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Hilft Tanztherapie wirklich gegen Angststörungen & Depressionen?

Foto: Brooke Cagle
Als Redakteurin bekomme ich regelmäßig E-Mails über sehr seltsame, aber auch ganz wunderbare Dinge, die behaupten, psychische Probleme zu „heilen“. Von spezifischen Diäten bis hin zu Nahrungsergänzungsmitteln, von Apps bis hin zu homöopathischen Behandlungen – die Liste ist endlos.
Als Person, die mit psychischen Problemen kämpft, weiß ich, dass es nicht möglich ist, irgendetwas zu „heilen“. Was du tun kannst, ist, zu lernen, wie du damit umgehst und in dieser Zeit hoffentlich mehr über dich selbst erfahren. Leider gibt es keine magische App, die mir beibringen wird, wie man das macht, ganz egal wie viele E-Mails ich dazu erzhalte.
Man kann also mit Sicherheit sagen, dass ich ein wenig skeptisch bin, wenn es um außergewöhnlich anmutende Behandlungsmethoden geht.
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Eine Sache, die ich bisher völlig falsch verstanden habe: Bewegungs- und Tanzpsychotherapie.
Die Tanztherapie ist erst einmal zulässig und hat sich als wirksames Mittel zur Behandlung von Demenz, Depression, Schizophrenie und Angst erwiesen. Es hat Kindern geholfen, die missbraucht wurden, und Menschen, die an Psychosen und Süchten leiden. Die Studien dazu sind zahlreich und vielfältig. Es wird vom National Institute for Health and Care Excellence empfohlen.
Von dem, was ich darüber las, klang die Therapiemethode ziemlich cool. Also beschloss ich, sie mir selbst anzusehen.
Ich treffe Kimberley Pena, eine Psychotherapeutin für Bewegungs- und Tanztherapie, die sowohl für den gesetzlichen Gesundheitsdienst als auch privat arbeitet. Sie ist so ziemlich die freundlichste Person, die ich je getroffen habe, was, wenn man bedenkt, wie unangenehm ich mich fühle (mein letzter Versuch, öffentlich zu tanzen, war wahrscheinlich 2008), eine riesige Erleichterung ist.
„Die Leute denken immer, dass man zu einem Therapeuten kommt, um Handlungsempfehlungen zu bekommen”, sagt Kim. „Aber letztendlich ist der Klient sein eigener Lebensexperte. Ich stelle nur den Raum zur Verfügung, damit sich diese Erkundung entfalten kann.” Diese Erkundung, erklärt sie, nutzt Bewegung, um bei einer Reihe an Dingen zu helfen – es könnten Schwierigkeiten sein, sich verbal auszudrücken, es könnte unterbewusste Fragen an die Oberfläche bringen. Einige Klienten, sagt sie, konnten nicht einmal die Ursache ihrer Angst verstehen, bis sie ihren Körper mit in den Dialog gebracht haben.
Als eine Nation, die ihre Emotionen immer unter Kontrolle haben soll, versteht Kim, warum es für das Tanzen als Therapieform ein Stigma gibt. „Wir sind starr in Bezug auf den freien Ausdruck”, besonders im Vergleich zu einigen östlichen oder afrikanischen Kulturen, in denen der Tanz ein fester Bestandteil des Lebens ist. „In unserem täglichen Leben legt alles, was uns umgibt, unseren Körper still”, sagt sie. „Wir sitzen überwiegend an Computern, bewegen uns hauptsächlich mit Autos oder Zügen, wir werden festgehalten und gebunden. Wo alles zugänglich ist, ohne dass wir unseren Körper einsetzen müssen, bewegen wir uns mehr durch die Technik. Wir schalten uns vom Hals abwärts aus, alles ist in unseren Köpfen.“
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Es ist etwas, das mir und wahrscheinlich auch dir bekannt vorkommt. Wir überwachen unseren Körper streng – selbst diejenigen von uns, die regelmäßig Sport machen, machen es auf eine kontrollierte Art und Weise; Gewichtheben ist am effektivsten, wenn man eine makellose Figur hat, Yogis streben danach, ihren Körper in die perfekte Uttanasana (stehende Vorwärtsbeuge) zu formen. Die freie, bedingungslose Bewegung unserer Körper ist für die meisten von uns ungewöhnlich. Noch ungewöhnlicher ist es, dass unsere Körper die Wünsche unserer Köpfe ausleben können.
„Wir sehen unseren Verstand als so komplex wie einen Computer, und wenn wir merken, dass ein Computer langsamer wird, müssen wir ihn aus- und wieder einschalten”, sagt Kim. „Wir befinden uns in der Gesellschaft jetzt an dem Punkt, wo wir das tun müssen – zurücksetzen, und zwar indem wir unsere Beziehung zu unserem Körper wieder einführen.”
Bewegungs- und Tanzpsychotherapie ist nicht neu. Es gibt sie schon seit der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts in irgendeiner Form. In den 70er und 80er Jahren begannen die Menschen damit, wissenschaftlich zu experimentieren und schließlich wurde der Bewegungstanz als eine Form der Psychotherapie kategorisiert.
