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Style Out There
Trauma & Triumph des viktorianischen Kleides in Namibia

Die Herero-Frauen in Namibia tragen viktorianische Kleider mit langen Ärmeln und Petticoats. Die Geschichte des Herero-Kleids ist dunkel und komplex.

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Jedes Kleid erzählt eine Geschichte. Im Falle des namibischen Herero-Kleides ist es eine dunkle und 100-jährige Geschichte, die von Genozid, Unterdrückung, Widerstand und der Hoffnung auf Wiedergutmachung in Form von Anerkennung erzählt.
Im frühen 20. Jahrhundert wurden 80 Prozent der 80.000 Herero von deutschen Siedlern umgebracht. Die Überlebenden wurden gefoltert und in Konzentrationslager gesteckt. Der grausame Völkermord in Namibia geschah in Folge eines Aufstandes des Hirtenvolkes gegen die deutsche Kolonialmacht, die sich immer weiter ausbreitete und das namibische Volk diskriminierte.
Ein überraschendes Überbleibsel dieser dunklen Zeit: die Mode der sogenannten „Kolonie Deutsch-Südwestafrika“. Noch heute tragen die Herero-Frauen in Namibia viktorianische Kleider, die ihre einstigen Unterdrücker ihnen aufgezwungen haben. Wieso aber haben die Überlebenden den Trend beibehalten, der mit jeder Naht an die Schreckenstaten der Kolonialherren erinnert?
Nach dem Krieg haben die Herero Aspekte ihrer Kultur in die konservativen Designs eingearbeitet. Dazu gehören der auffällige Batikdruck, die mit Fransen besetzten Umhänge und ein an Rinderhörner erinnernder Hut, der auf das Hirtendasein der Herero anspielt. Die Ohorokova – so nennen sie die bodenlangen, ausgestellten Kleider mit den pompösen Petticoats – sind mehr als nur Kleidungsstücke. Die Umgestaltung dieses traditionellen Kleides ist ein friedvoller Weg, das zurückzugewinnen, was man ihnen damals so brutal genommen hat: Selbstbestimmung, Identität und Kultur. Und so haben die Herero-Frauen das viktorianische Kleid von einem Symbol der Unterdrückung in ein Symbol des Triumphs verwandelt.
Heute wird das Kleid hauptsächlich für besondere Anlässe wie Hochzeiten, Beerdigungen und Feiertage angefertigt und dann auch nur einmal getragen, weshalb Herero-Zusammenkünfte oft eher an eine Modenschau als eine Familienfeier erinnern. Und während sich die namibische Modeindustrie weiterentwickelt, sorgt das traditionelle Herero-Kleid noch immer für brisanten Gesprächsstoff. Muss sich die historische Kluft noch einmal anpassen, um im Frühling der modischen Revolution blühen zu können? Die Meinungen dazu gehen stark auseinander. Puristen sind gegen jegliche Modernisierung. Junge Designer, Models und Aktivisten wollen die Tradition neu deuten und greifen dabei zu unkonventionellen Mitteln. Auf einer namibischen Modenschau sieht man jetzt also Herero-Kleider mit durchsichtigen Röcken, abgetrennten Ärmeln und noch gewagteren Designs.
Kann die Veränderung eines Saumes auf das Verlangen nach Entschädigung, Sanierung und vielleicht sogar Wiedergutmachung aufmerksam machen? In Namibia haben wir gelernt, was es heißt, ein Kleid aus dunklen Zeiten in eine vielversprechende Zukunft hinüber zu tragen. Schaut selbst, in der dritten Folge von Style Out There.
Deshalb tragen namibische Frauen viktorianische KleiderVeröffentlicht am 19. Februar 2018
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