemacht, Gleichgesinnte zu finden und sich einer Gruppe anzuschließen.
Bei der Frage, ob die Vorteile gegenüber der Nachteile überwiegen, fühle ich mich immer etwas komisch, weil ich dann an die Eltern denke, deren Kinder aufgrund von Online-Mobbing Selbstmord begangen haben. Wie kann man da sagen, dass wir dank des Internets besser dran sind, wenn für einige die Konsequenzen tödlich enden? Das Problem liegt nicht primär am Internet selbst, sondern vielmehr an den Nutzern.
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In Anbetracht dessen denke ich trotzdem, dass die Vorurteile überwiegen. Mobile Technologien haben die soziale Welt von Grund auf geändert. Wenn man nur mal an unsere Begegnungen im realen Leben mit Freunden und Fremden denkt. Es gab mal eine Zeit, in der wir einfach so mit Menschen in der Bahn oder in der Schlange eines Cafés ins Gespräch kamen, aber heute ist unser Blick einzig und allein auf ein technisches Gerät gerichtet.”

WENN ES EINEN SOZIALEN ZUSAMMENPRALL ZWISCHEN DEN OPFERN DES ONLINE-MOBBINGS, DEN TÄTERN UND DER VERÖFFENTLICHUNG PRIVATER INHALTE WIE BEI #GAMERGATE GIBT, UND EINE FIRMA WIE TWITTER AUFGRUND BÖSARTIGER KOMMENTARE ENORME VERLUSTE EINSTECKEN MUSS, KÖNNTEN WIR AM RANDE DES ERTRÄGLICHEN SEIN UND ENDLICH SAGEN: GENUG IST GENUG

Monica Lewinsky
“Man kann jedoch nicht bestreiten, dass das Internet uns ebenfalls eine Tür zu anderen Welten geöffnet hat. Es hat Menschen mobilisiert. Leben gerettet. Neue Arbeitsplätze hervorgebracht und das Bewusstsein geöffnet. Das Internet hat uns auf unglaubliche Weise zusammengebracht - ich persönlich denke dabei daran, wie meine Beziehung zu meinem 18-Monate alten Neffen weiter wachsen kann, auch wenn ich nicht persönlich da bin. Aber noch wichtiger, das Internet hilft vielen Menschen dabei, sich nicht so alleine zu fühlen.”
Twitter hat erst kürzlich neueste Änderungen in Bezug auf Anti-Mobbing-Tools bekannt gegeben, um dabei zu helfen, die Plattform zu einem sicheren Ort zu machen. Es ist ganz offensichtlich aus unzähligen Gründen schwer, Online-Beleidigungen angemessen zu kontrollieren. Es ist jedoch genauso schwer zu begreifen, wie wir ein sich selbst fahrendes Auto erschaffen können, aber den Hass auf Twitter nicht unter Kontrolle haben. Was glauben Sie, ist die Barriere, die eine bedeutsame Veränderung verhindert?
“Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, dass die bekanntesten Sozialen Netzwerke endlich (endlich!) anfangen, in diesem Bereich aktiver einzuschreiten. Neben Twitter hat der Facebook-Messenger kürzlich mit CrisisText Line, einer Notfall-Hotline für Selbstmordgefährdete, eine Kooperation gestartet. Durch Gespräche mit Leuten der Sozialen Netzwerke weiß ich, dass ihnen die Probleme schon seit Längerem bewusst sind, und obwohl sie versuchen, diese zu beseitigen, schien es nie genug oder rechtzeitig zu sein. Die Hürde, die wir erfahren mussten, als wir versucht haben, einen leichteren Zugang zu unseren #BeStrong-Emojis zu schaffen, war beispielsweise einfach nur entmutigend. Es war ein kostenloses Produkt, um Menschen zu helfen und zu unterstützen, aber trotzdem: Bürokratie.
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Die bekannten Social-Media Plattformen haben nichts über die #BeStrong-Emojis gehört und gesagt ‘Großartig! Wir versuchen alles mögliche zu tun, so schnell wie es nur geht, um dieses neue Programm für unsere User zur Verfügung zu stellen und damit das Online-Verhalten zu mäßigen.’ Snapchat war dabei während der Anti-Mobbing-Woche in Großbritannien sehr hilfreich (ja, es ist anders als in den Vereinigten Staaten - das würde ich gerne ändern), denn sie hatten für ein paar Tage einen #BeStrong-Filter. Aber warum nicht immer?! Eine Sache, die ich anmerken muss: irgendwann war es durch Hilfe von Dritten möglich, die Emojis bei Twitter auf der öffentlichen Plattform zu nutzen. Sie könnten trotzdem noch mehr tun.