Was passiert also in einer Stunde? Für den Anfang, es sind keine Tanzkenntnisse notwendig. Kim sagt, dass es manchmal sogar viel schwieriger ist, mit Leuten mit einem Tanzhintergrund zu arbeiten, weil sie es gewohnt sind, ihren Körper innerhalb der Grenzen ihrer Disziplin zu benutzen. Empfohlen wird bequeme Kleidung. Um mir einen Vorgeschmack zu geben, beschließt Kim, zwei Praktiken mit mir zu machen. Die erste, so erzählt sie mir, ist eine Spiegelung. Sie wird Bewegungen machen, ich kopiere sie, dann wechseln wir.
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Wenn du schon einmal Tanzunterricht hattest und dich dabei ertappt hast, wie du dich sehnsüchtig nach den eleganten Bewegungen deines Lehrers oder deiner Lehrerin umgesehen hast und feststellen musstest, dass du daneben wahrscheinlich wie ein unkoordiniertes Faultier aussiehst, kannst du dir sicher sein, dass dies in der Tanztherapie nicht der Fall sein wird. Kim macht keine Pirouetten und Pas de bourrées (Gott sei Dank), stattdessen stampft sie mit den Füßen, fuchtelt mit ihren Händen und macht Sprünge auf und ab. Sie legt los und ich kopiere sie. Ich sehe ziemlich albern aus, aber eigentlich ist es mir egal, denn Kim ist auch egal.
Danach erklärt sie mir, dass diese Spiegelung für Kinder mit traumatischer Erziehung sehr hilfreich ist. Für ein vernachlässigtes Kind ist die Spiegelung der Bewegungen durch den Therapeuten oft eine der ersten Formen der Bestätigung, die es erhält – ein visueller Beweis dafür, dass sie existieren, dass sie wichtig sind.
Als nächstes setzt sich Kim in die Ecke und lädt mich ein, mich mit geschlossenen Augen hinzusetzen oder hinzulegen. Sie macht Musik an und bittet mich, mich zu so bewegen, wonach meinem Körper ist; da ist ein Impuls, mich zu bewegen. Sie ist urteilsfrei und superfreundlich, aber plötzlich lässt es mich zusammenzucken; ich fühle mich schwer unter ihren wachsamen Augen. Ich sinke tiefer und tiefer in den Boden, verzweifelt, um nicht gesehen zu werden, verzweifelt, um ihre Aufmerksamkeit von meinem unbeholfenen Körper abzulenken.
Danach gibt sie mir Buntstifte und einen Block Papier. Ich zeichne und schreibe, während sie notiert, was sie sieht. Ich zeichne einen dicht gewickelten Ball aus dunklen Farben, und schreibe „Sorry”. Ich komme mir vor wie ein Trottel. Ich fühle mich entblößt. Ich fühle mich nackt.
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Als alles vorbei ist, kommt sie, um mit mir über die Erfahrung zu sprechen. Zu meiner Überraschung finde ich mich selbst weinend und nuschelnd darüber, dass ich nicht glaube, dass ich diese Aufmerksamkeit verdient habe, die sie mir geschenkt hat. Sie erzählt mir, dass sie meinen Körper wie einen Berg wahrgenommen hatte, der sich in einen Eisberg verwandelte, welcher dann überall dem Boden zu schmelzen begann. Ich sagte ihr, dass ich mich auch genau so gefühlt habe.
Ich bin gedemütigt, aber Kim dankt mir dafür, dass ich meine Emotionen mit ihr geteilt habe und sagt, dass es gut ist, dass ich meine Emotionen so nah an der Oberfläche halten kann, um sie so erleben zu können. Am Ende unseres Gesprächs, das ich hier nicht allzu sehr vertiefen werde, fühle ich mich viel besser. Es ist so, als hätte ich mich gerade bei genau der richtigen fürsorglichen Freundin ausgeweint, und genau das aussprechen können, was ich wortgewaltig empfunden habe, und das, obwohl ich nichts dergleichen getan habe. Es ist erlösend und reinigend. Ich kann mir nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie wertvoll eine richtige Tanztherapiestunde wie diese für jemanden inmitten eines ernsthaft dunklen Kampfes sein könnte. Aber zumindest für die dunklen Kämpfe, die ich selbst durchgemacht habe.
Woher weißt du also, ob Bewegungs- und Tanztherapie das Richtige für dich ist? „Es geht darum, herauszufinden, was sich für dich allein richtig anfühlt”, sagt Kim. „Viele Tiefpunkte werden dadurch ausgelöst, dass man herausfindet, was andere Leute wollen, wie man sich fühlt – wir haben wirklich Probleme damit, einfach nur zu sein.“
„Zum Beispiel ist KVT (kognitive Verhaltenstherapie) sehr strukturiert”, fährt sie fort. „Es kann bei manchen Leuten funktionieren, aber manchmal verschleiert es sogar die zugrunde liegenden Schwierigkeiten und die Auslöser, die diesen Rückgang in der psychischen Gesundheit erst verursacht haben.“
Für mich war es enorm befreiend, meinen Körper ganz ohne ein Urteil zu benutzen, als ich mich erst mal darauf eingelassen hatte, und das, obwohl ich schon KVT in der Vergangenheit gemacht habe und auch das hilfreich fand. Es gibt noch viele andere Möglichkeiten und, wie Kim sagt, nur du allein wirst wissen, welche die richtige für dich ist.

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