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G20: Selfies machen, während um einen herum die Hölle ausbricht

u00a9 Bartosz Ludwinski, exklusiv fu00fcr Refinery29 Germany
Brennende Autos, Vandalismus, vermummte Horden: Diese Bilder bestimmten am vergangenen Wochenende während des G20-Gipfels den Alltag vieler Hamburger und ließen die friedlichen Demonstrationen in den Hintergrund rücken. Ein Foto sticht innerhalb der medialen Berichterstattung heraus: Eine halbvermummte Frau macht vor einer brennenden Barrikade ein Selfie. Fotograf Bartosz Ludwinski schoss die Momentaufnahme und berichtet hier über seine Erfahrungen bei den Ausschreitungen während des G20 in Hamburg.
Das Foto mit dem Mädchen, die halb vermummt im Palästinensertuch ein Selfie vor der brennenden Barrikade macht, ist im Schulterblatt, also direkt im Zentrum der Straßenschlacht während des G20-Gipfels, entstanden. Für mich ist die Aufnahme ein Sinnbild für die Stimmung, die dort am Wochenende herrschte, eine Kombination aus Protest und Party-Riot.
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Zuvor hatten die Autonomen es geschafft, sich mit Barrikaden in der Nähe der Flora und dem Pferdemarkt zu verschanzen. Nach einigem hin und her kam die Polizei im Pulk ein letztes Mal kurz in die Straße gelaufen, um sich dann aber zurück zuziehen und für die folgenden drei Stunden draußen zu bleiben. Entweder haben sich die Uniformierten nicht mehr rein getraut, oder sie wollte es nicht, jedenfalls wurde die Gegend daraufhin zum rechtsfreien Raum.
Die Stimmung war unheimlich aufgeheizt, es herrschte komplettes Chaos. Das Skurrile war, dass es irgendwie an eine Party erinnerte, nur eben an eine sehr gefährliche. Unter die Autonomen hatten sich Krawalltouristen und jugendliche Halbstarke gemischt, es wurde getrunken und gefeiert. Die ganze Szenerie glich einer Art Riot-Festival. Sobald etwas in die Luft flog, wurde kräftig applaudiert. Bei jedem Fahrrad, das in Flammen aufgegangen ist, bei jedem Mülleimer, der gebrannt hat: Applaus, von Jung wie Alt. Und dabei haben die Leute sich dann auch noch selbst fotografiert oder gefilmt, so wie eben auch das Mädchen auf dem Foto.

Die Stimmung war unheimlich aufgeheizt, es herrschte komplettes Chaos. Das Skurrile war, dass es irgendwie an eine Party erinnerte, nur eben an eine sehr gefährliche.

Bartosz Ludwinski
Sie selbst habe ich bei keiner Aktion gesehen, ich weiß nicht zu welcher Gruppe sie gehörte, auch wenn sie sich in der Nähe des schwarzen Blocks aufhielt. Und das war sowieso irgendwann die Frage: Wer macht hier eigentlich was, wer gehört zu wem? Sie hatte auf jeden Fall kein Problem damit, fotografiert zu werden. Autonome haben meistens etwas dagegen, die möchten nicht erkannt werden. Das Mädchen hingegen war nur halb vermummt, so wie viele andere auch. Als ich gesehen habe, wie sie mit ihrem Handy zu der brennenden Barrikade zugelaufen ist, dachte ich mir, das ist symptomatisch für 2017. Selfies machen, während um einen herum die Hölle ausbricht.
Protokolliert von Anneli Botz

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