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Vong-Deutsch: Kann bald keine*r mehr richtig sprechen?

Wenn sogar der Duden aufmerksam wird, dann ist davon auszugehen, dass aus einem anfänglichen Spaß ein Trend geworden ist: Seit einigen Monaten verbreitet sich die sogenannte Vong-Sprache, die absichtlich auf falsches Deutsch setzt, online mit rasantem Tempo – und ist jetzt auch offline angekommen.
Neulich versuchte ich meiner Mutter dieses ominöse Vong zu erklären und sie voller Elan davon zu überzeugen, warum es doch so witzig sei. Sie wollte es aber partout nicht verstehen und fragte mich etwas fassungslos, ob wir (und damit meinte sie die Jugend) nun alle total deppert geworden seien? Selbstverständlich konnte sie sich auch den Kommentar „Kein Wunder, dass es mit der deutschen Sprache den Bach runter geht“ nicht verkneifen. Ist ihre Sorge berechtigt? Ich hatte keine Antwort parat.
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„Was für 1 geile Idee!“

Darüber, wo das Vong-Phänomen her kommt und wer es erfunden hat, herrscht noch Uneinigkeit. Dem Rapper Money Boy schreibt man zumindest zu, dass er einer der ersten war, der Artikel wie „ein“ oder „eine“ durch die Ziffer 1 ersetzt und damit einen Hype in sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook losgetreten hat. Vong hat auch eine eigene Facebook-Seite – mittlerweile folgen dieser über 600.000 Menschen. Dahinter steckt unter anderem der Autor H1 (gesprochen Heinz). Täglich teilt er Botschaften und witzige Sprüche auf „Vongolisch“ mit seiner Community. In fast jedem Post befindet sich die berüchtigte Wortkonstruktion „vong…her“, die so viel wie „von...her" bedeuten soll und offensichtlich immer dann eingesetzt wird, wenn einem Bezugswort eine überflüssige Ergänzung hinzugefügt werden soll. In etwa so: I bim 1 Linguist vong Studium her. (Der sprachwissenschaftlich korrekte Begriff für solch eine Konstruktion lautet übrigens Zirkumposition.)
Auch Sebastian Zawrel, der unter dem Kunstnamen Willy Nachdenklich im Netz agiert, hat die Vong-Sprache wesentlich mit geprägt und verbreitet. Nachdenklich ist unter anderem Betreiber von Nachdenkliche Sprüche mit Bildernoch einer Facebook-Seite, auf der kitschige Fotos mit absichtlich falschen Phrasen veröffentlicht werden. Aus Ich bin’s wurde da zum Beispiel der absichtliche Tippfehler I bims.
Foto: Nachdenkliche Spru00fcche mit Bilder
Ja, die Vong-Sprache basiert auf falscher Grammatik und unzureichender Rechtschreibung – genau das macht das Phänomen aus und führte offensichtlich erst dazu, dass sich die skurrilen Wortneuschöpfungen zu einem regelrechten Internet-Hype entwickeln konnten. Die Leute amüsieren sich, können herzhaft über die schrägen Vong-Satzkonstruktionen lachen. Und ja – auch hier im Büro ist die Floskel „Halo, i bims“ als Begrüßungsformel zu einem echten Running Gag avanciert. Aber verhunzen wir deshalb gleich die deutsche Sprache?
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Mittel der Provokation und der ironischen Distanzierung

„Das Vong-Phänomen ist alles, außer verhunztes Deutsch: Sprachspiel, Mittel der Provokation und der ironischen Distanzierung. Phänomene wie dieses zeigen die Lebendigkeit der Sprache und vor allem eine Lust der Sprachbenutzer*innen am Sprachspiel,“ erklärt Alexander Lasch. Der Linguist lehrt an der Christian Albrechts Universität zu Kiel und hat in diesem Semester sogar eine Vorlesung zum „Vong X her“-Phänomen angeboten. Ein ernst zu nehmende Gefährdung der deutschen Sprache schließt er aus. Ganz im Gegenteil – er ist wirklich angetan zu sein von der lustigen Abwandlung der Zirkumposition.

Mit „I bim 1 Linguist vong Studium her" spucken sie sprachspielerisch und mit selbstironischer Einstellung allen in die Suppe, die (ohnehin vergeblich) versuchen, konservative Sprachnormen festzuzurren

Alexander Lasch
„Grundsätzlich interessiere ich mich als Konstruktionsgrammatiker für sprachliche Strukturen und Muster, zu denen auch ‘von X her‘ gehört. Vong in 'vong X her' ist hier nur eine Alternative, die im Moment in der Öffentlichkeit auf breites Interesse stößt. Wende ich mich diesem zu, dann schlage ich als Wissenschaftler zwei Fliegen mit einer Klappe: Ich kann anhand des Phänomens für meine Sicht auf Sprache, Sprachgebrauch und Grammatik werben und auf der anderen Seite ein sehr aktuelles Thema aufgreifen, das bei Zuhörerinnen und Zuhörern besonders gut ankommt: 1 gutes Marketing vong Idee her, könnte man vongolisch sagen,erzählt Lasch. Vong ist (und das wird meine Mutter erstaunen) tatsächlich im Wissenschaftsbetrieb angekommen und wird dort ernst genommen.
Grund zur Sorge, dass sich Vong in unserer alltäglichen Kommunikationweise durchsetzt, gibt es also nicht? „Die Vong-Sprache ist im Moment an die Kanäle des Web 2.0 gebunden, hier vor allem an Facebook und Twitter. Das wird sich vermutlich auch nicht wesentlich ändern. Sie wird nicht gesprochen (versuchen Sie das mal!), sondern zieht ihren Reiz aus Normbrüchen, die besonders in der Schriftlichkeit auffällig sind,“ so Alexander Lasch.
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Ich hoffe nur, dass ein Eintrag im Duden dann nicht mit dem Etikett "jugendsprachlich" daherkommt. Das wäre nämlich zu einfach.

Alexander Lasch
Die Vongsche Logik, also das bewusste Aufbrechen der Grammatik- und Rechtschreibformen, funktioniert, weil wir die richtigen Regeln kennen. Sie setzt voraus, dass wir unsere Sprache beherrschen. Manche gehen sogar noch einen Schritt weiter und sehen durchaus die Möglichkeit, dass die Vong-Sprache Fehler, die tatsächlich so im Netz gemacht werden, aufdecken.
Die Konstruktion „vong...her“ jedenfalls taucht mittlerweile nicht nur in zahlreichen Reklamewerbungen auf, nein, selbst der Duden ist aufmerksam geworden und spielt mit dem Trend. Ist es möglich, dass ein Modewort, das soeben als Jugendwort des Jahres 2017 nominiert wurde, es auch in den Kanon des Wörterbuchs schaffen wird? „Da der Duden frequenzorientiert Sprache im Gebrauch beschreibt, ist es durchaus denkbar, dass es in einem der Wörterbücher des Dudens einen entsprechenden Eintrag zu "vong" geben wird,“ so Lasch. Ob das meine Mutter überzeugt?

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