Was ich gerne öfter sehen würde, ist wachsende Empathie und Strategien für mehr Online-Sicherheit in unseren Sozialen Netzwerken während sie kreiert werden, anstatt ständig hinterher zu hinken."
Sie waren selbst in einer einzigartigen Position, in der sie den Akt des Online-Mobbings selbst miterlebt haben, gewissermaßen von Anfang an. Wenn Sie das Ganze in Epochen einteilen müssten, wie würden diese aussehen - und wo stehen wir heute?
”Bei diesem Thema bin ich sehr detailverliebt. Ich habe sogar vor ein paar Jahren ein Diagramm erstellt, das die technologischen Fortschritte, Veränderungen im Internet und das Online-Mobbing, sowie die dadurch entstehenden und wachsenden Probleme, miteinander vereint darstellt. Ja, ich weiß...ich brauche ein Hobby!
Ich würde die Epochen folgendermaßen einteilen: In den anfänglichen Zeiten hatten wir eine Online-Welt, die uns weltweit vernetzt hat, jedoch nicht so ausgeprägt wie heute. Es war plötzlich möglich, dass sich Neuigkeiten auf der ganzen Welt gleichzeitig verbreiten konnten. Seit 1998 hatten dann alle großen Medienkonzerne, Fernsehsender und Zeitungen ihre eigenen Webseiten. Es gab Möglichkeiten, sich online über aktuelle Geschehnisse auszutauschen - jedoch nicht über Social-Media. Die Beständigkeit der Online-Welt bedeutete gleichzeitig den Tod des Klischees ‘Die gestrige Zeitung ist das Verpackungspapier von morgen’.
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Dieser Fakt fasst folgende Zeitspanne am besten zusammen: 1998, als der Starr Report herauskam, wurde erstmals berichtet, dass man es ohne Internet verpasst, wenn Geschichte geschrieben wird. Außerdem kam Googleganz neu auf den Markt, eine Woche bevor der Bericht rausging. Das war der Anfang der Online-”Arena” und der globalen, öffentlichen Steinigung.”
Photo courtesy of USI. Design by Alex Citrin.
Monica Lewinsky speaking at USI 2016, Paris, France.
"Nach der Vorstellung des AOL-Messengers, anderen neuen Plattformen und der Geburtsstunde des Bloggens - a.k.a. Jedermanns Stimme und Meinung hat plötzlich eine Daseinsberechtigung - kamen Soziale Medien ins Spiel. Ich glaube, Friendster kam als Erstes und danach MySpace, das schließlich 2006 durch Facebook abgelöst wurde, demselben Jahr, in dem Twitter auf den Markt kam. Es hat jedoch ein paar Jahre gedauert, bevor diese Plattform eine größere und kritische Masse erreicht hat. Diese Epoche hat ein sehr interessantes Phänomen zum Leben erweckt, nämlich das des extremen Individualismus inmitten einer globalen Gemeinschaft.
Die zwei technologischen Fortschritte die damit einhergingen - und die diese Epoche definiert haben und Online-Mobbing und Beleidigungen verstärkt haben - waren der Internetzugang auf tragbaren elektronischen Geräten (also unbeschränkter Zugang zu jeder Zeit) und die Handy-Kamera. Plötzlich war jeder ein Mode- und Essensblogger, oder ein Paparazzi.
Dann gibt es auch noch Sexting. Letztes Jahr hatte ich die Ehre, ein Roundtable-Gespräch mit ein paar Highschool-Studenten aus den Niederlanden durchzuführen. Sie haben eine Menge über die Sexting-Kultur gesprochen. Wenn der Partner der Person, die einen anzüglichen Inhalt geschickt hat, das Vertrauen bricht und diesen Inhalt öffentlich macht, egal ob auf Social-Media oder in einer WhatsApp-Gruppe. Dadurch wird der “Sexter” nicht nur betrogen und erniedrigenderweise zur Schau gestellt, sondern andere fangen an, ihn oder sie (hauptsächlich sie) anhand ihres Körpers zu mobben.
