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Hilfe, ich sehe aus wie mein Freund!

Foto: Jessica Furseth
Es kann ganz schön nervenaufreibend sein, Freund*innen ein Foto der Person zu zeigen, mit der du frisch zusammen bist. Werden sie anerkennend die Augenbrauen hochziehen und nicken – oder deine glückliche Seifenblase brutal zerplatzen lassen? Mit Freunden wie meinen fühlt es sich jedenfalls wie eine Mutprobe an: Als ich auf Instagram zum ersten Mal ein Foto mit meinem neuen Freund postete, schrieb mein Kumpel Ross darunter nur ein einziges Wort: „Lannisters.“
Autsch. Luke und ich sehen zwar nicht wirklich aus wie Cersei und Jaime aus Game of Thrones, aber ich verstehe schon, worauf Ross hinauswollte: Wir haben beide dunkelblondes Haar à la Lannister und braune Augen, sind beide ungefähr gleich groß und breit. Aber nein, wir sind definitiv nicht miteinander verwandt – wir wurden auf unterschiedlichen Kontinenten geboren. Trotzdem fing ich an zu grübeln: War meine Ähnlichkeit zu meinem Partner irgendeine merkwürdige neue Form des Narzissmus? Plötzlich fühlte ich mich, als hätte meine Kreativität bei der Partnerwahl versagt.
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„Naja, ich schätze, wir sind uns zumindest nicht unähnlich“, sagt Luke, als ich ihn darauf anspreche. Echt, mehr nicht? „Ja, okay, wer flüchtig hinguckt, würde vielleicht schon von Ähnlichkeit sprechen“, gesteht er. Aber soll das heißen, ich erinnere ihn an seine Mutter? Luke starrt mich für drei lange, furchteinflößende Sekunden an, bevor er verneint. „Wieso – sehe ich denn deiner Meinung nach aus wie dein Vater?“ Uff, das wird hier langsam gefährlich.


Ist das Ganze bloß Zufall, oder mag ich Luke vor allem deswegen, weil er aussieht wie ich – nur eben als Mann?

