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Das Geschäft mit den krummen Dingern

Gerade Gurken, perfekt gewachsene Möhren... So sieht die Natur ganz sicher nicht aus. Fast 30 Prozent der Ernte werden schon vor dem Verkauf aussortiert. Jetzt ist Schluss mit dem Schönheitswahn in der Gemüseabteilung Schon beim Blick auf die krummen Dinger muss der Geschäftsführer des Eppendorfer Fruchthauses lachen. Eine Gurke kringelt sich in einer eleganten S-Form, die andere erinnert Christof Bytomski eher an eine Anhängerkupplung. Herrlich natürlich eben. Und ein absoluter Verkaufsschlager bei seinen Kunden. „Vierländer Krumm-Gurke“ heißt das schräge Gemüse, das manchmal sogar ausverkauft ist. Der Fachmann weiß: „Normalerweise werden diese Gurken aussortiert. Dabei schmecken sie intensiver und kosten etwa die Hälfte.“ Anfangs haben einige erstaunt gefragt: Was ist denn bloß mit den Gurken los? Aber mittlerweile ist die Kundschaft begeistert, verlangt sogar ausdrücklich nach möglichst schiefen Exemplaren. „Wir legen großen Wert auf regionales Gemüse. Dann ist der Sellerie eben mal platt, rund oder oval. Und auch die Rote Beete ist keine Schönheit – aber sie schmeckt“, verspricht Bytomski. Und damit liegt das Geschäft im Eppendorfer Weg 249 genau im Trend. Etwa 30 Prozent der Ernte wird aufgrund der Größe oder Form in Deutschland weggeschmissen oder an Tiere verfüttert. Eine maßlose Verschwendung. Und der Grund, warum Carsten Wille, Georg Lindermair und Christopher Hallhuber vor zwei Jahren das Münchner StartUp “ETEPETETE” gründeten. Das Unternehmen „rettet“ von Bio- Bauernhöfen in der Region Ware, die nicht der Norm entspricht. Und das kann dann als Gemüseretterbox über die Homepage etepetete-bio.de deutschlandweit bestellt werden. Fünf Kilo Bio-Gemüse gibt‘s für 19,90 Euro. Auf Wunsch sogar im Abo. Vor einem Jahr packten die Gründer die frische Ware noch selber ein. Heute sorgen wöchentlich 18 Helfer für den Versand. So konnten bisher über 260000 Kilo Gemüse gerettet werden.
Nur: Warum muss Gemüse überhaupt gerettet werden? Immerhin wurde die einst doch sehr seltsame EU-Verordnung zur Festsetzung von Qualitätsnormen für Gurken (wir erinnern uns – exakte zehn Millimeter Krümmung waren auf zehn Zentimetern erlaubt) abgeschafft. Mehr krumme Dinger landeten trotzdem nicht in den Supermärkten. Gerade Gurken lassen sich eben besser stapeln. Doch die Zeiten ändern sich. Mittlerweile greift mehr als die Hälfte der Deutschen häufig oder ausschließlich zu Bio-Produkten. Doch das Problem der Öko-Erzeuger ist: Wer auf Chemie verzichtet, erntet oft Obst und Gemüse mit Schönheitsmakeln. Die Natur hält sich eben nicht an Normen. Lehnt der Einzelhandel diese Produkte ab, können die Bauern ihre krummen Dinger nur noch unter Wert an die Industrie verkaufen. Denn gegen die konventionellen Konkurrenten, die günstiger anbauen, haben sie keine Chance. Daher müssen die Supermärkte der Bioware gegenüber toleranter werden. So verkauft der Discounter Penny seit April etwa die Naturgut Bio-Helden. Jochen Baab, Geschäftsführer der REWE Group Buying und Mitglied der Geschäftsleitung PENNY National: „Die Naturgut Bio-Helden sind qualitativ einwandfrei und genauso geschmackvoll wie ihre uniformen Geschwister.“ Auch Netto lockt seine Kunden immer wieder mit regionalen Aktionswochen, in denen der Geschmack und nicht die Optik im Mittelpunkt steht. Der Vorteil für den Kunden: Weniger schön ist auch weniger teuer.
Das Startup Querfeld geht noch einen Schritt weiter und will im „Business-to-Business“- Bereich auf die „ugly Fruits“ aufmerksam machen. 18 Millionen Tonnen Lebensmittel werden laut des jungen Unternehmens in Deutschland verschwendet. Daher kaufen sie die häßlichen Sonderlinge von Bioland- und Demeter-Höfen auf und liefern sie an Kitas und Restaurants. Der Vorteil für die Kunden: Bioware zu einem günstigerem Preis. Und die Kids lernen gleichzeitig: Eine Gurke kann in der Natur ein ziemlich krummes Ding sein.

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