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„Ich muss Erfolg haben, damit ich meinen Eltern zurückgeben kann, was sie geopfert haben“, sagt Leyla Piedayesh. Ihr Label „Lala Berlin“ gehört zwar zu den begehrtesten Modemarken des Landes, doch egal wie stark der Erfolg, wie laut der Applaus und wie groß die Anerkennung ist – es reicht nicht. Leyla ist eine Getriebene. Sie ist eine Getriebene, weil ihre Eltern Geflüchtete sind.
Leyla ist in Teheran aufgewachsen. Sie erinnert sich an den Maulbeerbaum, an die Villa ihrer Familie und dass ihre Mutter eine klassische Hausfrau im Iran war. „Sie hatte ihren Nagellackclub und hing den ganzen Tag am Telefon. Jeden Abendgab es eine Party“, sagt sie. Sie leben im Wohlstand, doch der Vater ist politisch aktiv – und eines Tages fährt Mutter Piedayesh mit ihren Kindern zu ihrer Schwester nach Wiesbaden. Leyla ist neun Jahre alt und nicht zum ersten Mal in Deutschland. Sie spricht sogar Deutsch, wenn auch holprig. 1979 verbringt die Familie – wie schon oft – ihren Sommer in Hessen. Mit dem Unterschied, dass sie diesmal nicht zurückreisen.
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„Deutschland war aufregend. Da vermisst du die Straßen von Teheran nicht.“, sagt Leyla. Während ihre Mutter sich an die neue, finanziell schwierige Situation gewöhnt, kommt Leyla aufs Gymnasium. Aus dem gebrochenen Deutsch wird ein Teenager Slang und aus dem Kind eine Revoluzzerin. Die Integration klappt bei Leyla scheinbar reibungslos. „Ich bin in einem Kokon immigriert“, erklärt sie. In einer Blase der Familie: Ihre Mutter war da, ihr Bruder – nur ihr Vater fehlt.
Der steht in seiner Heimat inzwischen auf der schwarzen Liste und muss fliehen. Ausgeraubt, auf einem Maulesel schafft er es über die Grenze bis in die Türkei. „Es ist nicht meine Geschichte, die mich geprägt hat, es ist seine Geschichte“, sagt sie leise. Leyla Piedayesh ist eine Frau, die selten über die Flucht ihrer Familie spricht. Doch wenn sie über diese, ihre und seine Geschichte, erzählt, werden ihre Gesichtszüge weich und die Stimme brüchig.
Ihr Vater hat es zwar nach Deutschland geschafft - in der neuen Heimat angekommen, ist er aber nie. „Die meiste Zeit saß er im Keller und hat Gedichte im „Diwan“ des Hafisgelesen, Tee getrunken und persische Musik gehört.“ Leyla nimmt seine Traurigkeit und sein Leiden hinter der verschlossenen Tür kaum wahr. So versperrt das Zimmer, so versperrt sein Herz. „Wir haben da nie drüber gesprochen.Ich war in der Pubertät. Mich hat das alles nicht so interessiert“, sagt sie. Doch das kommt jetzt. Jetzt versteht sie, wie sein Leiden sie geprägt hat. Sie weint.
Während sich der Vater im Inneren vergräbt, entdecktseine Tochter die Welt. Ihre Eltern wollten zwar vieles nicht, natürlich darf sie keinen Freund haben und nicht ausgehen. „Ich bin dann aus dem Fenster gestiegen“, sagt sie. Doch die Revoluzzerin trägt eine schwere Last. „Der Verzicht, den mein Vater erlitten hat, denmusste ich irgendwie wieder gut machen“, erklärt sie. Sie studiert fleißig und pflichtbewusst BWL, obwohl sie es „eher langweilig“ findet. Arbeitet bei MTV, damit „sie stolz auf mich sind“. Mit 30 Jahren kapiert sie, dass etwas falsch läuft. „Du kannst dich nicht von morgens bis abends aufopfern, damit es deinem Vater besser geht“, sagt sie. Sie zieht nach Berlin, strikt Pulsschoner, wird bekannt, Designerin, berühmt, Mutter, Erfolgsfrau, Vorbild.
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Und was ist mit ihrem Schuldgefühl? „Ich stecke wieder drin. Ich leiste von morgens bis abends“, sagt sie. Die Schuld ist nicht abgetragen, sie wiegt schwer auf ihren Schultern. Die Flüchtlingswelle geht Leyla nahe. „Jetzt, wo ich mitbekomme, was diese Menschen durchmachen, rüttelt das alles in mir auf.“ Sie redet mit ihrer Tochter Lou darüber. „Ich erkläre ihr, was die Menschen erlebt haben.“ Sie weiß es nur zu gut. Mit dem eigenen Vater hat sie aber nie darüber reden können – er ist zu früh verstorben.
Doch seine Geschichte lebt in ihr weiter. Die politische Weltlage triggert sie. Donald Trumps Einreiseverbot bewegt sie stark. „Laut dem iranischen Gesetz kann ich meinen Pass und auch meine Staatsbürgerschaft niemals ablegen“, erklärt die deutsch-iranische Designerin. Es sei ihr zwar egal, ob sie einen deutschen, iranischen oder sonstigen Pass habe, sagt sie, aber seit Donald Trumps Muslim-Ban hat ihr Pass eine größere Bedeutung bekommen. „Weil mein Pass mich als Mensch diskriminiert. Beispielsweise bzgl. des Einreiseverbotes in die USA– egal was du machst und wo du lebst oder geboren bist.“
Bei der Lala Berlin-Show auf der Kopenhagen Fashion Week im Februar 2017 setzt sie ein politisches Statement. Sie hält ein Schild hoch, auf dem steht: „I’m an Immigrant“. Sie sei eigentlich nicht politisch, sagt sie. Eigentlich Mitgefühl für Flüchtende, für ihr Leid, aber auch für ihre Probleme mit der Integration. „Dann werde ich politisch, weil ich Empathie habe.“
„Wir schaffen das“, sagt sie. Sie sagt bewusst: Wir!
„Weil wir dabei helfen müssen.“ Es kann klappen, sie hat es auch geschafft!
Für Leylas Engagement und wichtigen Beitrag zurVerarbeitungskultur Geflüchteter hat Refinery29 sie als “Woman Of The Season” ausgezeichnet und während eines gemeinsamen Abends gefeiert.
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