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Wie es ist, als Trans*mann die Periode zu haben

Foto: Megan Madden.
Auf seinem Nachhauseweg von einem Campingwochenende machte Cass Bliss neulich Halt an einer Raststätte, um seinen Tampon zu wechseln. Als er auf dem Parkplatz ankam, zählte er zunächst die Autos, die auf dem Parkplatz standen. Als er die Raststätte betrat, warf er einen Blick hinter den Tresen. Stand dort ein Mann oder eine Frau? Danach schaute er sich im Laden um. Trafen ihn aus irgendeiner Ecke feindselige Blicke? Schließlich ging er in Richtung der Toilettentür. Was würde ihn erwarten? Ein einziger Raum mit Waschbecken, den alle nutzen, oder mehrere, durch Kabinen abgetrennte Toiletten nebeneinander für Männer und Frauen? Letzteres könnte für Cass zum Problem werden.
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Als nicht-binäre Person, also jemand, der sich weder als männlich noch als weiblich empfindet, sondern sein Geschlecht außerhalb dieses binären Systems sieht, sind Toilettensituationen für Cass Bliss grundsätzlich schwierig. Er präsentiert sich als männlich, doch das Risiko, auf öffentlichen Toiletten angegangen zu werden, ist für ihn durchaus real. Für Trans*personen ist es noch immer schwierig, sich zu entscheiden, auf welche Toilette sie gehen sollen, da andere sich bedroht oder belästigt fühlen könnten, wenn jemand sich in der vermeintlich falschen Toilette wiederfindet. Cass wurde sowohl in öffentlichen Toiletten für Männer als auch für Frauen schon aufgefordert, die Räume zu verlassen. Und dann kommt seine Periode dazu. Schon für Cis-Frauen ist die Menstruation nach wie vor ein Stigma, das mit jeder Menge Schamgefühl beladen ist. Seien wir ehrlich, wie viele Frauen schmuggeln nach wie vor Tampons aufs Klo oder geben sie sich verschämt in die geschlossene Hand, als wären sie etwas Schmutziges?
Zu diesem Gefühl gesellt sich für trans*maskuline Menschen die Annahme ihrer Außenwelt, dass ein Mann (oder eine Person, die sich maskulin präsentiert) keine Menstruation haben kann. Dieses Unwissen führt dazu, dass vielen Trans*männern mal mehr, mal weniger subtil vermittelt wird, dass ihre Körper nicht richtig seien. In seinem neuen Video präsentiert Cass Bliss seine Version des Beatles-Klassikers „Let it be“: „Let us bleed“. Darin versucht er, auf unterhaltsame Art Aufklärung zu leisten und zeigt, wie es ist, seine Periode zu haben, wenn man trans ist. Dazu gehören für Trans*männer diverse praktische Probleme. Beispielsweise gibt es in den Kabinen auf Männertoiletten keine Mülleimer, sodass man seine Tampons oder Binden oft einwickeln und sich, wie Cass im Video zeigt, in die Hosentasche stecken muss. Des weiteren werden Hygieneartikel nur für Frauen beworben (selbstverständlich gegendert in Pink und Lila). Kauft jemand Tampons oder Binden, der von seinen Mitmenschen als männlich wahrgenommen wird, kassiert er oftmals ungläubige Blicke. „Wenn ich durch den ‚weibliche Hygieneartikel‘- Gang gehe, fühlen sich viele andere Kunden unwohl. Obwohl ich mich ja nicht als Mann fühle, sieht meine Umwelt mich oftmals so. Dementsprechend vermuten wohl die meisten, die mich sehen, ich würde die Produkte nicht für mich selbst, sondern für eine Frau kaufen. Ich habe das Gefühl, sie fühlen sich bei ihrem Kaufvorgang ertappt und wären gerne ‚unter sich‘.“
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Und Hygieneartikel zu kaufen ist nur ein Teil des Problems. Sobald Trans*männer oder sich nach außen maskulin präsentierende nicht-binäre Personen sich Tampons, Binden oder Menstruationscups besorgt haben, müssen sie sie auch irgendwie mit sich führen können. Cis-Frauen tragen häufig Handtaschen, doch diese Option fällt für oben genannte Menschen häufig weg. „Ich höre immer wieder von trans*maskulinen Leuten, die während ihrer Periode Cargopants mit Taschen oder dunkle, weite Hosen tragen, um Hygieneartikel unbemerkt mit sich zu führen“, erzählt Emmett Schelling, Executive Director der Transgender Education Network of Texas. Vor seiner Hormontherapie (das verabreichte Testosteron sorgt dafür, dass bei vielen Trans*männern nach einer Weile die Periode ausbleibt), versuchte Emmett das Haus so wenig wie möglich zu verlassen, wenn er seine Regel hatte. Seine Befürchtung war, dass er einen Unfall haben könnte und die Rettungsleute bei der Untersuchung sehen würde, dass er „ein menstruierender Mann“ sei.
Für die meisten Cis-Frauen ist allein die Vorstellung, man könne durch die Hose einen Blutfleck sehen, peinlich. Für Trans*männer kann das aber sogar gefährlich werden. Die Cis-Männer, die mit ihnen auf öffentliche Toiletten gehen, erwarten nicht, jemanden zu sehen, der ein Tampon mit in die Kabine nimmt oder zu hören, wie jemand die Klebefolie von einer Binde entfernt. Ganz zu schweigen von den benutzen Hygieneartikeln, die in den großen Mülleimer im Waschraum geworfen werden. All diese Dinge outen einen Trans*mann. Als Reaktion darauf sind Beschimpfungen und körperliche Gewalt nicht selten.
Viele dieser Probleme würden sich in Luft auflösen, würden auch öffentliche Toiletten für Männer so konzipiert werden, dass sie Menschen, die ihre Periode haben, berücksichtigen. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Bis es soweit ist, hofft Cass Bliss, dass er den Leuten mit seinem Video zeigen kann, wie es ist, als Trans*mann zu menstruieren. „Wenn den Menschen ins Bewusstsein gebracht wird, dass auch einige Männer menstruieren, sind wir schon einen riesigen Schritt weiter. Aber ich bin der Überzeugung, dass es wichtig ist, anderen darüber hinaus auch noch zu zeigen, wie sich das anfühlt. Wer seine Periode hat, erlebt sowieso schon einige Schwierigkeiten. Wer seine Periode hat und nicht als Frau identifiziert wird, für den sind die Schwierigkeiten nochmal doppelt so groß.“

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