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Was soll die Pillen-Panik? Warum es für mich keine Alternative gibt

Illustration: Anna Sudit
In den letzten ein bis zwei Jahren ist die Diskussion besonders hochgekocht: Ist die Pille eine unnötige Hormondröhnung, die uns bis zur Wesensveränderung manipuliert? So oder so ähnlich lassen sich die Schlagzeilen, viele wissenschaftliche Artikel und persönliche Erfahrungsberichte zuspitzen. Doch ich kann die Pillen-Panik nicht nachvollziehen. Natürlich liest man Geschichten, man tauscht sich mit Freundinnen aus, recherchiert selbst und fragt sich: Wäre ich jemand anderes, wenn ich nicht mit der Pille verhüten würde? Wäre ich nicht mehr so launisch, so müde? Würde ich endlich die paar Kilo zu viel um die Hüfte verlieren, die außer mir sowieso niemand sieht?
Ich unterhielt mich mit Freundinnen, die sich blendend fühlen, seit sie die Pille abgesetzt haben. Es sei die beste Entscheidung, die sie treffen konnten, sagen sie. Sie fühlen sich frei, nicht mehr so benebelt, Kopfschmerzen, Migräne und Trägheit sind wie weggeblasen – ja, und im Bett geht es wieder ab wie Schmidts Katze. Andere sind verhaltener, womöglich, weil sie noch mitten in der Hormonumstellung stecken, mit Haarausfall und unreiner Haut kämpfen, in der Hoffnung, dass es bald vorbei ist und sie es dann auch fühlen, dieses unverfälschte, echte Selbst- und Körpergefühl. Zugegeben, unterm Strich klingt das ziemlich verlockend. Sich selbst wieder fühlen, ganz bei sich sein – als sei das Absetzen der Pille ein Selbstfindungstrip à la „Eat Pray Love“.
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Im inneren Dialog mit mir selbst habe ich schon einige Kämpfe geführt: Bin ich einfach zu eitel, um die Pille abzusetzen? Zurück zu Pickeln, in meinem Alter? Der Allmonatspickel nervt schon genug. Bin ich zu feige, weil ich Angst habe vor der Person, die zum Vorschein kommt, wenn ich nicht mehr jeden Tag zur gleichen Zeit die kleine weiße Pille einwerfe? Aber was, wenn mir a hell of a time entgeht, die coole Sau, die noch irgendwo in mir steckt, unterdrückt von Östrogen und Co.?
Weil ich doch meist sehr gewissenhaft bin und mich lieber dreimal absichere, habe ich ein Gespräch mit meiner Frauenärztin geführt – in dem sicheren Gefühl, dass sie Rezepte nicht des Geldes wegen verschreibt, sondern weil sie auch eine Frau ist, und ihren Job aus Leidenschaft macht. Vorab sei gesagt: Jeder Gang zu Svetlana gleicht einem Abenteuer, weil diese Frau ein Temperament hat, das sich in solch einem Text kaum einfangen lässt. Sie ist eine mit Metaphern und Komplimenten um sich werfende Wortakrobatin, die einem das Vorhandensein und Nichtvorhandensein von Libido und Feuchtigkeit in einem Vergleich mit gutem und schlechtem Essen (und dem damit verbundenen „Wasser im Mund zusammenlaufen“) erklärt. Einleuchtend, unschlagbar und so simpel.
So konfrontierte ich Svetlana mit meinen Gedanken. Ihre Antwort, die ich so noch in keinem der ungezählten Artikel gelesen hatte: Hormone werden von Haus aus erst einmal vom Gehirn produziert und gesteuert. Wenn nun die Pille von außen Hormone beisteuert, fährt das Hirn die Produktion der jeweiligen Hormone von selbst zurück – laut Svetlana ist die viel verteufelte, riesengroße Hormonüberdosis also nur reine Panikmache.
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Sollte ich mich mit der Pille unwohl fühlen, könnten wir gerne auf den Ring umschwenken (das Einsetzen einer Spirale in eine „junge, gesunde Gebärmutter“ findet Svetlana schwierig zu vertreten) – so lange ich aber keine gesundheitlichen Probleme habe, könne ich die Pille ohne Bedenken weiternehmen.
Sicherlich gibt es genug Ärzte dort draußen, die jungen Mädchen die Pille voreilig verschreiben, weil für ihre Patientinnen das Hormonpräparat ein einfacher Weg aus der „Pickel-Pubertätskrise“ ist. In solchen Fällen kann man natürlich die Sinnhaftigkeit der Pille hinterfragen. Wenn ich in einem Punkt mit all den Artikeln übereinstimme, ist es der, dass Frauenärzte deutlicher als bisher über die Pille und die damit verbundenen Risiken (Thrombose etc.) aufklären sollten.
Ich persönlich habe mich nach dem Besuch bei Svetlana und einem Monat Bedenkzeit bis zum nächsten fälligen Rezept erneut für die Pille entschieden. Ich kann auch nach elf Jahren Pilleneinnahme keine gravierenden, negativen Effekte feststellen. Letztendlich muss jeder selbst über seinen eigenen Körper bestimmen. Und ich habe keine Lust, mir mit jedem neuen Anti-Pillen-Text ein schlechtes Gewissen machen zu lassen, was ich meinem Hormonhaushalt und meiner Psyche gerade antue. Für mich funktioniert die Pille.
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