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Ich bin aus Deutschland ausgewandert. Aber wegen dieser 7 Dinge bereue ich es

Dieser Artikel erschien zuerst bei HuffPost.
Deutschland ist ein Auswanderungsland. Jedes Jahr kehren mehr Menschen dem Land den Rücken - vor allem Junge und gut Qualifizierte zieht es weg. Das hat eine neue Studie gezeigt.
Ich bin auch ausgewandert. Seit fünf Jahren lebe ich mit meiner Familie in Kambodscha. Eigentlich müsste ich nun davon schreiben, wie toll mein Leben im ewigen Sommer ist, befreit von deutscher Steifheit.
Wenn da nicht diese sieben Dinge wären, die ich wirklich vermisse (und, nein, Schwarzbrot ist nicht darunter):
1. Ein guter deutscher Döner
Mit Döner verbinde ich die schönsten Erinnerungen meiner Jugend: Reeperbahn, Hamburger Berg oder Hans-Albers-Platz um vier Uhr morgens. Die längste Zeit meines Lebens hielt ich das Fladenbrot für ein türkisches Gericht, das von Einwanderern nach Deutschland gebracht wurde.
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Bis ich einmal auf einer Rucksackreise einen in Istanbul probierte. Es wurde eine der größten Enttäuschungen meines Lebens: eine trockene Brothälfte voll ranzigem Fleisch, garniert mit einer verbrannten Paprika. Wo waren die frischen Tomaten? Der Krautsalat? Der Schafskäse? An diesem Tag wurde mir klar, dass es den Döner, wie wir ihn kennen, nur in Deutschland gibt.
Es ist kein türkisches, sondern ein deutsches Gericht. Ich würde sogar sagen: das wahre deutsche Nationalgericht. Mit Knoblauchsauce und viel Scharf, bitte!
2. Deutsche Unfreundlichkeit
Zum Pflichtprogramm eines Auswanderers gehört es, über Facebook nach Hause zu funken, dass die Menschen so ziemlich überall außerhalb Deutschlands viel freundlicher und offener seien. Es stimmt. Und diese ganze Freundlichkeit geht mir auf die Nerven.
Eines meiner großen Missverständnisse im Umgang mit Amerikanern und Australiern war, dass ich dachte, sie wollten tatsächliche einen Statusbericht über Körperfunktionen, finanzielle Lage und psychisches Befinden haben, wenn sie mich "How are you?" fragten. Das führte zu einigen sonderbaren Situationen. Ich lernte bald: Egal, ob man pleite ist oder Leukämie hat - man hat zu antworten: "I’m fine!"
Mir tun auch die britischen Busfahrer leid, die jedem Passagier freundlich zunicken müssen, der sich bei ihnen bedankt. Und die armen amerikanischen Kassiererinnen, die einem strahlend die Einkäufe in die Tüte packen müssen. In Deutschland gilt: Wer einen beschissenen Drecksjob hat, darf es auch deutlich zeigen. Es ist Teil der sozialen Gerechtigkeit, die uns Deutschen so am Herzen liegt.
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3. Die Nordsee
In der Wohnung des ersten Freundes meiner Schwester hing eine Motivtapete an der Wand: ein weißer Strand mit Palmen und blauem Wasser. Für mich war das der Ausdruck deutscher Spießigkeit: Die Sehnsucht nach dem Paradies, dem "unberührten" tropischen Strand. Nun, wir haben in Kambodscha unberührte tropische Strände bis zum Abwinken.
Leider hat man mir drei Wahrheiten über sie verschwiegen: Erstens - unberührte tropische Strände sind unberührt: Das heißt: voll mit Müll, Ästen, Blättern - und vielen, vielen Plastiktüten. Die tropischen Strände, die wir aus den Bildern im Reiseführer kennen, sind eben nicht unberührt, sondern wurden aufgeräumt.
Zweitens: Unberührte tropische Strände sind der natürliche Lebensraum des Sandflohs, eines Insekts, dessen Weibchen sich gerne in der Haut zwischen den Zehen einnistet. Das kann man nur verhindern, indem man sich mit hochprozentigem DEET einsalbt.
Drittens: Abgesehen von den Sandflöhen sind tropische Strände todlangweilig. Ich vermisse den Geruch der Nordsee. Tropische Strände riechen nach nichts - und wenn sie doch nach etwas riechen, möchte man lieber, dass sie nach nichts riechen.
