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Warum ich bei Zara einkaufe, obwohl ich bewusst konsumieren will

Antonia Wille schreibt gemeinsam mit Amelie Kahl und Milena Heißerer auf amazed über Mode, Beauty, Reisen sowie politische, gesellschaftliche und zeitgenössische Themen. Mode ist ihre Leidenschaft und ihr Beruf, gleichzeitig aber auch eine Branche, die sie immer wieder ins Zweifeln bringt. Schließlich ist der Großteil der Produktions- und Arbeitsbedingungen immer noch alles andere als fair und umweltfreundlich. Wie sich ein nachhaltiger Lebensstil damit vereinbaren lässt, erzählt sie hier.
Wie ein Mahnmal starrt sie mich an. Die blaue Papiertüte von Zara ist mein personifiziertes schlechtes Gewissen. Der Inhalt lässt mein Herz hüpfen, doch gleichzeitig meldet sich diese Stimme in meinem Kopf: „Wie war das mit dem Minimalismus? Und der Nachhaltigkeit?“
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Ich liebe Mode. Schon als kleines Kind wusste ich genau, was ich tragen will und was nicht. Später war ich Trend-Addict und plötzlich irgendwie auch Modebloggerin. Eine Magisterarbeit über die Identität und Mode später ist das Anziehen, das Horten und Neu-Erfinden von Kleidung mein Job. Ich schreibe über Mode, setze mich kritisch mit ihr auseinander und sehe nicht mehr nur die schönen, sondern auch die Schattenseiten der Branche.
Früher konsumierte ich blind – das erste Gehalt auf dem Konto und ab zu H&M & anderen großen Ketten. Heute versuche ich, bewusster einzukaufen. Denn spätestens seit dem Brand in einer Textilfabrik in Dhaka in Bangladesch am 24. April 2013 mit 1135 toten Menschen und Dokumentationen wie True Cost sollte klar sein: Fast Fashion ist und darf nicht die Lösung sein. Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen für unseren Konsum, dem Wunsch nach Masse, immer weiter leiden. Bewusster Konsum, die Frage „Was brauche ich wirklich?“ und das Wissen, dass ein T-Shirt eben nicht drei Euro kosten und gleichzeitig fair produziert sein kann, ist glücklicherweise immer öfter ein Thema. Bei mir persönlich wie auch in immer mehr Unternehmen sowie in den Medien. Ist die Veränderung da – oder doch nur der Wunsch nach ihr?
Denn es passiert immer wieder. Ich werde schwach. Dann stehe ich das nächste Mal bei Zara, blicke mich um und die Frage „Brauche ich das wirklich?“ verwandelt sich in meinem Kopf langsam in ein „Nimm mich mit.“
Es ist paradox: Nachhaltigkeit zu leben fällt mir in vielen Lebensbereichen nicht schwer. Plastiktüten vermeide ich, mein Stoffbeutel ist immer in meiner Tasche. Ich ernähre mich vegetarisch und kaufe meistens saisonales Obst und Gemüse bei meinem Bioladen. Ich besitze kein Auto, nutze aber Carsharing als Alternative. Denn mal ehrlich: Ein Auto in der Großstadt „braucht“ niemand. Die meiste Zeit fahre ich sowieso Fahrrad, das macht mehr Spaß. Kleidung schmeiße ich nicht weg, sondern spende ich. Plastik sowie Palmöl stehen bei mir auf der roten Liste – spätestens, seitdem ich Leonardo DiCaprios Dokus Before the flood über den Klimawandel gesehen habe. Der Verzicht auf diese Dinge funktioniert nicht immer, doch ich arbeite aktiv daran.
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Nur die Sache mit der Mode, die habe ich noch nicht im Griff. Tatsächlich ist mein Konsum weitaus reduzierter als noch vor ein paar Jahren. Gleichzeitig besitze ich aufgrund meines Jobs immer noch weitaus mehr, als ich mir selbst kaufen würde. Vom Brauchen fangen wir gar nicht erst an. Mode ist meine Leidenschaft. Ist das vielleicht die billigste Ausrede?
Und so bemühe ich mich immer wieder aufs Neue. Gebe im Geschäft nicht meinem ersten Impuls nach, sondern schlafe ein paar Nächte drüber. Ist dann immer noch der Wunsch danach da, wird die Kleidung erst gekauft. Sehe ich ein Teil, wird erst der Kleiderschrank durchsucht, ob nicht doch so etwas ähnliches bereits existiert. Außerdem weise ich auf die Themen hin, schreibe viel über die Problematik zwischen Modelust und bewusstem Konsum. Mir ist es wichtig, zu einem reflektierten Umgang zu ermutigen und den Sinn meiner Leserinnen für das Thema zu schärfen und darauf hinzuweisen, dass wir als Verbraucher die Macht haben. Veränderungen fangen im Kleinen an – im Konsumverhalten, genauso wie in der Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit.
„Das ist scheinheilig“, höre ich aus der Ferne. Von meinem Gewissen genauso wie in meinem Umfeld. „Nur wer alles richtig macht, ist auch glaubwürdig“, heißt es oft. Oder: „Wie kannst du über Nachhaltigkeit und faire Mode schreiben, wenn du das selbst nicht zu 100% lebst?“
Kann ich nicht? Doch, möchte ich entgegensetzen.
Es gibt eben kein Schwarz-Weiß im Leben, sondern immer auch ganz viel Grau. Es wäre wundervoll, könnten wir alle von heute auf morgen auf Fast Fashion verzichten. Das ist für die meisten unmöglich. Doch jeder Schritt in die richtige Richtung zählt, und wenn es nur Baby-Schritte sind. Zu hohe Erwartungen und Ansprüche an uns selbst, lassen uns scheitern. Niemand kann von jetzt auf gleich seinen Kleiderschrank nachhaltig gestalten. Je mehr Druck wir uns machen, umso eher scheitern wir. Wichtig ist: Ein Bewusstsein für das Thema entwickeln. Sich dem Ganzen stellen und das Tun, was in der eigenen Macht liegt. Weniger konsumieren, Kleidung nach und nach aussortieren und immer öfter in faire Brands investieren. Im besten Fall: Menschen inspirieren, es einem gleichzutun.
Kleine Rückfälle sind okay, weil sie menschlich sind. Wie traurig wäre es, wenn jeder beim kleinsten Scheitern vor sich und anderen aufgeben würde? Eben. Also, einfach anfangen und losmarschieren.

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