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Das bringt uns zu der Epoche,in der wir momentan leben: ich habe einen Text für VanityFair.com geschrieben. Darin ging es um meinen Glauben, dass wir momentan auf eine Zeit zusteuern, die vergleichbar ist mit der, in der Tom Ford mit seinen neumodischen Wagen das Pferd und den Pferdewagen ersetzte. Zuerst gab es keine Regeln auf der Straße. Aber irgendwann kam die Gesellschaft auf die Idee, dass sie sicherere Straßen benötigen, um die Autos richtig nutzen zu können. Ich denke, wir erreichen diesen Moment mit dem Internet: Wenn es einen sozialen Zusammenprall zwischen den Opfern des Online-Mobbings, den Tätern und der Veröffentlichung privater Inhalte wie bei #Gamergate gibt, und eine Firma wie Twitter aufgrund bösartiger Kommentare enorme Verluste einstecken muss, könnten wir am Rande des Erträglichen angekommen sein und endlich sagen: Genug ist genug. Das hoffe ich.
Was wir gerne mal vergessen, und was Sally Kohn in ihrem TED Talk über Clickbaiting angesprochen hat, ist dass das Internet auf Algorithmen basiert. Sie verdeutlicht, dass wir die Redakteure der Neuen Medien sind. Und wir entscheiden damit auch, was wir sehen, indem wir darauf klicken. Deshalb setze ich mich unter anderem auch für #ClickwithCompassion (#KlickmitMitgefühl) ein. Neben all diesen ‘Epochen’ haben auch moderne Klatsch-Seiten wie der Drudge Report und TMZ, oder sogar die Einführung von YouTube und dessen Kommentar-Bereich, einen großen Einfluss auf die heutige, bösartige Online-Kultur.”

MANCHE MENSCHEN SAGEN ‘DU MUSST DICH WEHREN.’ DAS IST WEDER IMMER MÖGLICH, NOCH IST ES IMMER DIE BESTE LÖSUNG

Monica Lewinsky
"Was wir ebenfalls beginnen zu erkennen ist die Zweiteilung der Online-Community, die Hetzer und die Gutmenschen. Heart Mob macht dabei eine tolle Arbeit und hilft Menschen - vor allem Frauen und Mitglieder der LGBTQ-Community - um sich selbst zu schützen und Unterstützung bei Online-Verleumdung zu bekommen.”
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Dein Anti-Mobbing-Einsatz hatte zur Folge, dass du dich selbst wieder ins Rampenlicht stellen musstest - aber du hast es trotzdem getan. Warum war es für dich so wichtig, dieses Thema voranzutreiben und wann wurde dir bewusst, dass es Zeit ist, aktiv zu werden?
"Die Tragödie des 18-jährigen Studienanfängers Tyler Clementi durch die Augen meiner Mutter mit anzusehen, hat mir dabei geholfen, meine Perspektive zu ändern. Ihr sehr emotionales Mitgefühl für diese Familie öffnete die Pforte zu ihren Sorgen, die sie sich 1998 auch um mich gemacht hat. Meine Eltern und meine entfernte Verwandtschaft hatten regelrecht Angst, dass ich es nicht packen würde aufgrund des öffentlichen Drucks und der unfassbaren Erniedrigung.
Tyler wurde heimlich von seinem Mitbewohner dabei gefilmt, wie er mit einem anderen Mann intim wurde. Als das Material online gestellt wurde, fing es dann, dass er lächerlich gemacht wurde. Innerhalb weniger Tage sprang er deshalb von der George-Washington-Brücke und starb. Das verdeutlichte für mich die sich verändernde Online-Welt seit dem Auftauchen von Social Media. Jeder - nicht nur eine Person aus der Öffentlichkeit - war ein potenzielles Ziel, dass in die Online-”Arena” geworfen werden konnte.
Ich als eines der ersten Opfer der öffentlichen Erniedrigung dachte, dass das Teilen meiner Geschichte gleichzeitig meiner Vergangenheit einen gewissen Sinn geben könnte. Dazu fähig zu sein, anderen Leuten mitzuteilen, dass, auch wenn es schmerzhaft ist, man die öffentliche Beschämung überleben kann...Ich war ganz demütig, als ich gehört habe, was mein TED-Talk in manchen Menschen ausgelöst hat. Eine junge Frau hat mir beispielweise getweeted, dass sie es nur durch meinen Vortrag überhaupt zu ihrem nächsten Geburtstag geschafft hat. (Wenn sie das hier liest, hoffe ich, dass sie noch viele weitere erlebt!)
