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Ich masturbiere nicht & treffe gerade deswegen Fehlentscheidungen im Leben

Ich masturbiere nicht. Wartet, das ist falsch: Ich habe mehr als zwei Jahrzehnte lang nicht masturbiert und bis heute denke ich, dass ich ganz viele Fehlentscheidungen in meinem Leben gerade deswegen getroffen habe. Warum? Stell Dir vor Du läufst jahrelang mit einer geladenen Waffe herum. Irgendwann muss das Ding ja nach hinten losgehen, egal wie sehr Du aufpasst! Ich meine, gerade bei uns Frauen, die wir so emotionsgeladen sind!
Die große Frage ist, warum habe ich nicht masturbiert? Meine Eltern waren zwar immer recht modern und liberal eingestellt, haben aber in Punkto Aufklärung jämmerlich versagt. (Entschuldigt bitte Mama und Papa – ich liebe Euch, aber das muss leider mal gesagt werden). Sex wurde halt nie thematisiert und von Masturbation brauchen wir gar nicht erst anzufangen.
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Kindliche Sexualität

Meine Kollegin hat mir vor einiger Zeit erzählt, dass ihre kleine Tochter, sie ist 6 Jahre alt, immer öfter auf der Stuhlkante hin und her rutscht, dabei die Augen schließt und sich quasi selbst befriedigt. In letzter Zeit hat sie es auch immer öfter im Kindergarten gemacht, sodass die Erzieherin meine Kollegin darauf angesprochen hat: Sie solle doch bitte mit ihrer Tochter sprechen und ihr erklären, dass so ein Verhalten nicht in die Öffentlichkeit gehört. Oh, man, dabei ist kindliche Sexualität überhaupt nichts Unnormales.

Als ich ca. 8 Jahre alt war, habe ich mich öfter heimlich am Heizungsknauf gerieben.

Im Gegensatz zu Erwachsenen empfinden Kinder noch kein Schamgefühl und wollen daher nur ganz egozentrisch diesem wohligen Gefühl nachgehen und damit ihren Körper kennenlernen. Erst wir Erwachsenen bringen Kindern bei, dass es sich nicht gehört, in der Öffentlichkeit seine Genitalien anzufassen. Ich vermute, viele Eltern machen es mit solch einem Nachdruck, dass Kinder sich Folgendes merken: Genitalien anfassen ist etwas Schlechtes. Und zack – da haben wir das Problem: Zwanzig Jahre später denken wir immer noch, sich selbst anzufassen, ist irgendwie falsch.
Als sie mir von dieser Story erzählt hat, ist mir auf einmal eine Kindheitserinnerung in den Kopf geschossen: Als ich ca. 8 Jahre alt war, habe ich mich öfter heimlich am Heizungsknauf gerieben. Es war ein tolles Gefühl, aber ich habe mich schlecht gefühlt, weil ich dachte, ich mache etwas Falsches, etwas Verbotenes, also habe ich irgendwann damit aufgehört.

Sei nicht so leicht zu haben.

Wenn das Thema Sex mal in unserem Hause aufkam, dann nur von meiner Mama – mein Dad hat seitdem ich denken kann immer nachts gearbeitet und war daher kaum präsent in meinem Leben – und die hat versucht, meine Jungfräulichkeit so lange wie möglich zu erhalten, indem sie mir Geschichten erzählt hat wie diese hier:
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“Stell Dir einen Apfelbaum vor. Dieser Baum ist behangen mit zahlreichen Äpfeln, pralle knackige weiter oben, aber auch reife Äpfel, die bereits auf den Boden gefallen sind. Wenn Du Dir jetzt einen Apfel aussuchen würdest, welchen Apfel würdest Du Dir greifen? Den ganz oben oder einen reifen, der bereits am Boden liegt? Wahrscheinlich würdest Du Dir einen von ganz oben holen wollen und je mehr Mühe Du Dir gibst, diesen zu bekommen, desto mehr wirst Du ihn hinterher genießen und wertschätzen. Sei immer einer dieser Äpfel von ganz oben. Sei nicht so leicht zu haben.” Hat 18 Jahre lang funktioniert. Bis ich meinen ersten festen Freund kennengelernt habe.

