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Als Frau in gleich zwei Männerdomänen – eine Elektrikerin bei der Bundeswehr erzählt

Foto: Lennart Brede
Bei der Bundeswehr flicken Frauen nicht nur Wunden oder ordnen das Büro. Schon seit 2001 haben sie ihre Hände auch an der Waffe. Und sitzen im Panzer. Sogar mit einer Transfrau als Oberstleutnant kann die Bundeswehr mittlerweile werben. Und ohne Frauen würde die Bundeswehr ihre Personalzahlen eh kaum noch erreichen. Gleichzeitig aber gehen die Beschwerden aufgrund von Fehlverhalten und sexueller Belästigung nicht zurück. Wir haben mit Anika Schmidtke gesprochen, die bei der Bundeswehr allein unter Männern arbeitet. Sie ist 34 und an der Julius-Leber-Kaserne in Berlin-Tegel tätig. Bewaffnet ist sie allerdings nur mit Phasenprüfer und Lüsterklemme. Wir haben sie besucht und nach den blödesten Macker-Sprüchen gefragt.
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Frau Schmidtke, was machen Sie genau bei der Bundeswehr?
Anika Schmidtke: Ich bin angestellt als Elektrikerin. Als einzige Frau mit 15 Kollegen. Gelernt habe ich auch hier bei der Bundeswehr, den Beruf der Elektronikerin für Energie- und Gebäudetechnik.
Warum bei der Bundeswehr?
Ich wollte ins Handwerk und es gab eine freie Stelle. Also habe ich mich beworben.
Foto: Lennart Brede
Warum Handwerk?
Verwaltung und Büro, das ist nichts für mich. Da bin ich zu schlampig. Was mit den Fingern machen, basteln, schrauben, das liegt mir. Metall oder Holz, das war mir egal. Mein Papa hat nur gesagt: „Keine Gas-Wasser-Scheiße!“ Und Fliesenleger sollte ich auch nicht werden, weil er das selber ist, und weiß, wie sehr das auf die Knie geht.
Zahlt die Bundeswehr besser?
Ja, wir sind nach dem TVöD (Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst) tariflich gebunden. Es gibt also hier mehr Lohn als für Elektriker draußen.
Frauen in der Bundeswehr dürfen ihre Nägel nicht viel länger als zur Fingerkuppel tragen. Sie haben recht lange Nägel.
Ich bin ja auch keine Soldatin. Deswegen gelten die Vorschriften für mich nicht, Hauptsache ich kann meine Arbeit machen.
Schon mal einen Stromschlag bekommen?
Ja, zwei Mal. Das zeckt.
Kommen die Kollegen manchmal und wollen Ihnen etwas abnehmen, wenn Sie schwer tragen?
Ja.
Ist das gut oder nervig?
Das ist gut! Ich habe aber auch keine Problem damit zu fragen, ob mal jemand anpacken kann.
Darf man hier noch arbeiten, wenn man schwanger ist?
Es gibt bei der Bundeswehr mittlerweile sogar Uniformen für Schwangere. Ich bin nicht mehr ganz oben auf der Leiter gewesen, aber ich habe bei beiden Kindern bis kurz vor der Geburt weitergearbeitet.
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Wie cool finden Ihre Kinder, dass Sie beim Bund arbeiten?
Mein Sohn sehr. Er will natürlich immer die Soldaten sehen.
Foto: Lennart Brede
Gehen Ihre Kinder hier in die Kita auf dem Gelände der Kaserne, die übrigens die erste aller Kasernen-Kitas in Deutschland war?
Nein, das wäre für mich und meinen Lebensgefährten unpraktisch, mein Dienst beginnt um sechs Uhr.
Müssen Sie im Kriegsfall eigentlich ran?
Das weiß ich gar nicht so genau. Irgendwo gab es mal einen Passus, dass wir im Ernstfall zur Hilfe gezogen werden können. Aber nicht an der Waffe. Es sind jährlich Tausende Zivilbeschäftigte auch freiwillig bei den Auslandseinsätzen.
Wäre das interessant für Sie?
Vor meinem Sohnemann habe ich mich für einen Auslandseinsatz gemeldet. Afghanistan, Kosovo, was auch immer – die Erfahrung hätte ich gerne gemacht. Aber nach dem ersten Kind hat der Wunsch dann abgenommen.
Seit 2001 gibt es Soldatinnen beim Bund. Seitdem gibt es auch viele Schlagzeilen zu Übergriffen, ist das hier ein Thema?
Nein, wir sind in dem Sinn nicht betroffen, ich habe auch nichts mitbekommen in meinem Umfeld. Das kriegt man nur in den Medien mit und dann denkt man sich: Nicht so schön. Aber ändern kann man es leider auch nicht.
Foto: Lennart Brede
Die Kaserne ist ein strukturell eher männlicher Ort. Haben Sie mit Mackersprüchen zu kämpfen?
Ich habe keinen Vergleich, aber in normalen Betrieben wird es ähnlich sein. Es kommt schon mal ein Spruch, der nicht so schön ist. Aber wir sind im Handwerk, da darf man nicht zu zart besaitet sein.
Was war der blödeste Spruch?
Wir haben einen Kollegen, der ist manchmal der Meinung, mich fragen zu müssen, ob ich nicht wischen will.
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Und was antworten Sie?
Ich sage ihm, dass wir beide auch gern mal vor die Tür gehen können. Das wissen die Kollegen schon, wie weit man Scherze machen kann und wann sie von mir Feuerwerk kriegen.
Aber die Stimmung ist gut und Sie trinken Ihren Pausenkaffee am liebsten mit den Kollegen?
Ja, bei uns in der Werkstatt. In der Mittagspause spielen wir manchmal Skat. Und es gibt auch Turniere.
Und feiern Sie auch so typische Weihnachtsfeiern?
In der Kaserne, klar. Aber unser Team feiert eigentlich nur noch das Oktoberfest. Es ist erwünscht, im Dirndl zu kommen, aber da hört’s bei mir auf, da komme ich lieber nicht.
Ihre Tochter ist drei. Was will die werden?
In der Kita hat sie letztens gesagt, sie will ins Büro.
Vielleicht wird sie auch die Chefin vom Büro?
Das Zeug hätte sie, die Bestimmer-Phase geht jetzt los. Meinen Kindern steht frei, das zu werden, was sie möchten. Feuerwehrmann, Bürokauffrau oder Fensterputzer, das ist mir egal.
Foto: Lennart Brede
Werden Frauen bei der Bundeswehr gefördert?
Bei uns schon, aber es bewerben sich nur Männer, das finde ich schade.
Sie haben jetzt die Möglichkeit, Werbung für Ihren Beruf zu machen: Warum sollten Frauen Elektrikerin werden?
Um den Männern zu zeigen, dass wir es auch können. Und zwar genauso gut. Es ist nicht nur ein typischer Männerberuf, auch wenn manche Arbeiten nur von Männern ausgeführt werden können. Aber es gibt natürlich auch Frauen, die Kraft haben. Physik, Mathe, das ist nicht ohne, aber ich habe das auch geschafft. Wenn du nicht klar kommst, musst du den Mund aufmachen – und dann kommt auch Hilfe.
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