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Sarah Diehl kämpft um das Recht auf Abtreibung und Kinderlosigkeit

Sarah Diehl ist Autorin und Aktivistin in Berlin. Ihre Themen: das weibliche Recht, selbst zu entscheiden, ob man Kinder möchte oder nicht – auch im Falle einer ungewollten Schwangerschaft – und unser Umgang mit freiwillig kinderlosen Frauen. Sarah Diehl hat das Buch “Die Uhr, die nicht tickt: Kinderlos glücklich” geschrieben und setzt sich mit der Organisation Ciocia Basia dafür ein, Frauen aus Polen, wo Abtreibung strafbar ist, einen sicheren Schwangerschaftsabbruch in Deutschland zu ermöglichen. Wir treffen die 39-Jährige in ihrer Berliner Wohnung zum Gespräch über die Grenzen des Feminismus, den weiblichen Körper, die Angst vor der Kleinfamilie und neue Formen der Elternschaft.
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femtastics: Du hast Museologie, Afrikawissenschaften und Gender Studies studiert. Hattest du vor dem Studium einen Berufswunsch?
Sarah Diehl: Schriftstellerin oder Autorin! Ich wollte Geschichten aus der Welt einsaugen, mit ihnen etwas machen und sie zurückgeben – in welcher Form auch immer. Das wollte ich schon in der Pubertät beruflich machen. Heute schreibe ich Romane, Sachbücher und habe einen Dokumentarfilm gedreht. Und ich hatte immer das Gefühl, dass die Themen mir sagen, mit welchem Medium sie behandelt werden wollen.
Du wolltest aber nicht Journalistin werden, sondern Autorin?
Ich glaube, dass man nicht jede Erfahrungswelt journalistisch abbilden kann. Manchmal braucht man Fiktion. … Bald kommt mein zweiter Roman heraus!
Und wie kamst du darauf, Museologie zu studieren?
Das hat sich ergeben, weil ich nur Fachabitur hatte und Museumswissenschaften einer der wenigen Studiengänge war, zu denen ich zugelassen werden konnte. Es war dann aber sehr interessant. Ich fand immer die Arbeit in den Archiven, in den Kellern, total spannend. Meine heutige Arbeit ist gar nicht so anders: Ich stochere jetzt in Geschichten herum, gucke mir Dinge genau an und präsentiere sie am Ende. Mich interessieren die Untiefen – und deshalb finde ich vielleicht auch das Thema Abtreibung so interessant.

Das Thema Abtreibung ist so negativ belastet, dass es Frauen sehr schwer gemacht wird, ihre eigenen Einstellung und ihren eigenen Weg zum Thema Abtreibung zu definieren, der nicht von Scham und Schuldgefühlen bestimmt ist.

Wie wurden die Themen rund um Frauen, den weiblichen Körper und Abtreibung für dich so relevant?
Die erste Anthologie, die ich geschrieben habe, hieß „Brüste kriegen“. Da fing ich an, mir Gedanken dazu zu machen, wie mein weiblicher Körper einerseits Gefängnis ist, andererseits aber auch Potential. Wenn man darüber nachdenkt, landet man ganz natürlich beim Thema Abtreibung, weil das ein sehr umkämpftes, geradezu mythologisiertes Thema ist. Das Thema ist so negativ belastet, dass es Frauen sehr schwer gemacht wird, ihre eigenen Einstellung und ihren eigenen Weg zum Thema Abtreibung zu definieren, der nicht von Scham und Schuldgefühlen bestimmt ist, sondern den Frauen selbstbewusst vertreten können.
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Was genau meinst du?
Das Thema wird oft in einer philosophischen Diskussion über den Beginn des menschlichen Lebens behandelt, aber man denkt nicht daran, dass eine andere Person – nämlich die schwangere Frau – die Konsequenzen tragen muss. Es ist wichtig, festzustellen, dass es Personen gibt, die unsere philosophischen Diskussionen ausbaden müssen.
Zum Beispiel in Form von Gesetzen?
Ja, einerseits Gesetze, die den Zugang zu Abtreibung erschweren oder verhindern. Aber auch, wie Frauen, die abgetrieben haben, gesellschaftlich verurteilt werden: Ihnen wird immer wieder gesagt, sie seien Täter und hätten Schuld. Fakt ist: Es gehört zur Gebärfähigkeit dazu, dass einmal etwas schief laufen kann und dass die betreffende Frau dann auch die Kontrolle darüber haben muss! Und vielleicht ist das gar nicht so ein Drama, wie uns die Gesellschaft permanent glauben machen will. Ich finde, das Thema Abtreibung sollte gesellschaftlich diskutiert werden wie zum Beispiel Menstruation oder Fehlgeburt, aber nicht immer in einem Satz mit Tod und Töten.
Ist da auch eine Aufklärung nötig?
Auf jeden Fall. Ich finde, Frauen sollten neue wissenschaftliche Studien kennen, die belegen, dass man vor der 24. Woche, also vor Beginn des 6. Schwangerschaftsmonats, wirklich nicht von Subjektivität im Bezug auf den Embryo sprechen kann. Der Embryo hat keine Wahrnehmung und kein Schmerzempfinden. Das sollten Frauen wissen. Es stimmt, dass der Embryo schon ab der 6. Woche einen Herzschlag hat – und das wird so romantisch aufgeladen – aber im Grunde ist das Herz auch nur ein Muskel, der arbeitet. Abtreibungsgegner arbeiten gerne mit diesem Bild des schlagenden Herzens. Aber der Embryo hat zu diesem Zeitpunkt noch kein Gehirn und somit kann auch nicht von Wahrnehmung gesprochen werden. In England ist Abtreibung deshalb zum Beispiel bis zur 24. Woche erlaubt. … Aber es sind eh extrem seltene Fälle, in denen eine Schwangerschaft so spät abgebrochen wird.
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Fakt ist: Es gehört zur Gebärfähigkeit dazu, dass einmal etwas schief laufen kann und dass die betreffende Frau dann auch die Kontrolle darüber haben muss!

