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Trendforscherin Li Edelkoort über politische Mode und was uns ihre Prognosen lehren

Vor fast genau einem Jahr, im Januar 2016, sagte die weltbekannte Trendforscherin Lidewij Edelkoort auf einem Trendseminar im Rahmen der Fashion Week in Berlin die „Emanzipation von allem“ voraus. Li Edelkoort gibt seit inzwischen über 35 Jahren mit bewundernswerter Präzision Prognosen zu kommenden Trends und leitet eigene Trendstudios in Paris, New York und Tokio. Wie richtig sie mit ihren Vorhersagen Anfang 2016 lag, haben uns die letzten Monate dieses Jahres gezeigt. Doch was ist der Status Quo unseres Seins und wie lassen sich die Prognosen von Frau Edelkoort auf die Mode übertragen? Denkt man darüber nach, kann man schnell schwermütig werden. Wir scheinen derzeit an einem wahrhaftig schlechten Ort zu leben, an dem Jeder gegen Jeden kämpft und ein friedliches Miteinander scheint Lichtjahre entfernt. Die Welt erlebt so viel Gewalt, wie lange nicht mehr. Syrien, IS, der Putsch in der Türkei, Donald Trump – eine erschreckende Überschrift in den Zeitungen jagt die nächste. Mit Donald Trump ist ein Mann als der nächste Präsident der USA gewählt worden, der offen rassistische und frauenverachtende Thesen in die ihm zugewandten Mikrophone gespuckt hat. Polarisieren hieß die Strategie – die ihn tatsächlich zum Sieger machte. Und Europa? Der Nationenverband erzittert weiterhin unter Fremdenhass und Rassismus. Abschottung, Gewalt und Verbote scheinen das einzige Mittel zu sein, dass unsere vermeintlich aufgeklärte Gesellschaft noch zu kennen vermag. Doch keine Bewegung ohne Gegenbewegung. Auch Dank des patriarchischen Auftretens eines Donald Trump hat die Frauenbewegung ein seit den Achtzigerjahren nicht mehr da gewesenes Comeback erlebt. Weibliche Emanzipation wird zu einem globalen Phänomen. Girlpower lacht uns in Form von Shirts, Sweatern und sogar auf Socken entgegen und hat sich inzwischen fast zu einem Sellout entwickelt. Mit dem Brexit öffnete eine „alte“ Generation die Büchse der Pandora für die Jungen von Europa. Abschottung und Ausgrenzung aus Angst vor Überfremdung? Nicht mit uns! Laut Li Edelkoort wächst vor allem eine Generation Männer heran, die zukunftsorientiert und familienfreundlich denkt. Gelenkt von dem Wunsch nach friedlichen Zeiten entdecken diese Herren ihre „softe Seite“ und schämen sich nicht, hierfür einen Teil der vermeintlichen Männlichkeit zu opfern. Auf den Laufstegen der Schauen wurde dieser Trend durch pudrige Farben, Blumen- und Tierprints sowie zarte Netzteile sichtbar. Männlichkeit war lange nicht mehr so offen feminin. Die Farbe Weiß ist im kommenden Sommer allgegenwärtig und möchte, laut Edelkoort, als Gegenentwurf zum Schwarz des IS gesehen werden. Es ist das sprichwörtliche Licht am Ende des Tunnels, in welches wir uns in Form von Kleidung hüllen. In Zeiten von Angst und Unsicherheit wächst paradoxerweise auch der Wunsch der Menschen nach Extravaganz. Mit dem Sich-Verkleiden bekommt man die Chance, der Realität wenigstens ein wenig zu entfliehen. Denkt man an die Opulenz eines Alessandro Michele für Gucci, so erscheinen die Prognosen von Li Edelkoort von Tournüren oder Glockenärmeln als gar nicht mehr so abwegig. Für Edelkoort wird Mode in dem Moment politisch, in dem sie zu einer Uniform wird. Der Moment also, in dem Trends zu einem nationalen oder globalen Phänomen werden und die Strassen unserer Städte beherrschen. Der Moment, in dem aus einem simplen Kleidungsstück eine Aussage wird und in der wir unsere Zugehörigkeit zu einer Bewegung durch unsere Kleidung für Jedermann sichtbar machen. Wenn die Mode es schafft, einen Zeitgeist auf den Punkt zu bringen, hat sie die Macht, einen Umbruch zu bewirken und bestehende Systeme zum Wanken zu bringen. Die Mode als universeller Heilbringer also? Nicht ganz. Denn laut Edelkoort hat sich die Branche selbst den Todesstoß verpasst. Printpublikationen werden eingestellt, Marken entlassen ihre Chefdesginer nach nur wenigen Monaten, ehemalige Riesen der Branche gehen bankrott. Geiz und Gewinnsucht haben die Modeindustrie von innen heraus zerstört und es hat keiner mehr die Nerven, den pervertierten Regeln dieses Marktes zu folgen und sich in das sich immer schneller drehende Saisonkarussell zu setzen. Zeit also, gesellschaftlich sowie modisch den dicken, roten Reset-Button zu drücken. Oder, wie Lidewij Edelkoort es treffend sagt: „Es ist Zeit zu überdenken, wiederzubeleben und neu zu erfinden.“ Das komplette neuste Interview mit ihr könnt ihr übrigens hier lesen.

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