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Um noch etwas persönliches loszuwerden: 2014, in der Nacht bevor mein VanityFair-Artikel erschien, hat mich eine meiner besten Freundinnen mit einer überrascht, auf die sie ein Zitat von Anais Nin geschrieben hat: ‘Und es kam der Tag, da das Risiko, in der Knospe zu verharren, schmerzlicher wurde als das Risiko, zu blühen.” Das hat einfach alles ausgesagt, was ich zu der Zeit gefühlt habe. Ich bin so dankbar, was seitdem passiert ist. Ich fühle mich gesegnet, ein Leben zu führen, in dem ich mit meiner Geschichte anderen Menschen bei ihrem Leidensweg helfen kann. Und in vielerlei Hinsicht kämpfe ich noch heute damit, weiterhin zu blühen.
Mein Weg - sowohl meine Karriere, als auch mein Leben im Allgemeinen - war alles andere als traditionell. Was das für mich persönlich bedeutet ist, dass es nicht nur unheimlich schwer sein kann, sich selbst und seine Identität in dem zu finden, was man tut. Es ist gleichzeitig auch riskant, sein Leben zu steuern. Sich seinen eigenen Weg zu bahnen heißt gleichzeitig auch, dass man nie weiß, ob der nächste Schritt in die richtige Richtung geht, oder ob er dich zum Abgrund einer Klippe führt. Ich arbeite heute noch sehr hart daran, mein Trauma zu bewältigen und als Person zu wachsen. Ich bin jemand, der höchstwahrscheinlich den Spruch ‘mutatis mutandis - immer noch!’ auf ihrem Grabstein stehen haben wird.”
Autoren wie Roxane Gay und Lindy West haben ihre Hetzer durch direkte Konversation “in die Flucht geschlagen”. Glauben Sie, es gibt einen “richtigen” Weg, um mit Mobbern umzugehen, oder ein optimales Szenario, wie man sie zum Schweigen oder auf seine Seite bringen kann?
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"Ich würde J.K. Rowling noch auf die Liste setzen. Um mit Mobbern, oder jeglicher Form von Cyber-Mobbing und Online-Beschimpfungen umzugehen, ist die einzige Regel, der ich folge, dass es keine Regel gibt. (Außer, dass ich mir selbst erlaube, ‘Du A-loch’ zu dem Computer zu schreien, anstatt es als Antwort zu tippen). Nicht jede Taktik funktioniert bei jedem Täter, der dieses Verhalten an den Tag legt. Manche Menschen sagen ‘Du musst dich wheren’. Das ist weder immer möglich, noch ist es immer die beste Lösung.
"Intelligenter Humor, der die andere Person nicht beleidigt, funktioniert bei mir am besten. Aber auch hier machen mich meine Brüder manchmal darauf aufmerksam, dass ich nicht so lustig oder clever bin, wie ich vielleicht denke. Manchmal frage ich die Leute auch, ob sie nochmal über ihren Kommentar,den sie gepostet haben, nachdenken wollen - das funktioniert bei über 50%.”
Sie haben außerdem gesagt, dass wir mehr online mehr Mitgefühl zeigen sollten. Wo liegen hier die Grenzen, und wie können Sie Empathie für jemanden empfinden, den Sie von Grund auf nicht verstehen?
"Wenn wir von einer Gemeinsamkeit ausgehen, erreichen wir eine Art Mitgefühl oder Empathie viel schneller. Aber wir erreichen vielleicht nicht immer ein gegenseitiges Verständnis.
Wir leben nicht in einer perfekten Welt oder einem Wunschort, wo Auseinandersetzungen aufgrund von Gleichheit und einer fehlenden Unterdrückung kein Problem darstellen. Es ist eine bittersüße Wahrheit, dass wir, ohne diese genannten Unterschiede, nie so einen Fortschritt in vielerlei Hinsicht gemacht hätten. Die gegensätzlichen Ideen und Lebensvorstellungen - die Spannung und Reiberei - führen zu neuen Wegen. Hoffentlich gemeinsamen Wegen.
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Wenn man beispielsweise an die Zeit zurückdenkt, als die Menschen noch dachten, die Welt wäre eine Scheibe: wenn das nie jemand bezweifelt hätte, dann hätte sich unser Gedankengut auch nie weiterentwickelt. Aber, glaubt mir, ich verstehe und ignoriere keinesfalls die Konsequenzen, die unterdrückte Gruppen dadurch Tag für Tag erfahren müssen. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass wir in Zeiten der verstärkten Angst, Frustration, und Wut leben. Ich erinnere mich, dass ich des öfteren getäuscht wurde, als ich dachte, Menschen tun Dinge aus gutgemeinten Gründen. Ich muss nicht immer mit ihnen übereinstimmen. Aber den Gedanken im Hinterkopf zu haben, dass die Dinge aus ihrer Perspektive Sinn ergeben, verändert etwas in mir. Außerdem ist es wesentlich, sich immer daran zu erinnern, dass die reine Kritik an einer Idee etwas völlig anderes ist, als die Person, die diese Idee hat, zu attackieren.”

