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Wie es ist, als junge Muslima alleine auf Weltreise zu gehen

Refinery29 feiert Frauen, die den Mut haben, ihren Alltag hinter sich zu lassen und die Welt auf eigene Faust zu entdecken. Aber alleine zu reisen kann auch immer Schwierigkeiten mit sich bringen – noch etwas komplizierter kann es sein, wenn du Muslima bist. Anissa Syifa Adriana, eine 26-jährige Youtuberin, ist eine von diesen unruhigen Seelen, die uns mit ihrem Drang, neue Länder trotz der drohenden Vorurteile und Strapazen zu entdecken, inspiriert. Es folgt ein Bericht von Syifa – in ihren eigenen Worten – darüber, wie ihre Identität als muslimische Frau ihre Reiseerfahrungen beeinflusst hat.
Ich bin in Indonesien aufgewachsen, dem Land mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerung. Für uns ist Backpacking immer ein sehr fremdes Konzept gewesen. Urlaub wird wegen unserer schwachen Währung als ein absoluter Luxus angesehen. Meine Eltern waren noch nie im Ausland und wir sind nicht mal innerhalb des Landes gereist.
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Ich arbeitete für die Regierung, als mir eine meiner Kolleginnen eines Tages von Couchsurfing erzählte. Plötzlich eröffnete sich mir diese völlig neue Community – und die Idee, dass man Fremde bei sich zu Hause übernachten lässt und ihnen die eigene Stadt zeigt und so neue Freundschaften schließt. Auf die Idee, mehr zu reisen, kam ich erst, als ich mich mit ein paar Couchsurfer*innen hier in Jakarta traf.
Im August 2016 hatte ich rund 1.000 Dollar zusammen und meinen Job gekündigt. Also zog ich los und reiste sechs Monate lang durch Südostasien – inklusive eines 900 km langen Motorradtrips durch den Süden Vietnams –, bevor ich mich Anfang 2017 als Englischlehrerin im Nordwesten Chinas niederließ.
In vielerlei Hinsicht war ich naiv, bevor ich Indonesien verließ. Als muslimische Frau war ich Teil der Mehrheit: Ich trug mein Kopftuch täglich und betete fünf Mal am Tag. Ich tat das aus eigener Überzeugung, aber ich kannte es auch nicht anders. Erst als ich mein Land verlassen hatte, merkte ich, dass das nicht überall auf der Welt die Norm war.
Gegen Ende meines Aufenthalts in Thailand dankte ich meinem männlichen Host und fragte ihn, ob ich ihn umarmen dürfte. Er zögerte und fragte mich: „Bist du sicher, dass du mich umarmen darfst?“ Solche kleinen Gesten passierten oft auf meinen Trips: Leute taten sich erstaunlich schwer damit, mir in die Augen zu sehen, wenn ich meinen Hijab trug. Oft musste ich Gespräche initiieren, damit die Leute wussten, dass sie überhaupt mit mir reden konnten.
Einer meiner Couchsurfing-Hosts auf den Philippinen hatte mich in letzter Minute zu einem seiner Freunde ausgelagert, weil dieser eine muslimische Verlobte hatte. Er hatte nie zuvor eine muslimische Person bei sich wohnen lassen, also wusste er nicht, was er machen sollte. Er sagte mir nur: „Dein Hijab ist wirklich ein Statement für mich – ich weiß nicht, wie ich mit dir umgehen soll und ich weiß nicht, ob es okay ist, wenn du bei mir übernachtest.“ Er wollte respektvoll sein, weil er ein Mann ist und ich eine muslimische Frau. Aber diese Aktion ist mir wirklich ins Gedächtnis gebrannt.
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Vor allem bei Reisenden aus dem Westen passierte mir so etwas immer wieder, vielleicht weil sie weniger oft mit Muslim*innen in Kontakt kommen oder selten direkt mit ihnen kommunizieren?
Eine andere Sache, die mir nach all dem Reisen klar wurde, war, wie viel länger ich bei der Einreise beim Screening brauche, wenn ich Hijab trage. Mit einem regulären Touristenvisum werde ich mindestens fünf Minuten lang befragt, während die Menschen vor mir in der Schlange nie so lange befragt werden. Außerdem reagieren Beamte jedes Mal sehr skeptisch, wenn sie sehen, dass ich drei Vornamen, aber keinen Nachnamen habe*.
Noch dazu kommt die Kritik aus den eigenen Reihen: Wie oft ich von anderen Muslimen schon verurteilt wurde, weil ich so lebe, wie ich lebe, kann ich an zwei Händen kaum abzählen. Den Kommentar, dass ich „nicht muslimisch genug“ lebe, weil ich Make-up trage und alleine reise, lese ich eigentlich unter jedem meiner Youtube-Videos. Eins meiner letzten Videos wurde in einem Auto gefilmt und man sieht, wie ich die Schulter meines männlichen Fahrers anfasse. Jemand kommentierte: „Du bist Muslima, du sollest nicht die Schulter von jemandem anfassen.“ Und dann belehrte man mich, dass ich mehr über den Islam lernen solle. Ich habe mir allerdings angewöhnt, nicht mehr auf Hasskommentare zu reagieren. Ich stehe dazu, wie ich meinen eigenen Glauben auslebe. Außerdem gibt es wirklich Wichtigeres, als wann ich wo wessen Schulter anfasse.
Ich habe in letzter Zeit häufiger über meine Beziehung zum Hijab nachgedacht. Es ist nur ein Stück Stoff, der nichts an der Person ändert, die ich bin. Wenn ich ihn aber trage, ändert sich viel in meiner unmittelbaren Umwelt und mir wird immer sehr bewusst, dass ich ihn trage. Ohne Kopftuch kann ich einfach irgendeine allein reisende Frau sein.
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Es war schön, auch mal Abstand zum Hijab zu gewinnen, denn in der Öffentlichkeit wird meine Identität oft unwiderruflich damit verbunden. Gleichzeitig fühle ich mich aber dazu verpflichtet, die Stereotypisierung von Muslim*innen zu durchbrechen, eben dadurch dass ich meine Kopfbedeckung auch auf Reisen trage. Dieses Hin und Her ist meine innere Findungsreise, auf der ich gerade bin.
Wenn Leute meinen Hijab sehen, assoziieren sie mich direkt mit meiner Religion und das kann ehrlicherweise eine Bürde sein. Die Medien stellen Menschen, die wie ich aussehen, auf eine völlig missverständliche und verzogene Art dar, sodass ich oft über Klischees wahrgenommen werden.
Abgesehen von der Assoziation mit Terrorismus und Sprengstoffattentätern gibt es gegenüber Frauen, die sich bedecken, immer noch ganz andere, sehr hartnäckige Vorurteile: Wir seien unmündig oder dürften etwa das Land nicht allein verlassen. Ich werde oft über die Rechte der Frauen in Indonesien ausgefragt und einige Leute sind überrascht, dass wir tatsächlich arbeiten und Auto fahren dürfen.
Solo zu reisen ist für mich ein Teil dessen, was den Begriff "Female Empowerment" ausmacht, denn ich möchte Menschen zeigen, dass nicht alle muslimischen Frauen so sind, wie sie denken. Ich bin stolz auf meine Kultur und ich bin stolz, die erste muslimische Freundin vieler dieser Menschen zu sein, die ich auf meinen Reisen treffe.
*Anmerkung der Redaktion: Typischerweise tragen Indonesier ihre Familiennamen nicht.

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