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#FragR29: Wann ist der richtige Zeitpunkt, seine*n Partner*in der Familie vorzustellen?

Foto: Renell Medrano.
Ich habe eine große, laute Familie. Wir alle, also mein Opa, seine sieben Geschwister, alle Kinder, Enkel*innen und Urenkel*innen finden sich jährlich im Oktober zu einem großen Treffen zusammen. Wir spielen Karten, beschimpfen uns gegenseitig und bereiten ein wirklich widerliches Essen namens Goop zu: Einen Hot Dog, der mit einer Mischung aus Senf, Mayonnaise, Ketchup und Cheddar garniert wird. Ich glaube, diese Wochenenden sind für alle Beteiligten zu gleichen Teilen ein tolles Erlebnis und eine einzige Überforderung. Aber am Ende ist es eben Familie und man kennt sich ja. Dieses Jahr könnte sich der Kreis erweitern: Ich denke darüber nach, meine Freundin mitzubringen.
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Ich lebe weit von meinen Eltern entfernt und besuche sie maximal alle paar Monate. Deswegen hat meine Familie meine Freundin bislang noch nicht kennengelernt. Meine Mutter brennt regelrecht darauf endlich zu erfahren, wie die Frau, mit der ihre Tochter zusammen ist, wohl sein mag. Dieses Jahr werde ich außerhalb des großen Familientreffens nur über die Weihnachtsfeiertage in die Heimat fahren, deswegen scheint es eine gute Idee zu sein, meine Freundin vorher im Oktober einfach mal mitzunehmen. Doch allein die Vorstellung, dass sie meine laute, konservative Sippschaft komplett auf einen Schlag treffen muss, ist für mich schon ein absoluter Albtraum. Ich will zwar, dass meine Freundin und meine Familie sich kennenlernen, aber irgendwie stimmt das Timing nicht.
Mit diesem Zweifel stehe ich nicht alleine da. Hochzeiten, Beerdigungen, Familienfeste, Abschlussbälle und andere Veranstaltungen, bei denen die ganze Verwandtschaft aufeinandertrifft, sind für viele Leute nicht die richtige Gelegenheit, um ihre*n neue*n Partner*in vorzustellen. Aber gibt es tatsächlich so etwas wie einen schlechten Zeitpunkt für eine Zusammenführung? Oder sollte man dieses meist unangenehme Treffen einfach nur schnell hinter sich bringen, egal wie die Umstände sein mögen?
Laut Paartherapeutin Jean Fitzpatrick ist genau das eine schlechte Idee. Du solltest deine*n Partner*in deinen Eltern nicht einfach nur deswegen vorstellen, damit die Sache vom Tisch ist. „Was ein guter oder schlechter Zeitpunkt ist, hängt vom Charakter deines Freundes oder deiner Freundin ab.“ Soll heißen: Hier entscheiden Einzelheiten.
Nochmal zurück zu meinem Familientreffen. Hier wird Bratenfett als Geheimzutat zu allem gereicht, Gemüse selbstverständlich eingeschlossen. Meine Freundin ist zwar keine Veganerin, aber wäre sie eine, es würde sehr wahrscheinlich nicht ein einziges Gericht geben, das sie essen könnte. Als ich Fitzpatrick davon erzähle, sagt sie, in diesem Fall wäre es offensichtlich keine gute Idee, meine Freundin zu dieser Zusammenkunft mitzunehmen. Neben der Tatsache, dass sie hungrig bleiben würde, würde sie sich sehr wahrscheinlich blöde Fragen von etwa 20 meiner Onkel anhören müssen. Ein Großteil von ihnen ist Viehbauer und sie verdienen ihr Geld damit, das Fleisch ihrer Tiere zu verkaufen. Nach dem fünften Bier würden die Fragen dann ungefähr in die Richtung „Was stimmt eigentlich nicht mit dir?“ gehen.
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Wie bei so vielen Dingen hängt das richtige Timing von dir und deinem Freund oder deiner Freundin ab.

