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Realität im Opernhaus: Darum solltet ihr Elektra sehen

Das Publikum ist wie im Rausch als der Vorhang fällt. „Bravo, Bravo“- Rufe gehen durch den holzvertäfelten Zuschauerraum der Staatsoper im Schillertheater in Berlin. Die Masse steht und klatscht wie besessen, ich auch, ich bin nämlich ebenfalls wie bezaubert und erlöst von Patrice Chevreau’s dunkler Inszenierung von Richard Strauss’ „Elektra“. Der jüngst verstorbene Regisseur hat wohlwissend die musikalische Leitung einem weiteren Meister aufgetragen und so ist die Begeisterung des Publikums leicht zu erklären. Daniel Barenboim und die Staatskapelle Berlin tragen zu einer epischen und vollkommenen vereinnehmenden Aufführung bei. Das Bühnenbild, der Hinterhof des mykenischen Palastes, wirkt trist, postapokalyptisch leer und ohne Ablenkungen, wird aber durch die Stimmgewalten Elektras, Evelyn Herlitzuis, ihrer Mutter Klytämnestra, Waltraud Meier, ihrer Schwester Chrysothemis, dargestellt von Adrianne Pieczonka und dem rächenden Bruder Orest, Michael Volle, so sehr mit Leben gefüllt, dass die 105 Minuten fast wie im Flug vergehen. So wird unter anderem die Personifizierung der gebrochenen Elektra, die den Mord durch ihrer Mutter und Liebhaber an ihrem Vater Agamemnon rächen möchte, so perfektioniert, dass es scheint, man könnte das Licht in ihren Augen, als der totgeglaubte Bruder sich ihrer zu erkennen gibt, selbst von der letzten Reihe des Zuschauerraumes spüren.
Der lautstark inszenierte Hass zu ihrer Mutter, die weiche und liebende Zuneigung zu ihrer Schwester und auch die Hoffnung in‎ ihren rettenden Bruder Orest, sind präsent und wundervoll durch die mächtigen, oft auch zarten Töne der schwierigen Partitur unterstützt. Daniel Barenboim lässt uns Zeit, die Details des Arrangements auszukosten. Das restliche Ensemble ist realitätsnaher Nebendarsteller dieser Mythologie in Opernform. Die Mägde nuscheln den Text von Hugo von Hofmannsthal beeindruckend, die Diener sind pointiert zurückhaltend und der Vatermörder Aegisth, Stephan Rügamer, ist schnell und unaufdringlich wieder von der Bühne verschwunden. Realitätsnah ist das Stichwort, führt doch die Macht und Gewalt der Musik, wie sie zu einer richtigen Richard Strauss Oper gehören, manchmal dazu, die Stimme der Namensgeberin zu übertönen, aber sie findet doch, wie jede aufopfernde Frau, immer wieder einen Weg, sich auch in der lautesten Welt Gehör zu verschaffen und ihren wahnsinnigen Plan zur Vollendung zu bringen. Wer die Chance hat, Zeuge dessen zu werden, sollte nicht zögern: Die nächsten Aufführungen finden am 7./11./15./19. und 23. Dezember 2016 im wunderschönen Gran Teatre del Liceu in Barcelona werden.‎

www​.liceubarcelona.cat

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