WENN WIR VON EINER GEMEINSAMKEIT AUSGEHEN, ERREICHEN WIR EINE ART MITGEFÜHL ODER EMPATHIE VIEL SCHNELLER. ABER WIR ERREICHEN VIELLEICHT NICHT IMMER EIN GEGENSEITIGES VERSTÄNDNIS

Monica Lewinsky
InIhrem TED-Talk haben Sie den Punkt angesprochen, dass wir die Kultur rund um das öffentliche Attackieren verändern müssen. Denken Sie, wir haben daran schon irgendetwas geändert?
"Ja - aber es gibt ganz offensichtlich noch viel mehr zu tun. Meiner Meinung nach ist der größte Schritt, den wir bis jetzt in die richtige Richtung gemacht haben derjenige, dass wir öffentlich über Mobbing, Online-Beschämung und Hass-Kommentare sprechen. Wir reden ganz offen über alles und deshalb wird es immer seltener, dass jemand im Stillschweigen leidet. Die meisten Menschen erheben ihre Stimme, wenn jemand online attackiert wird und ich glaube, wir als Gesellschaft kämpfen gerade mit, wie wir Online-Attacken am besten definieren und erkennen können. Was sind die Auslöser dafür? Wo finden wir den “Pause-Knopf” zwischen einem Vorfall - der manchmal einfach ein Ausrutscher ist - und der Reaktion? Wie kreieren wir einen sicheren Platz in der Gesellschaft, vor allem für junge Menschen, wo sie mal einen Fehler machen können und daraus lernen anstatt direkt zerrissen zu werden.”
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Ist das Internet ein sicherer Raum für Frauen? Oder gibt es lediglich eine Grauzone?
"Ich sehe es viel lieber als eine Yin-Yang-Zone, anstelle einer Grauzone. Zum Beispiel: ich stelle mir vor, dass viel mehr von uns die Stärke gefunden haben, ihre Stimme gegen Ungleichheit, Schikane, häusliche Gewalt, sexuelle Misshandlung und Überfälle zu erheben. Weil wir sehen, dass wir nicht allein damit sind. Es gibt Institutionen für Menschen, die ihre Geschichte dort teilen können und es gibt sogar Gruppen, in denen unsere eigenen Erfahrungen sich in den Geschichten anderer widerspiegeln.
Aber man kann es nicht leugnen, dass es unzählige Situationen gibt, in denen wir uns online nicht sicher fühlen. Das kann unglaublich dramatische, emotionale Schäden anrichten. Der Aspekt, der mich dabei am traurigsten macht ist, wenn Frauen der Auslöser dafür sind, dass sich andere Frauen im Netz nicht sicher fühlen. Trotzdem machen die hasserfüllten Kommentare es uns möglich, genau herauszufiltern, was unsere Gesellschaft bewegt und insgeheim glaubt. Das war in der Form vorher nicht möglich. Wenn man die Frauenfeindlichkeit so klar vor Augen ‘sieht’, können wir sie gleichzeitig auch besser verstehen und die Tiefen, die dem zugrunde liegen besser sehen. Dadurch können wir beginnen, sie zu verändern."
Es macht immer mehr den Anschein, als würden unsere digitalen mit unseren echten Leben verschwimmen. Wie lässt sich Hässlichkeit im Netz mit Hässlichkeit in der realen Welt vergleichen?
"Wenn man, so wie ich, keine Serien anschaut, ist man trotzdem ein wenig im Strudel und von dem, was man gesehen hat, beeinflusst. Das Phänomen erkenne ich auch offline. Anstatt ein Serien-Junkie zu sein, sind wir Klick-Junkies. Je mehr Zeit wir online verbringen, desto mehr sind wir auch im realen Leben davon beeinflusst.
Ich glaube, dass die Unsichtbarkeit und Anonymität des Internets einen erheblichen Einfluss auf die eigene Persönlichkeit haben kann. Menschen verhalten sich anders, sind aufbrausender und scheußlicher im Netz, als sie es im persönlichen Gespräch wären. Aber der Online-Faktor trägt dazu bei, dass dieses Verhalten immer normaler wird.”

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