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Wie der Strohhalm-Bann Menschen mit Behinderung noch mehr einschränken wird

Illustration: Gabriela Alford
Wir benutzten zu viel Plastik, das ist nicht zu leugnen. Der Natur und Umwelt einen Gefallen zu tun, indem man weniger Plastiktüten, To-Go-Becher oder Wattestäbchen verwendet, ist definitiv löblich. Genauso wie der Fakt, dass viele Mega-Konzerne wie McDonalds oder Starbucks planen, die Bereitstellung von beispielsweise Einweg-Strohhalmen aus Plastik einzuschränken oder ganz abzuschaffen – schließlich werden die Filialen täglich weltweit von mehreren Millionen Menschen besucht. Steht in der Auslage keine dieser umweltverschmutzenden Trinkhilfen bereit, werden sie auch weniger genutzt, logisch.
Die Cafékette plant beispielsweise neue Becher für ihre Kaltgetränke zu verwenden, die ohne Halm auskommen und der Burger-Riese arbeitet gerade an einer Alternative aus Papier, die jedoch nicht nach wenigen Minuten in der Flüssigkeit droht, sich aufzulösen.
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Doch was ist mit Menschen mit Behinderung?

Wen man dabei jedoch nicht übergehen darf sind diejenigen, die auf genau diese Hilfsmittel angewiesen sind: Menschen mit körperlicher Behinderungen oder körperlich einschränkenden Krankheiten. Eine, die sich seit der Plastik-Debatte dafür einsetzt, die speziellen Bedürfnisse und Einschränkungen nicht außer Acht zu lassen ist Kim Sauder. Die Kanadierin ist selbst von zerebraler Lähmung und Autismus betroffen und studiert Disability Studies. Auf Twitter meldete sie sich lautstark unter dem Hashtag #NoStrawBan zu Wort. Sie ist, wie viele andere Menschen mit Behinderung verärgert darüber, dass ihr über die Mainstream-Medien kaum Beachtung geschenkt wird. „Die Integrität des Journalismus stirbt bei der Berichterstattung über Menschen mit Behinderung.“ Wo sie Recht hat, hat sie Recht. Auch in den deutschen Medien las man hauptsächlich Headlines, die die Konzerne für ihre umweltbewussten Versprechen lobten – von Menschen mit Behinderung kein Wort.

Manche Menschen mit Behinderung können nicht auf Strohhalme verzichten

Diese Tabelle zeigt, dass viele Alternativen zu regulären Plastikstrohhalmen für Menschen mit Behinderung nicht geeignet sind. Dabei benötigen viele von ihnen ein sicheres, keimfreies und ihnen bekanntes Hilfsmittel, mit dem sie trinken, essen und beispielsweise Medikamente einnehmen können.
Als ich zufällig auf dieses Thema gestoßen bin, musste ich selbst mit mir hart ins Gericht gehen. Zugegebenermaßen kam auch mir der Gedanke nicht von selbst, dass die Verwendung eines Plastikstrohhalms für mich als gesunder Mensch leicht zu umgehen ist, jedoch für jemanden, dessen Mobilität durch Prothesen, Knochenschwund, neurologische oder andere Erkrankungen in irgendeiner Form eingeschränkt ist, ein solches Hilfsmittel unverzichtbar ist. Auch andere Produkte, wie geschnittenes, in Plastik verpacktes Obst, über dessen umweltschädigende Verpackung man als gesunder Mensch meist nur den Kopf schüttelt, sind für Menschen mit Behinderung eine große Hilfe. Was man beim Gang durch den Supermarkt vielleicht vergisst, ist, dass nicht jedes Produkt für einen selbst bestimmt ist. Ich kann meine Ananas auch selbst schneiden und bin einfach nur faul, im Stress oder verhalte mich umweltschädigend, wenn ich diese bereits in feine Scheiben geschnitten und abgepackt kaufe. Samantha Chavarria und weitere Millionen Menschen auf der Welt sind nicht in der Lage, dies zu tun. Chavarria schreibt für die Plattform HelloGiggles und leidet selbst unter Fibromyalgie. Ihr Artikel, in dem sie Bezug nimmt auf ihren eigenen Weg mit der Autoimmunerkrankung, hat mir definitiv die Augen geöffnet. „Es gibt Tage, an denen ich wegen meiner Erkrankung nicht dazu in der Lage bin, ein Glas zu heben. Bei der Bekanntgabe des Strohhalm-Banns habe ich mich genauso übergangen und traurig gefühlt wie der Rest der Community.“
Ich werde versuchen, mich in gewissen Lebenslagen häufiger in die Situation eines Menschen mit Behinderung hineinzuversetzen. Im spezifischen Fall der Strohhalm-Debatte steht die Zugänglichkeit gewisser Produkte für Menschen mit Behinderung an erster, der Umweltschutz rückt an die zweite Stelle und das ist völlig richtig so. Vorsitzende von Starbucks gaben übrigens vor Kurzem bekannt, einen ihrer 27.000 Stores mit Personal auszustatten, das fließend Gebärdensprache spricht. Das ist sicher ein Anfang, aber definitiv noch nicht genug – Menschen mit Behinderung leben nämlich nicht nur in den USA.

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