Und wie wurde gerade das Thema Abtreibung für dich so wichtig?
Ich habe vor etwa 12 Jahren gelesen, dass 78.000 Frauen auf der Welt jedes Jahr an einer selbst gemachten Abtreibung sterben. Das hat mich schockiert: Ich habe Gender Studies studiert und diese Zahl nie vorher gelesen. Das lag vielleicht daran, dass sich jüngere Feministinnen damals alle von ihrem Körper befreien wollen – wir sind alle queer und trans und wollen uns von der Biologie des Körpers befreien. Aber der schwangere oder gebärende Körper wird dadurch uncool, weil er ganz klar weiblich markiert ist. Das hat sich bis heute wieder geändert und mittlerweile ist das Recht auf Abtreibung eine zentrale Forderung. Aber zurück zu den 78.000: Die meisten Abtreibungen passieren in den Ländern, in denen das Thema gesetzlich sehr restriktiv gehandhabt wird. Die Länder, die am liberalsten mit Abtreibung umgehen, sind die Länder, in denen die wenigsten Abtreibungen stattfinden, weil die Menschen aufgeklärter sind und die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen höher angesehen ist. Mittlerweile ist die Zahl der Frauen, die an selbst durchgeführten Abtreibungen sterben, laut der Weltgesundheitsorganisation aber auf 48.000 gesunken. Das liegt zum Großteil an der Abtreibungspille – sie rettet tausenden von Frauen das Leben. Die Information, dass man die Abtreibungspille übers Internet bestellen kann oder sie bei Apothekern unter anderem Namen bekommt, um selbst eine Abtreibung durchzuführen, hat viele Frauen wieder ermächtigt, selbstbestimmt mit ihrem Körper umzugehen. Es gibt den Frauen Macht zurück.
Wie sieht die Lage in Deutschland aus?
Viele Menschen denken, in Deutschland sei alles super. Aber das stimmt nicht. Hier ist gar nichts super. Das fängt damit an, dass die Auseinandersetzung mit Schwangerschaftsabbruch kein normaler Bestandteil der Ausbildung von Gynäkologen ist. Somit wird Gynäkologen auch vermittelt, das Thema sei kein normaler Bestandteil der Frauengesundheit. Und ich finde auch die Zwangsberatung, die eine schwangere Frau vor einer Abtreibung machen muss, problematisch, weil sie suggeriert, die Schwangere hätte sich keine Gedanken gemacht und sie müsse sich rechtfertigen. Wenn eine Frau zu dieser Beratung kommt, dann hat sie doch schon die Entscheidung getroffen, dass sie abtreiben will. Ich würde es super finden, wenn den betreffenden Frauen angeboten würde, eine Beratung zu bekommen, wenn sie wollen – aber sie darf kein Zwang sein. Die Aufklärung muss woanders stattfinden, zum Beispiel in Schulen. Aber die meisten Leute, die in Schulen eingeladen werden, um über das Thema zu reden, sind Abtreibungsgegner.
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Fehlt es den Frauen an Role Models, die beweisen, dass Familie auch jenseits der Kleinfamilie funktioniert? Hört Emanzipation bei Frauen auf, wenn sie Kinder bekommen? Das ganze Interview lest ihr bei femtastics.

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