Wie die ersten sexuellen Erfahrungen ein Mädchen prägen

Er war 13 Jahre älter als ich und hat mich, um ehrlich zu sein, ziemlich überfordert. Und das in so vielen Bereichen: Er hatte einen Fußfetisch, einen Schuhfetisch und einen SM-Fetisch im Allgemeinen. Dazu gehörten eben auch Lack und Lederoutfits, Corsagen, High Heels… Schwierig zu schlucken für ein junges Mädchen, das gerade ihr erstes Mal mit ihm hatte. Ja, ich hatte mein erstes Mal mit ihm. Wenn ich so zurückdenke, war es ein echt bescheidenes erstes Mal.
Entjungfert hat er mich mit seiner Hand. Wir waren auf einer Party, ich saß auf seinem Schoß und wir haben rumgeknutscht. Es ging ganz schön heiß her, na klar – ich war mega verliebt. Irgendwann ging er mit seiner Hand unter meinen Rock und fing an, mich zu fingern. Ich war sehr erregt und klitschnass… dann hat es auf einmal einen Ruck gegeben und kurz gezogen im Unterleib. Seltsames Gefühl. Ich habe direkt gemerkt und geahnt, was passiert sein könnte. Als ich auf die Toilette gegangen bin, war die Bestätigung direkt da. Eine zartrosa Flüssigkeit rann mir die Beine herunter.
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Irgendwie blöd, so entjungfert zu werden. Das Schlimmste daran: Als ich ihm erzählt habe, was passiert ist, hat er mir nicht geglaubt. Er hat mir unterstellt, dass ich auch schon davor keine Jungfrau gewesen sein muss. Das hat mich damals ziemlich verletzt. Was hätte es für einen Grund gegeben, ihm meine Entjungferung vorzuspielen?

Vorspiel in dieser Zeit gleich null.

Als wir dann das erste Mal richtig miteinander geschlafen haben, gab es kein Vorspiel. Ich wurde quasi aufs Bett geschmissen und keine Minute später ist er in mich eingedrungen. Als es vorbei war, war ich sehr enttäuscht. Das soll es gewesen sein, wovon alle sprechen?! Ich wusste damals nichts darüber und hätte auch nie geahnt, dass Sex so viel mehr ist.
Ich war vier Jahre lang mit ihm zusammen. Vorspiel in dieser Zeit gleich null… Immer ging es darum, diese Corsage anzuziehen, dazu jene High Heels, um mich dann schön zu präsentieren und ihm gefällig zu sein. Jetzt, mit Mitte dreißig, denke ich, dass mir auch ein klassisches Aufklärungsgespräch, in dem man von Bienen und Blumen erzählt, damals nicht weitergeholfen hätte. Allerdings wäre es schön gewesen, auf andere Art von den Eltern abgeholt und vorbereitet zu werden. Ich hätte mir Sätze gewünscht, wie: “Woher weißt Du, ob der Junge Dich wirklich mag oder nur mit Dir schlafen möchte?” oder “Packt er Dich wie ein Geschenk aus, weißt Du, ob er Dich auch wie eins behandelt.”
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Mein Freund hat mich, in den vier Jahren in denen wir zusammen waren, mehrmals betrogen und das auf so schlimme Weise, dass ich selbst meiner schlimmsten Feindin diese Erfahrung nicht an den Hals wünschen würde. Er hat mich mit meiner “Freundin” betrogen, meiner Chefin, hat mit irgendwem ein Kind gezeugt und das Allerschlimmste: Er hat alles ungeschützt getan und mich im Endeffekt mit HPV (Humane Papillom Viren) angesteckt.
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Mein Sexualverhalten wurde durch diesen sehr egoistischen und einseitigen Sex leider falsch geprägt.

