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Wie es sich anfühlt, als Frau immer nur der Kumpeltyp zu sein

Foto: Natalia Martini.
Ich bin 30. In Worten: Dreißig. Das bedeutet nach Adam Riese, dass es schon ganze dreißig Mal die Chance gegeben hätte, mir Blumen zum Geburtstag zu schenken. Zählt man dann noch die jährlich wiederkehrenden Termine, wie den Valentinstag, Weihnachten oder Ostern hinzu, kämen wir auf eine stattliche Anzahl von 120 (In Worten: Hundertzwanzig) verpassten Chancen, mir Blumen zu schenken. Von einzelnen Tagen, an denen man mir hätte eine Freude machen können, ganz zu schweigen. Ich bin also in meinem bisherigen Leben absolut blumenlos geblieben. Ich habe 0% Blumen erhalten, könnte man sagen. Ebenso bin ich unverheiratet. Nicht verlobt. Und natürlich zu 100% kinderlos. Ich bin ein echter Kumpeltyp und werde vermutlich eines Tages auch als solcher sterben. Mein Partner wird sich dann auf dem Sterbebett zu mir herunterbeugen, während ich langsam meine Augen für immer schließe und mir statt eines Kusses zum Abschied nochmal buddymäßig die Ghettofaust geben. Das beschreibt mein Leben eigentlich ganz gut.
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Mein Partner wird sich dann auf dem Sterbebett zu mir herunterbeugen, während ich langsam meine Augen für immer schließe und mir statt eines Kusses zum Abschied nochmal buddymäßig die Ghettofaust geben.

Ada Blitzkrieg
Natürlich gibt es dennoch keine gänzliche Abwesenheit von Blumensträußen in meinem Geltungsbereich. Hin und wieder begegnet mir mal zufällig einer. Ich werde zum Beispiel relativ häufig gefragt, ob ich mitkommen möchte, um jemanden beim Blumenkauf zu beraten. Klar, der Strauß ist dann meistens für die Freundin oder Mutter eines Freundes und nicht für mich, aber immerhin legt man offenbar großen Wert auf mein Urteilsvermögen. Ich hatte also bereits diverse Sträuße in der Hand und kenne somit gut das Gefühl ein Stück amputierter Natur zu umfassen. Es fühlt sich gut an und bunt finde ich sowieso schön.
Meine Karriere als Kumpeltyp startete ich mit 13, als ich durch Diebstahl in den Besitz von Freestyle Skates kam und die städtische Halfpipe für mich entdecke. Zu diesem Zweck musste ich mich, wenn ich denn die Skatebahn während des regen Tagesandrangs als Neuling auch mal nutzen wollte, gegen einen ganzen Haufen pubertierender Jungs durchsetzen. Die waren nicht nur ungeheuer laut, ordinär und unbarmherzig, sondern erwarteten auch, dass jemand der sich erdreistet, wertvolle Skatezeit für sich beanspruchen zu wollen, selbstbewusst und ein bisschen verrohrt einfordern können sollte, was mir nie wirklich schwer fiel. Nach ein paar Wochen thronte ich wie ein Adler in seinem Horst auf durchgeschwitzten Hoodies und Erdbeer-Dreh-und-Trinks oben auf dem Plateau der Rampe und musterte die Neuankömmlinge, die fortan bei mir nach Fahrzeit fragen mussten. Soweit so gut.
Das führte allerdings in letzter Konsequenz auch dazu, dass ich nicht nur an Ansehen gewann, sondern auch, als eine Art Tauschgeschäft, meine weibliche Softness einbüßte. Ich war zu diesem Zeitpunkt eher gefürchtet, als ein Objekt, das in einem dem Drang auslöst, es behüten zu wollte. Es war eher so, dass ich meinen Mitmenschen das Gefühl gab, dass man andere vor mir beschützen muss. Kurz gesagt: So jemandem schenkt man einfach keine Blumen. So jemanden fragt man auch nicht, ob man zusammen sein will. Ich musste mir immer aussuchen, wen ich als Partner oder Freund haben wollte, und dann nahm ihn mir einfach. So war der Deal.
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Foto: Natalia Martini.
Die Leuten glaubten schnell, ich sei irgendwie etwas Besonderes, weil ich nicht in geschlechtsspezifische Stereotype passte. Wer mir eine Freude bereiten wollte, musste mir etwas Individuelles zu Schenken auswählen, was man selber mochte, dazu zählten Blumen in den wenigsten Fällen. Wir sprechen hier über Geschenke, die wirklich von Herzen kamen: Ich bekam aussortierte Kugellager, eine Schlagbohrmaschine, eine Tonne Paprikachips, Weed, Bücher, Mixtapes, personalisierte Raptexte und allerlei Dinge, die liebevoll für mich ausgewählt wurden. Aber Blumen, die zwar in der Regel nicht direkt vom Herzen stammen, sondern aus stinknormalen Blumenläden, bekam ich nie und daran hat sich bis heute nichts geändert.
Wenn man dann plötzlich Dreißig wird, sieht man einige Dinge anders. Nun hätte ich plötzlich gerne Blumen und weiß gar nicht so recht warum. Das Bedürfnis, bei anderen Frauen mitspielen zu wollen, ist größer als meine Skepsis. Man wird mit der Zeit immer einsamer. Freundinnen verlieren durch den Alltag als Frau oder Mutter gemeinsame Themen mit mir. Meine männlichen Freunde gehen nicht mehr aus, weil sie jetzt eine Familie haben. Die Angst, nicht dazuzugehören, wächst in mir von Tag zu Tag. So bin ich wohl fälschlicherweise zu der Annahme gekommen, dass ich mir aufrichtig wünsche, dass man mich als Frau wahrnimmt. Ausgelöst durch blanken Neid, denn in den letzten Jahren und Monaten ist einiges passiert. 30 ist so eine magische Zahl. Alle ehemaligen Freundinnen heiraten derzeit, sind es schon längst oder haben inzwischen Kinder. Teilweise sogar mehrere. Sie sind Familien. Sie übernehmen Verantwortung. Ich hingegeben bin kinderlos und weiß manchmal gar nicht so recht warum. Meine Zukunft ist unbestimmt und theoretisch ist noch alles offen, denn ich bin niemandem etwas schuldig und trage die oben angesprochene Verantwortung schlichtweg nicht. Es ist nicht so, dass ich das entschieden hätte, sondern dass Leben steckte mich nach und nach in diese Position, von der ich je nach Lebensphase nicht weiß, ob es das Beste oder Schlechteste ist, was mir jemals passieren konnte. Aber so ist es nunmal.
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Mit 20 ist es einem noch relativ Wurst, wenn man nicht als Frau gesehen wird, denn man fühlt sich selber als Person. Mit den ersten Jobs wächst das Selbstbewusstsein. Mit dem Auszug von Zuhause fühlt man sich eigenständig und gewaltig gut. Mir war meine Charakterbildung immer wichtig. Eine Meinung vertreten. Einen interessanten Job machen. Ihn gut machen. Mir war Humor wichtig. Rausch auch. Ich war 28 als ich das erste Mal ein Baby anfasste, nur um festzustellen, dass es nichts Besonderes für mich ist. Nur ein Mensch in klein mit Haut und Temperatur. Ich wusste vorher nicht, wie sich das anfühlt. Ebenso hatte ich nie die Idee, dass ich selber eines machen könnte. Höchstens als Unfall und es wäre schrecklich. Ich sah mich einfach weniger als Mensch in einer weiblichen Rolle. Dazu zählten eben auch die harten Fakten wie Schminken, Babys oder Blumen. Meine Themen waren Politik, Gesellschaft und Comedy. Ich glaubte nicht daran, dass ich Blumen irgendwo hinstellen und daran mehr als zwanzig Sekunden Freude haben könnte.

