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Tag der deutschen Einheit – Mode spricht auch ohne Millennial Pink

Ich bin es nicht gewohnt mit Vorurteilen kämpfen zu müssen, weil ich weiß bin und in Deutschland nirgendwo auffalle. Als ich in Hessen studiert habe, habe ich mir meinen thüringischen Dialekt schnell abgewöhnt. Die platten Ossi-Witze haben schon nach dem Ersti-Kurs genervt. Dass Menschen aus dem Osten 14 Jahre nach meiner Einschreibung mit ganz anderen Vorurteilen konfrontiert werden, ist nach den letzten Ausschreitungen in Chemnitz nachvollziehbar und zugleich schockierend.
Fotos: Jessica Barthel
Prada, Cardigan, 830 €, erhältlich bei matchesfashion.com; Gucci, Hemd; Lee Mathews, Kleid, 425 €, erhältlich bei matchesfashion.com
Nach den Ausschreitungen in der sächsischen Stadt im September finden sich Rechte erneut im Osten zusammen. Einerseits überrascht mich das als gebürtige Thüringerin, die mit 13 schon von Nazis bedroht wurde, wenig. Andererseits kenne ich im Osten so viele Menschen, die rechte Gesinnungen genauso verabscheuen wie ich. Deswegen werde ich nie müde zu sagen, dass der Rechtsruck nicht nur im Osten stattfindet, sondern ein gesamtdeutsches Problem ist. Zur Feier des Tages ringe ich mich sogar dazu durch, Innenminister Horst Seehofer zitieren: „Diese terroristischen Bewegungen gibt es in jedem Bundesland und international. Ich wehre mich sehr dagegen, dass man das geografisch bestimmten Regionen zuordnet. Das wäre eine nicht zulässige Oberflächlichkeit.”
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Fotos: Jessica Barthel
Loewe, 690 €, Shirt, erhältlich bei matchesfashion.com
Dabei bin ich eigentlich gern in der thüringischen Provinz aufgewachsen. Von meiner Familie geliebt, unweit der Natur und weltoffen. Nur eine Großstadt wäre meinem Teenie-Ich vielleicht lieber gewesen. War ja nichts los außer Rumhängen in Abrisshäusern, auf Parkplätzen oder an der Stadtmauer. Womöglich hätte ich mich mitten in der Pubertät aber nirgendwo so richtig wohl gefühlt. Nachdem die Mauer gefallen ist als ich drei war, sind meine Eltern und ich viel gereist. Paris, Florida, Kuba; besonders meine Mutter ermöglichte mir schon früh, die Welt kennenzulernen.
Fremdenhass habe ich nie verstanden. Vor allem nicht in einem Ort, in dem es so gut wie keine nicht-weißen Menschen gab und gibt. So habe ich schon meine Seminararbeit in der 12. Klasse zum Thema Rassismuss geschrieben und es ist mir bis heute unerklärlich, was Menschen aus meiner Heimat, von denen viele Verwandte und Freunde haben, die selbst Geflüchtete waren, dazu motivert Menschen anderer Herkunft feindselig, hasserfüllt bis morddrohend gegenüberzustehen.
Fotos: Jessica Barthel
American Vintage, Bra und Panty, 75 €, erhältlich bei American Vintage
Genauso geht es Fotografin Jessica Barthel, die in Leipzig geboren wurde. Trotz ihrer Herkunft hat sie sich in der Stadt oft als Besucherin gefühlt. „Ich kann mich an meine ersten fünf Lebensjahre kaum erinnern, aber der Westen hat mich nie vergessen lassen, dass ich ein Kind der DDR bin. Ich war immer stolz darauf.” Nach Stationen in Berlin und New York lebt sie heute wieder in ihrer Heimat: „Ich glaube an die Stadt, wie Tausende andere auch. Leipzig ist die Stadt mit dem höchsten Zuwachs in Deutschland und wunderschön! Das wissen nur wenige. Mein Mann und ich haben uns diesen Sommer dort ein Haus am See gekauft.”
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Fotos: Jessica Barthel
Balenciaga, Sweater, erhältlich bei The Stores; Joseph, Kleid, erhältlich bei Joseph
Bis heute werde ich am Tag der Deutschen Einheit sentimental, auch wenn ich kaum eigene Erinnerungen an die DDR habe. Doch allein die Vorstellung in einer Planwirtschaft und Diktatur zu leben, in der sich Nachbarn ausspionieren, die Reisen in viele Teile der Welt unmöglich machen würde und die in das Leben ihrer Bürger drastisch eingreift, schnürt mir die Kehle zu. Selbstverständlich habe ich ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Ketten des Kapitalismus. Als Moderedakteurin sehe ich mich längst als Teil des Problems an oder zumindest als jemand, der an der Umweltverschmutzung, wie sie heute ist, mitgewirkt hat.
Doch Mode kann mehr sein als Kleidung. Das sieht auch Barthel: „Mode kann als Vermittler zwischen Menschen unterschiedlicher Meinung und Herkunft eine große Rolle spielen, denn sie braucht keine Worte.” Damit Toleranz und Offenheit in Deutschland bestehen bleiben und sich weiter ausbreiten können, kann Mode zumindest eine Nebenrolle belegen, denn „die Menschen müssen anfangen miteinander zu sprechen!” Auch über Vorurteile. Das galt für unsere Eltern direkt nach der Wende, für mich im Studium und für alle demokratischen Bürger jederzeit.
Fotos: Jessica Barthel
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Gemeinsam mit Stylistin Saskia Schmidt, Model Sonia Apiot und Haar-und-Make-Up-Artist Ischrak Nitschke hat Barthel für uns Looks und Stimmung im ehemaligen Osten eingefangen. Die Bilder sprechen eine andere Sprache als die unter dem Karl-Marx-Monument in Chemnitz. Sie sollen genauso wie die Mode für Toleranz und Offenheit stehen.

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