Es gibt keine allgemeingültige Regel, welche Gelegenheit die falsche ist, um seine Familie und seine*n Partner*in an einen Tisch zu bringen, aber dass falsche Gelegenheiten dafür existieren, darüber sind wir uns wohl spätestens nach meinem Beispiel alle einig. Wie bei so vielen Dingen in (Liebes-)Beziehungen hängt das richtige Timing von dir und deinem Freund oder deiner Freundin ab. Und in diesem speziellen Fall noch von deinen Eltern. Fitzpatrick sagt: „Wenn du aus einer Familie von Supersportlern kommst und dein*e Partner*in es lieber gemütlich mag, ist der alljährliche Familienmarathonlauf eine schlechte Gelegenheit für ein erstes Treffen. Außer dein*e Freund*in hat total viel Lust darauf, alle von der Bande aus anzufeuern und an der Ziellinie mit Wasser bereitzustehen.“
Einem introvertierten Menschen stellt man am besten nicht die ganze Familie auf einen Streich vor. Kommst du aus einer religiösen Familie und hast dich in eine*n Atheist*in verliebt, solltet ihr euch nicht das erste Mal an einem Feiertag zusammenfinden. Wenn du in der Vergangenheit nur richtig feste Partner*innen mit nach Hause gebracht hast, solltest du jetzt niemanden vorstellen, den oder die du erst seit kurzem datest. „Solche Sachen können für alle Beteiligten unangenehm werden“, so Fitzgerald. Oder anders ausgedrückt: Denk vorher einfach ein bisschen darüber nach, wie das erste Treffen verlaufen könnte und versuche, es deinem Partner oder deiner Partnerin so angenehm wie möglich zu machen.
Wenn eine seltsame Situation aber unvermeidlich ist, weil du beispielsweise zu einer Trauerfeier musst und dein*e Partner*in als emotionale Stütze mitkommen möchte oder der Flug der oder des anderen gecancelt worden ist und ihr unerwarteterweise im Haus deiner Eltern schlafen müsst (ja, genau das ist mir einmal passiert), dann solltest du – als die eine Person, die alle Beteiligten kennt – das Drumherum so gestalten, dass sich alle einigermaßen wohlfühlen können. Fitzgerald hat hier einen Tipp: „Es ist gut möglich, dass dein*e Partner*in sich erstmal nicht so richtig sicher fühlt oder die Situation sie oder ihn überfordert. Hier helfen traditionelle Höflichkeitsformen, um den Einstieg für alle zu erleichtern.“ Sollte eine Trauerfeier anstehen, könnt ihr ein Gericht zum Leichenschmaus beisteuern, das dein*e Partner*in überreichen sollte. Ist das Treffen spontan, sollten du und dein*e Freund*in den Tisch fürs gemeinsame Abendessen decken und beim Abwasch helfen. Diese kleinen Gesten machen einen Riesenunterschied.
Wenn du dich jedoch nicht in solchen Ausnahmesituationen wiederfindest, solltest du ein Treffen so timen, dass sowohl deine Eltern als auch deine Freundin oder dein Freund möglichst gut drauf sind. Die Familie der oder des anderen zu treffen wird wohl niemals die Lieblingsbeschäftigung von irgendjemandem werden, aber mit ein bisschen Planung kann das Ganze in der Regel einigermaßen glatt über die Bühne gehen. Tu also beiden Parteien den Gefallen und wähle fürs erste Treffen ein Setting aus, an dem sich alle wohlfühlen. Ein Restaurant beispielsweise ist nicht nur für alle ein neutraler Ort, auch die Dauer des Treffens ist zeitlich begrenzt und niemand kann die Gastfreundschaft des anderen überstrapazieren.
Schlussendlich solltest du dich bei aller Vorbereitung, Rücksichtnahme und Mitdenken jedoch nicht verrückt machen: Es gibt einen guten Grund, wieso du dich für deine*n Partner*in entschieden hast, und deine Eltern werden sich bestimmt freuen, wenn sie sehen, wie gut ihr beiden euch versteht. Und auch wenn es keine zweite Chance für den ersten Eindruck gibt, es werden sehr wahrscheinlich noch genug Familienfeiern auf euch zukommen, die ihr sicherlich gemeinsam meistern werdet.

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