Ich sah mich einfach weniger als Mensch in einer weiblichen Rolle. Dazu zählten eben auch die harten Fakten wie Schminken, Babys oder Blumen. Meine Themen waren Politik, Gesellschaft und Comedy. Ich glaubte nicht daran, dass ich Blumen irgendwo hinstellen und daran mehr als zwanzig Sekunden Freude haben könnte.

Ada Blitzkrieg
Das hat sich schlagartig geändert, weil ich plötzlich auf diejenigen Frauen neidisch wurde, die eine klare Rolle haben. Auf Frauen, die, wenn sie heiraten möchten, warten, bis sie einen Antrag kriegen und ihn dann mit Freudentränen annehmen. Ich wurde auch neidisch auf Blumensträuße nach Entbindungen. Als ich das letztes Mal im Krankenhaus lag, nachdem ich mich wegen schlimmen Bauchschmerzen in die Notaufnahme geschleppt hatte, erfuhr ich dort von einem Internisten, dass meine Krämpfe nur „verklemmte Winde” wären. Abgeholt wurde ich danach auch nicht mit ein paar Entlassungsblümchen, sondern mit einem Bum Bum Eis und dem Kommentar, mein Freund müsse aber gleich wirklich weiterarbeiten.
Mit den Heiratsanträgen verhält es sich bisher so: Es ist nicht so, dass niemand an mir interessiert wäre, aber in meiner Anwesenheit werden die meisten Menschen schüchtern. Ich bin ein Typ, dem man gerne Entscheidungen überlässt und ich muss jetzt wieder lernen, das als Kompliment aufzufassen, wie ich es auch als 13-jährige tat, und nicht als Abwertung meiner Weiblichkeit. Ich habe mir meine Augenhöhe erarbeitet und möchte wieder stolz darauf sein. Meine Entscheidungsfähigkeit und Entschlossenheit machen mich zu jemanden, der die Richtung angibt und den man nicht lenken muss. Und vielleicht muss ich einfach damit leben, dass ich mir meine Scheißblumen einfach selber kaufe, wenn ich sie denn überhaupt haben will, was eigentlich nicht der Fall ist. Und wenn ich jemanden heiraten will, dann frage ich ihn einfach selbst und er wird Ja sagen. Statt Blumen kaufe ich ohnehin lieber Gemüse. Kein Strauß könnte jemals so schön sein wie ein lila Blumenkohl oder ein verwachsener Romanesco.

Und vielleicht muss ich einfach damit leben, dass ich mir meine Scheißblumen einfach selber kaufe, wenn ich sie denn überhaupt haben will, was eigentlich nicht der Fall ist. Und wenn ich jemanden heiraten will, dann frage ich ihn einfach selbst und er wird Ja sagen.

Ada Blitzkrieg

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