Jetzt, wo sie mir aufgefallen ist, gruselt mich unsere Ähnlichkeit sogar ein bisschen – vor allem, da wir auch noch beide fast immer in Schwarz und Grau rumlaufen, mit dem gelegentlichen Blau dazwischen. Daher kommt es abends oft vor, dass wir uns ansehen und feststellen: Hey, wir tragen quasi dasselbe Outfit – mal wieder. Schwarze Jeans, graues T-Shirt. Oder für ein wenig Abwechslung: graue Jeans, schwarzes T-Shirt.
Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass wir beide schon in Beziehungen mit Leuten waren, die völlig anders aussahen als wir. Unsere Ähnlichkeit ist ein Zufall, kein merkwürdiges Dating-Muster. Gehe ich im Kopf meine Verflossenen durch, fällt mir dabei allerdings eine eindeutige Vorliebe für “groß, dunkelhaarig, bärtig“ auf. Für Luke hatte ich also meine “Keine Blondinen“-Regel gebrochen! Auf die Frage hin, ob denn auch Luke einen “Typ“ habe, heißt es erst: „Ich glaube nicht.“ Nachdem er geistig genauer hinsieht, erkennt jedoch auch er ein Muster: Lockiges braunes Haar taucht mehrmals auf. „Jetzt, wo ich drüber nachdenke… du bist die einzige Hellhaarige, die ich je gedatet habe!“ Ich schätze, wir haben heute beide etwas über uns gelernt.
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Aber was ist hier eigentlich los? Ist das Ganze bloß Zufall, oder mag ich Luke vor allem deswegen, weil er aussieht wie ich – nur eben als Mann? Die Wissenschaft ist sich da ziemlich einig: Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir alle am Ende einen Partner finden, der uns recht ähnlich sieht. „Junge Erwachsene daten zwar gerne ihr optisches Gegenteil, weil sie gern Unkonventionelles ausprobieren. Im Großen und Ganzen gibt es aber Hinweise darauf, dass wir uns auf einer tieferen Ebene zu Menschen hingezogen fühlen, die uns ähnlich sind“, sagt Berit Brogaard, Professorin für Philosophie und Neurowissenschaften an der University of Miami. Laut ihr spielt die Genetik dabei nur teilweise eine Rolle: „Ähnliche Gesichtszüge können das Erste sein, was dich zu deinem Gegenüber hinzieht. Später geht es aber um charakterliche Ähnlichkeiten – wie ihr euch in bestimmten Situationen verhaltet, was ihr mögt oder nicht mögt“, sagt Brogaard, die menschliche Attraktion sowohl aus philosophischer als auch neurowissenschaftlicher Perspektive studiert hat.
Obwohl es in Game of Thrones vielleicht anders aussieht: Die Natur ist sehr gut darin, Anziehungskraft zwischen Geschwistern zu verhindern. Laut Brogaard ist es aber genau dieses Tabu, wegen dem es dir gruselig vorkommt, wenn du aussiehst wie dein*e Partner*in.
Während ich noch überlege, wie ich mit diesen heiklen Informationen umgehen soll, beruhigt mich Brogaard direkt wieder: Paare sehen sich manchmal auch bloß so ähnlich, weil sie sich optisch einander mit der Zeit annähern. „Sich äußerlich zu ähneln heißt nicht nur, zum Beispiel die gleiche Nasenform oder Augengröße zu haben“, sagt Brogaard, „sondern beruht auch auf Kleinigkeiten wie Handgesten oder der Art, wie ihr lächelt. Häufig übernehmen wir die Sprachmuster und Angewohnheiten der Menschen, die uns nahe stehen.“
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Luke und ich haben für uns beschlossen: Wir akzeptieren unseren Lannister-Vibe – wobei wir vielleicht doch damit anfangen sollten, morgens unsere Outfits abzusprechen. Prinzipiell gefällt Luke unser Pärchen-Look aber: „Ich mag deinen Style, und ich mag meinen. Er ist lässig, sehr weich und baumwolllastig. Er sitzt gut, und er passt immer.“ Ich erinnere Luke an den Tag, an dem ich seine Jeans anprobierte und feststellte: Hey, die passten mir besser als meine eigenen. Luke lacht. „Okay, vielleicht sollte ich mehr Squats machen?“ Aber es ist durchaus praktisch, dieselbe Größe zu tragen. Letztens wollte ich Luke einen Pulli kaufen und konnte ihn anprobieren, um sicherzugehen, dass er ihm passen würde – er sitzt perfekt.
Und die Moral unserer Geschichte? Luke denkt kurz darüber nach. „Abgesehen von ein paar Ausnahmen hat jede meiner Freundinnen versucht, irgendwas an mir zu verändern. Die Klamotten waren da meist ganz vorne mit dabei. Aber du meckerst nie an mir rum, wenn ich immer nur dieselben zehn T-Shirts trage.“ Ich schüttele den Kopf. Der Glaube, den*die Partner*in ändern zu können, ist ein typischer Anfängerfehler. Den begehen aber nicht nur Frauen: Mehr als nur ein Typ hat schon versucht, mich zu mädchenhafteren Looks zu überreden.
Über die Jahre hinweg habe ich mir aus grauen Jeans und T-Shirts meine eigene Uniform zusammengestellt, die Lukes Look eindeutig ähnelt – in seinem Schrank hängen dazu aber noch ein paar klassische Hemden für die Arbeit. Vorausgesetzt, die Klamotten sitzen gut, stört uns beide diese Schlichtheit nicht. „Mit dir kann ich auch im Pyjama zu Hause chillen und mich wochenlang nicht rasieren“, sagt Luke. „Ich wache morgens mit verwuschelten Haaren auf und du findest mich trotzdem süß.“ Ich lache. Letzten Endes sind Luke und ich nicht zusammen, weil wir uns äußerlich ähnlich sind, sondern innerlich. Wir sind Pragmatiker, Nachteulen, und wir wissen einfach, was gut ist – und dazu gehört eindeutig ein altmodischer karierter Baumwoll-Pyjama.
Anziehungskraft ist und bleibt letztlich ein wissenschaftliches Mysterium. Worauf wir genau stehen, ist meistens sogar uns selbst nicht ganz klar. Vielleicht glauben wir, ach so unvoreingenommen an neue Partner*innen heranzugehen – aber zumindest in der Hinsicht weiß die Wissenschaft ein bisschen mehr als wir: Wir blicken gern in (ansatzweise) vertraute Gesichter. Ich frage Brogaard, ob diese Vorliebe vielleicht eine unbewusste Abkürzung auf der Suche nach anderen Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten sein könnte. „Das halte ich durchaus für möglich“, sagt sie. „Abgesehen von den biologischen Faktoren sind es vor allem Ähnlichkeiten, die uns langfristig zu anderen hinziehen. Ähnlichkeiten schaffen ein stärkeres Gefühl von Nähe, als es Unterschiede tun.“ Und ganz abgesehen davon, was wir mein primitives Steinzeit-Hirn vorzuschreiben versucht, ist mir die Haut- oder Augenfarbe meines Partners völlig egal. Ich möchte einfach bloß mit einer Person zusammen sein, die mich versteht. Und was soll ich sagen – diese hier sieht mir eben zufällig ziemlich ähnlich.

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