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Hört auf das Coachella zu bashen, ihr wärt doch eigentlich gerne selbst da

Und schon wieder ist ein Jahr vorbei. Es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen, als mein Instagtam-Feed geflutet wurde von Snapschüssen vom Coachella Festival, auch bekannt als das Fashion-Woodstock Amerikas.
Ob Influencer*innen, Models, Musiker*innen oder Schauspieler*innen – es ist egal, wen du abonniert hast, es ist mindestens eine Person dabei, die ein „Whoo-Foto” vor dem legendären Riesenrad postet. Niemand, ich wiederhole, niemand ist während Coachella vor Coachella sicher.
Dass ich dieses Spektakel eher skeptisch bis zynisch betrachte, ist seit meinem Artikel vom letzten Jahr kein Geheimnis mehr. Ich bin auch nach wie vor der Meinung, dass durch das ganze Hippie-Affentheater der Besucher*innen die meistens wirklich ausgezeichnete Line-Up und der lobenswert nachhaltige Gedanke des Coachella-Festivals zu Unrecht in den Hintergrund gedrängt wird. Mit meiner Einstellung bin ich, das weiß ich, in bester Gesellschaft, schließlich gehört das Abhaten über das kalifornische Mega-Event inzwischen irgendwie zum guten Ton.
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Allerdings muss ich zugeben, dass mich in einem klaren Moment der absoluten und nackten Ehrlichkeit gegenüber mir selbst und meiner eher negativen Einstellung gegenüber eigentlich allem eine erschreckende Erkenntnis überkam: Ich wäre schon sehr gerne mal dabei.
Mein halbes Leben lang habe ich, so kommt es mir rückblickend vor, alle meine Sommer auf Festivals verbracht. Ich war beim Splash!, bei Rock am Ring, auf dem Haldern Pop und beim Open Ohr. Das Melt! habe ich mehrfach mit meiner Anwesenheit beehrt und mein allergrößter Traum war es, einmal zum Sziget-Festival nach Budapest zu fahren. Neid und Missgunst sind zwei Emotionen, die niemand gerne zugibt. Wir sehen neben uns an der Ampel einen affengeilen Porsche? Der Fahrer hat bestimmt einen kleinen Penis. Die Freundin deiner Freundin hat diese Designer-Handtaschade, die du dir schon so lange wünschst? Bestimmt reiche Eltern, die sich ihre Liebe erkaufen müssen. Deine Kollegin ist unglaublich schlank / schlau / fleißig / wird von allen geliebt? Ganz klarer Fall von Essstörung / Klugscheisserei / hat kein Privatleben / hat keinen Charakter.
Ja, Missgunst ist ist schon eine richtig fiese und ekelhafte Angelegenheit. Was mich hieran jedoch am allermeisten fasziniert, ist die Tatsache, dass man in vielen Fällen wirklich und mit voller Überzeugung glaubt, dass das die eigene Meinung ist. Ich meine, klar, ich stelle mir das Coachella auch unglaublich anstrengend vor und gerade ich würde vermutlich mindestens die Hälfte aller Menschen dort verachten, ob ihrer Handysucht und ihrer Blumenkränze. Seht ihr, hier haben wir es schon wieder: Ich werfe mit Klischees um mich, ohne je einmal dort gewesen zu sein.
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Und habt ihr nicht auch schon mal gemerkt, dass eigentlich JEDER rant über das Coachella mit dem Satz endet: „Ja gut, wenn mir jetzt jemand ein Ticket schenkt, würde ich mir das schon mal anschauen.“
Bei allere Bigotterie meinerseits: Ich bleibe dabei, dass ich niemals so viel Geld für ein Festival ausgeben würde und könnte, dass ich die Attitude, die hier an den Tag gelegt wird, ebenso anstrengend finde wie die ganze Hippie-Klamotten-Kiste, die mit jedem Coachella unweigerlich einhergeht. Ich bleibe ebenfalls dabei, dass ich auch dieses Jahr allen entfolgen werde, die Power-Girl-Gruppenfotos mit Victory-Zeichen auf Instagram posten, und ich finde es nach wie vor tragisch, dass man vor lauter Social-Media-Trallafitti nichts vom restlichen Festival mitbekommt.
Ich bin aber auch vielleicht erwachsener und gütiger geworden oder habe einfach gelernt, mir nicht dauernd selbst in die Tasche zu lügen. Und ich gestehe mir ein, dass es mit Sicherheit auch für mich eine Once in a Lifetime Experience wäre zum Coachella zu fahren. Vielleicht richtet sich mein Artikel hier auch nur an mich? Bin ich eventuell die einzige, die das Coachella in der Vergangenheit schlecht gemacht hat und nun auf geläutert macht. Vielleicht horcht ihr aber mal in euch hinein, alle, die ihr immer herablassend auf alle die Menschen geblickt habt, die 500 Dollar für zwei Tage Spaß ausgeben, um alles vornehmlich über den Bildschirm ihres Smartphones erleben, und entscheidet, ob ihr das nicht auch gerne machen würdet.
Aber bitte ohne Whoo-Fotos vorm Riesenrad. Danke.

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