WERBUNG
WERBUNG

In der Schule wurde Linda Zervakis „Tzatziki“ genannt, heute ist sie Tagesschausprecherin

FOTO: Thuy Pham
Linda Zervakis ist die erste deutsche Tagesschausprecherin mit Migrationshintergrund, zweifache Mutter und Buchautorin („Königin der bunten Tüte“). Einen Termin zu finden war nicht so leicht, die 40-Jährige ist vielbeschäftigt und kommt deswegen direkt von der Frühschicht beim NDR in ein Hamburger Café. Die Moderatorin kann nicht viel geschlafen haben, wirkt aber kein bisschen müde, zeigt auf die Sporttasche in ihrer Hand und redet sofort drauf los. Erst gestern sei sie gefragt worden, ob sie schwanger sei, erzählt sie, sie müsse sich dringend mehr bewegen – dann bestellt sie sich etwas zu essen. Die Frau, die im Fernsehen so ernst wirkt, ist offen und hat Humor, das merkt man sofort. Nervt es dich eigentlich, dass du immer als „erste Tagesschausprecherin mit Migrationshintergrund“ beschrieben wirst?
Nein. Ich kann das verstehen. Als Susanne Daubner damals angefangen hat, wurde sie immer als „erste Brünette“ bezeichnet – das finde ich viel schlimmer. Wie wichtig ist denn der Migrationshintergrund für dich?
In meinem Leben spielt er gar keine Rolle. Ich hatte damit nie ein Problem, ich wurde vielleicht mal „Tzatziki“ genannt in der Schule, das war es dann aber auch schon. Ich bin nie angefeindet worden, mit dem Job als Tagesschausprecherin bekam ich auf einmal diesen Status aufgedrückt. Auf meinen Lesungen waren junge Menschen mit Migrationshintergrund, die zu mir gekommen sind und mir gesagt haben, dass ich ein Vorbild für sie sei. Ich würde ihnen das Gefühl geben, dass man es schaffen kann. Das ist irgendwie eine große Verantwortung, die ich trage und die mir gar nicht so bewusst war. Aber wenn ich andere Menschen motivieren kann, habe ich schon viel erreicht, und dann hat dieser Migrationshintergrund auf einmal doch eine ganz andere Bedeutung. Fühlst du dich denn eher deutsch oder griechisch?
Ich fühle mich als Europäerin, weil ich beides in mir habe. Ich bin hier geboren, aber ich kann meine Wurzeln nicht leugnen. Wenn ich nach Griechenland fahre, bin ich nach 20 Sekunden angekommen. Was ist griechisch an dir?
Ein gewisses Temperament, ich lache sehr gern und laut. Und irgendwie besitze ich eine gewisse Gelassenheit, die ich bei vielen Griechen immer wieder sehe: Ich würde beispielsweise nie auf die Idee kommen, mein Gepäck abends zum Flughafen zu bringen. Allerdings bin ich sehr deutsch, wenn es um Verlässlichkeit und Pünktlichkeit geht. Sprichst du mit deinen Kindern Deutsch?
Ja, leider. Weil ich einfach nicht mehr richtig gut Griechisch spreche. Ich weiß, ich werde das irgendwann bereuen. Aber beim Eisenbahnspielen hat mein Sohn mich neulich gefragt, was Weiche heißt. Ich wusste das nicht. Du selbst hattest als Kind nicht so viel Zeit zum Spielen. Deine Eltern führten einen Kiosk in Hamburg, in dem du selbst bis du fast 30 warst, geholfen hast.
Ja, das war aber völlig normal für mich. So habe ich Disziplin gelernt. Ich wusste einfach schon früh, wie ein Arbeitstag aussieht.

Du bist eine Quereinsteigerin...
Ich bin auf Umwegen zum Journalismus zum gekommen. Ich wollte damals unbedingt zum NDR und dort volontieren. Das ging aber nicht, weil ich nicht studiert hatte: Ich wollte meine Mutter nach dem Tod meines Vaters mit dem Kiosk nicht im Stich lassen und habe nur einen Studienplatz in Berlin bekommen. Deshalb habe ich darauf verzichtet und bin in Hamburg geblieben, wo ich zuerst in einer Werbeagentur gearbeitet und danach bei einem privaten Radiosender volontiert habe.
FOTO: ARD
Wie hat deine Mutter reagiert, als sie erfahren hat, dass du die Tagesschau moderierst?
Sie konnte es kaum glauben, sie hat immer die Tagesschau geguckt, es ist für sie eine deutsche Institution. Bei den ersten Sendungen hat sie sich nachts den Wecker gestellt, um mich zu sehen. Dann hat sie vor dem Fernseher gesessen und geweint.

Siehst du dich gerne selbst?
Bis heute denke ich „Bin das wirklich ich?“, wenn ich mich sehe. Ich kann es manchmal selber nicht glauben, dass ich da stehe und tatsächlich die Tagesschau spreche. Wolltest du denn immer schon zum Fernsehen?
Ja, aus dem einfachen Grund, weil man da keine Knöpfe drücken muss (sie lacht laut). Beim Hörfunk musst du ja alles selbst machen, auch die Technik. Beim Fernsehen guckst du nur in die Kamera und konzentrierst dich auf das, was du vorträgst.

Das war der einzige Grund?
Nicht ganz. Ich habe ja Hörfunk gemacht habe und dann irgendwann das Angebot bekommen, bei einem Casting für das heutige tagesschau24 mitzumachen. Da saß ich zum ersten Mal auf dem Stuhl, auf dem auch die Tagesschausprecher sitzen. Ich war auf einmal ganz nah dran. Das wollte ich auch.

Was muss man können, um Tagesschausprecherin zu sein?

Ich weiß auch nicht, warum die mich genommen haben (sie lacht wieder laut). Im Fernsehen wirkst du viel ernster...
Wenn ich Nachrichten präsentiere, werde ich zu einer anderen Linda. Ich nehme diese seriöse Haltung an. Außerdem kommt die Kombination aus dunklen Haaren, schlechten Nachrichten und dunkler Stimme einfach sehr streng rüber. Meine blonden Kolleginnen wirken weniger ernst. Wie wichtig ist das Aussehen für eine Tagesschausprecherin?
Ich glaube, es geht in erster Linie nicht um Schönheit, sondern um Ausstrahlung. Wir dürfen auch nicht zu tiefe Aufschnitte tragen, das lenkt zu sehr ab. Hast du viele männliche Fans?
Zumindest ein paar. Gerade gestern habe ich wieder eine sehr lustige Nachricht bekommen. „Sie sind aktuell die schönste Nachrichtenansagerin in Deutschland. Sogar viel hübscher als Amal Clooney. George“, stand darin. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Ich bekomme aber auch öfter nette Post von Frauen, das finde ich toll.

More from TV

WERBUNG