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Warum wollen so viele Leute nicht verraten, welches Parfum sie tragen?

Foto: Getty Images.
Ich folge einer Fashion- und Beauty-Influencerin, die online jeden Bereich ihres Lebens zu teilen scheint. Von den kleinsten Details ihrer Hausrenovierung bis hin zu ihrer Ernährung: Ich habe das Gefühl, absolut alles über sie zu wissen. Abgesehen davon, welches Parfum sie trägt.
In ihren „Get ready with me“-Videos schwärmt sie oft davon. Viele dieser Videos sammeln Hunderttausende, manchmal sogar Millionen von Views. Sie sprüht sich mit dem Parfum sogar vor der Kamera ein – aber immer aus einem Fläschchen ohne Label. Und wenn ich mich durch die Kommentare scrolle, stoße ich dort schnell auf eine Handvoll anderer Follower:innen, die, wie ich, gern erfahren würden, welches Parfum das denn nun sein soll. „Warum sagt sie uns nicht einfach, wie es heißt?“, fragt jemand. Manche sind sogar davon überzeugt, dass dieses Geheimnis Absicht ist: „Das ist Gatekeeping.“ 
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Natürlich ist uns diese Influencerin den Namen ihres Parfums nicht schuldig. Mir ist aber aufgefallen, dass „Gatekeeping“ im Zusammenhang mit Parfum in letzter Zeit recht häufig erwähnt wird. Auf TikTok bringt es der Begriff „gatekeeping my perfume“ auf inzwischen über 33 Millionen Views, und wenn du dir die Videos darunter mal anschaust, scheinen zahlreiche Influencer:innen den Namen ihres liebsten Parfums nur ungern verraten zu wollen.

Was ist Gatekeeping?

Ein Thread auf Fragrantica, einem Online-Parfum-Magazin und einer Community für Parfum-Fans, trägt den Titel: „Eure Meinung zu Leuten, die ihr Lieblingsparfum für sich behalten?“ – und die Antworten darauf sind ziemlich eindeutig. „Ich finde es ein bisschen kindisch. Das kann für die fragende Person sowie auch für den oder die ‚Gatekeeper:in‘ unangenehm werden“, schreibt jemand. Auch unter einem ähnlichen Reddit-Thread wird das Thema diskutiert. Dort werden diejenigen, die ihr Parfum „gatekeepen“, unter anderem als „überheblich“ und „unreif“ abgestempelt.
„Parfum-Gatekeeping“ ist also definitiv provokant – aber ist das denn wirkliches Gatekeeping? Laut dem Cambridge Dictionary beschreibt Gatekeeping den „Versuch der Kontrolle darüber, wer Zugang zu bestimmten Ressourcen, Gelegenheiten oder Vorteilen bekommt, und wer nicht“. So weit zur offiziellen, schon etwas älteren Definition, die sich eher auf die Benachteiligung von Randgruppen im wahren Leben bezog – und nicht auf etwas, was Beauty-Fans im Internet tun. Im Laufe der Zeit hat sich die Bedeutung des Begriffs aber verändert. Dem Urban Dictionary zufolge wird „Gatekeeping“ inzwischen auch etwas umgangssprachlicher verwendet: „Es ist Gatekeeping, wenn du deine Interessen anderen vorenthältst, um zu verhindern, dass sie im Mainstream ankommen“, heißt es dort.
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Warum verraten manche nicht, welches Parfum sie tragen?

Egal, wie du es nennst – eins steht fest: Es spaltet eindeutig die Gemüter, wenn du den Namen deines Parfums lieber für dich behältst. Aber warum tun wir es dann? Pia Long, Mitbegründerin der Parfum-Firma Olfiction Limited, hält das für wenig verwunderlich – immerhin stehen im Social-Media-Zeitalter die meisten unserer Lebensbereiche bereits im digitalen Rampenlicht, und es ist nachvollziehbar, dass sich manche Menschen eben ein kleines Geheimnis bewahren wollen. Das gilt auch für Influencer:innen. „Als Parfumherstellerin sollte ich mich wohl eigentlich eher dafür einsetzen, dass wir alle lautstark verkünden, welches Parfum wir tragen“, sagt Long. „Ich respektiere aber total, dass nicht jede:r die persönliche Parfumwahl verraten möchte – ob nun online oder in Person.“ Hier ist vor allem das Wort „persönlich“ entscheidend; das individuell ausgewählte Parfum hat nämlich sehr viel mit der eigenen Identität zu tun, meint Long. „Man kann ein Parfum auch nutzen, um anderen gezielt etwas über sich selbst zu kommunizieren“, fügt sie hinzu – wie eine Facette der eigenen Persönlichkeit sozusagen. In einer von Trends bestimmten Welt bedeutet das eigene Parfum daher ein wenig Einzigartigkeit.
@abuggzlife #stitch with @koyas_world sometimes I feel like it’s okay to gatekeep 🥹 we don’t have to share everything lol I personally don’t like a scent twin at the same time 😕 #gatekeeping #perfumetiktok #friendship #love #fragragrwnces #expensivelife ♬ original sound - Shantell N°5
Viele Leute sprühen sich aber auch einfach mit einem Parfum ein, dass ihnen eben gefällt, ohne dass es etwas über ihre Identität aussagen muss, meint Long – und das ist ja auch völlig in Ordnung. „Das ist eine schöne, lockere Einstellung“, sagt sie. Für viele andere ist ein Parfum aber sehr wichtig und vielsagend. „Viele Menschen bauen sich eine Duftsammlung auf oder suchen nach einem Parfum, das für sie eine tiefere Bedeutung hat. Dann spielt das Parfum eben doch eine größere identitäre Rolle“, sagt sie. In mancher Hinsicht kann das dann sogar etwas sehr Intimes sein. Nimm zum Beispiel das Phlur Missing Person Eau de Parfum, das auf TikTok viral ging, weil es Leute an ihre Liebsten erinnern soll, die sie vermissen – sei es nun ein Elternteil, ein:e Partner:in oder Freund:in. Zum Höhepunkt seiner Beliebtheit war es nichts Ungewöhnliches, auf TikTok über einen Clip zu stolpern, in dem die Person beim ersten Sprühen Tränen in den Augen hatte. Die Fähigkeit dieses Parfums, in uns Gefühle der Nostalgie zu erwecken, machte Missing Person zu viel mehr als nur einem simplen Duft.
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Wenn dir ein Parfum etwas bedeutet, macht es demnach durchaus Sinn, dass du es vielleicht lieber für dich behältst. Als Missing Person dann aber viral ging (und sich auf der Warteliste nach dem ersten Ausverkauf ganze 100.000 Leute eintrugen), war das Parfum alles andere als exklusiv. Die Parfumspezialistin Eudora Nwasike von The Fragrance Foundation ist der Meinung, genau diese Exklusivität sei der Hauptgrund dafür, warum jemand den Namen des eigenen Parfums vielleicht nicht verraten möchte. Wie schon ein altes Sprichwort besagt, ist Nachahmung zwar die höchste Form der Anerkennung – aber niemand mag eine:n Nachmacher:in.