Dies habe ich erst Jahre später beim Frauenarzt erfahren und leider war die Krankheit schon so weit fortgeschritten, dass sich bereits erste Krebszellen am Gebärmutterhals gebildet hatten, sodass ich operiert werden musste. Eine Konisation nennt man sowas, übersetzt: Der Gebärmutterhals wird gekürzt und die Krebszellen werden herausgeschabt. Heute bin ich wieder gesund, gehe aber regelmäßig zur Krebsvorsorge.
Nachdem ich mich nach vier Jahren von meinem Freund getrennt habe, war ich dermaßen geschädigt, dass ich erstmal fünf jahre lang Single war. Ich wollte mich irgendwie an allen Männern da draußen rächen. Oder besser gesagt, ich wollte leben wie ein Mann. Ich war ja auch komplett übersexualisiert durch meinen ersten Freund. Normaler Sex? Was ist das? Vertrauen und liebevolles Miteinander? Nie gehört…
Mein Sexualverhalten wurde durch diesen sehr egoistischen und einseitigen Sex leider falsch geprägt. Ich habe nie gelernt, mich fallen zu lassen. Ich wurde zur Performerin erzogen, die immer schön hinhalten soll und sich so oder so positionieren soll, damit er mich besser bumsen kann oder weil es ihn aus der Stellung anmacht oder ich besser dabei aussehe.

Warum ich auch heute noch nicht komme

Heute – 15 Jahre später – grüble ich noch immer, wenn ich Sex habe. Ich denke an Millionen Dinge: “Wie sehe ich gerade aus, riecht meine Muschi gut, wird er mich hinterher fragen, ob ich gekommen bin? Denkt er, ich liege nur steif rum, wie ein Brett, wenn ich mich nicht bewege? Oh, das war gut. Warum hört er damit auf? Oh, das war unangenehm. Wie sag ich es ihm? Jetzt oder später?” Und so weiter und so fort….
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Wenn man beim Sex nie kommt, fühlt man sich wie ein Alien.

Das heißt, ich komme beim Sex nicht – immer noch nicht. Nie. Und das erzähle ich natürlich niemandem. Warum? Weil ich es schon ein paar mal bei meinen Mädels getan habe und die Reaktion immer dieselbe war: WAS?! Nicht mal beim Lecken?? NEIN, nicht mal beim Lecken… ?
Wenn man beim Sex nie kommt, fühlt man sich wie ein Alien. Man lügt, weil man nicht will, dass der Mensch, der gerade vor einem steht, denkt, dass etwas nicht mit einem stimmt, oder man wäre frigide – ja, ich habe eine Zeit lang wirklich selbst gedacht ich wäre frigide. Oder der Partner versteht es als Challenge und will Dich unbedingt zum Orgasmus bringen und dann ist man schon von vorneherein gehemmt bzw. blockiert, weil man hinterher erstmal einen Report abgeben muss: “Bist Du gekommen? Warste an der Stelle kurz davor? Ich hatte da so ein Gefühl, war mir aber nicht sicher…”
Ein “Überthematisieren” kann leider auch dazu führen, dass die Libido sich verabschiedet. Naja, und wenn man einmal geschwindelt hat, muss man ja damit weitermachen, denn sonst müsste man zugeben, dass man schon die ganze Zeit über vorgetäuscht hat. Man lügt, weil es einfacher ist und man sich nicht erklären muss. Und irgendwann ist es einfacher, zu lügen, als sich mit der Wahrheit und sich selbst zu beschäftigen.
Wahrscheinlich muss ich ganz neu lernen, mich beim Sex fallen zu lassen, den Kopf auszuschalten. Mir ist bewusst, dass dies noch mehrere Jahre dauern kann und nur mit einem Partner möglich ist, der dies versteht und mir die Zeit gibt. Der Geduld mitbringt und Ausdauer.

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