4. Hunde, die Stöckchen holen
Ich mag Hunde. Ich kraule sie gerne hinter den Ohren und freue mich, wenn sie sich auf meine Füße legen. Wenn sie das machen, kommt der Punkt, an dem ich etwas suche, was ich dem Tier zum Spielen geben kann. Meistens ein Stöckchen.
Kaum ein deutscher Hund, der auf den Anblick eines Stocks nicht mit begeistertem Schwanzwedeln reagiert. Leider habe ich alle meine Freundschaften mit kambodschanischen Hunden dadurch versaut, dass ich irgendwann anfing, einen Stock in die Hand zu nehmen: Sie jaulten, klemmten den Schwanz zwischen die Beine und machten ab sofort einen großen Bogen um mich.
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Es dauerte eine Weile, bis ich verstand, dass sie mit Stöcken nicht "spielen" assoziieren. Das nennt man wohl ein kulturelles Missverständnis.
5. "Deutsche" Nutella
Nutella gibt es auf der ganzen Welt - auch in Kambodscha. Ich muss nur über die Straße laufen und kann mir ein Glas kaufen, wenn mir der Sinn danach steht. Doch das Problem ist: Sie schmeckt hier anders als in Deutschland. Und das ist nicht eingebildet.
Ferrero bringt den Brotaufstrich in Deutschland mit einer Rezeptur auf den Markt, die sich von jener, die in Italien oder Frankreich verkauft wird, unterscheidet: fester, weniger Zucker, mit mehr Kakao. Die Deutschen mögen es eben nicht so süß.
Verbunden mit den hier herrschenden Temperaturen wird die internationale Nutella zu einer klebrigen Masse, die so süß ist, dass sie einem die Fußnägel hochrollt.
6. Kinder, die an der Tür klingeln
Meine Kindheit in Deutschland sah so aus: Nach der Schule flog der Ranzen in die Ecke, ich aß, was meine Mutter in Ofen warmgehalten hatte, rief dann: "Mama, ich geh' zu Bernd/Lea/Basti/Dirk/Uwe!" und schlug die Haustür hinter mir zu.
Dann klingelte ich unangemeldet bei den Nachbarn: "Kann Bernd/Lea/Basti/Dirk/Uwe rauskommen?" Der Deal mit den Eltern war: Bevor es dunkel wird, sollte ich nach Hause kommen. Wir genossen eine unglaubliche Freiheit.
In Kambodscha können wir unserer Kinder nicht alleine aus dem Haus lassen, da der Straßenverkehr tatsächlich zu gefährlich ist. Aber auch in Gegenden, wo der Verkehr kein Problem ist, können wir die Kinder nicht aus dem Haus lassen, weil besorgte britische, amerikanische und australische Expat-Eltern sie sehen könnten.
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Und für die ist es unvorstellbar, dass Kinder alleine im Park oder auf dem Spielplatz spielen. Bei denen spielen Kinder nur in organisierten "Playgroups" und unter ständiger Beobachtung der Eltern.
Kaum ein Land bietet Kindern eine Jugend mit derart viel Sicherheit und Freiheit wie Deutschland.
7. Das CEE-7/4-Schuko-System
Gefühlte 15 Prozent meiner Wachzeit verbringe ich damit, elektrische Geräte zum Laufen zu bringen. Zum Beispiel, indem ich kunstvolle Schlaufen in Stromkabel mache, und diese um Tisch- und Stuhlbeine wickele. Oder indem ich kleine Pappfetzen abreiße und zwischen Steckdose und Stecker schiebe. Oder Stecker und Steckdose mit einem sorgfältig ausgewählten Buch beschwere.
Wenn gar nichts mehr hilft, greife ich zum Klebeband. Alles nur, damit Stecker und Steckdose sich in diesem einen, bestimmten Winkel zueinander befinden, in dem durch beide Kontakte Strom fließt.
Und wenn dann der Fernseher wieder läuft oder der Computer wieder hochfährt, stolpert meine Tochter über das Kabel und ich kann wieder damit anfangen. Oh, wie vermisse ich das deutsche CEE-7/4-Schuko-System: Stecker rein, Strom fließt - super.

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