Warum duften wir alle gleich?

Ein Gespräch mit einer Freundin hat das für mich vor Kurzem perfekt zusammengefasst. Ich habe ein Talent dafür, das Parfum einer Person zu identifizieren, sobald sie den Raum betritt – aber diesmal wusste ich nicht, was sie trug. Als ich sie fragte, lehnte sie sich dramatisch über den Tisch zu mir und flüsterte: „Ich will nicht, dass das das nächste Santal 33 oder Baccarat Rouge wird.“ Ich verstand sofort, was sie meinte. Maison Francis Kurkdjian Baccarat Rouge 540 ist dank TikTok inzwischen sogar noch berühmter als Missing Person – und auch ich konnte dem Duft nach Bittermandel, Jasmin und Saffron nicht widerstehen. Heute rieche ich das Parfum aber im Fitnessstudio, in Restaurants, in der U-Bahn… überall. „Das ist, als würdest du zu einer Party im selben Outfit wie jemand anderes auftauchen“, meinte meine Freundin. „Das ist mir peinlich.“ Unter TikToker:innen ist deswegen einer der Hauptgründe dafür, das eigene Parfum geheim zu halten, der, dass andere nicht so duften sollen wie man selbst. „Ich würde meinen Freund:innen mein letztes Hemd schenken. Sie können gerne meine Klamotten, meine Schuhe, meine Handtaschen tragen. Alles, was sie wollen“, schreibt jemand auf TikTok. „Aber frag mich nicht nach meinem Parfum.“
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@beauty_byib Perfumes that are worth gates keeping but we don’t do that here ✨🫶🏽 #fyp #perfumetiktok #perfumes #perfumetok #gatekeeping #gatekeep #feminineenergy ♬ son original - Ikhlas : beauty_byib
Etwas zu besitzen, das andere nicht haben, kann uns definitiv das Gefühl geben, besonders zu sein. Marina Barcenilla, Gründerin von AromAtom: The Smell of Space, ist allerdings der Meinung, wirkliche Exklusivität sei unmöglich. „Wenn du dir ein Parfum gekauft hast – ob nun ein massenproduziertes Produkt oder einen ‚Insidertipp‘ –, tragen denselben Duft auch noch Hunderte, Tausende oder sogar Hunderttausende anderer Menschen“, sagt sie. Vielleicht identifizierst du dich mit dem Parfum, der Marke und/oder Story dahinter, ergänzt Barcenilla; es ist aber deine subjektive Interpretation und Erfahrung des Parfums, die den Duft so einzigartig macht – und nicht das Parfum selbst.
Der Wunsch nach Exklusivität ist laut Nwasike der Grund dafür, dass Duftpersonalisierung 2024 zu einem der größten Parfumtrends werden könnte. Die britische Parfummarke Penhaligon bietet beispielsweise bereits ein „fragrance profiling“ an. Das kannst du dir ungefähr so vorstellen wie Parfum-Speeddating: Du bekommst mehrere Fragen gestellt und daraufhin eine Auswahl an Parfums, die deinem Geschmack entsprechen sollen. Nwasike erwähnt Ex Nihilo, die ebenfalls ein personalisiertes Duft-Erlebnis anbieten – The Osmologue –, bei dem du dir im Geschäft dein eigenes Parfum mischen kannst. Dann wäre da noch der Experimental Perfume Club, der es dir erlaubt, dich zu Hause in Alchemie zu üben. 
Egal, ob du gern deinen Lieblingsduft mit anderen teilst oder ihn eher für dich behältst: Nwasike betont, dass wir alle eine ganz unterschiedliche Körperchemie haben, und dass die meisten Düfte daher an jedem Körper etwas anders riechen. Wenn du immer noch nicht überzeugt bist, empfiehlt sie „Parfum-Layering“: die Kombination aus verschiedenen Parfums, die es dir erlaubt, einen etwas individuelleren Duft zu kreieren.
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Sind Parfum-Dupes jemals so gut wie das Original?

Okay, absolute Exklusivität ist also ein Mythos. Aber warum sonst sollte man denn den Namen des eigenen Parfums verschweigen wollen? Diese Frage stellte ich Long, die mir antwortete, dass es einigen Leuten vielleicht auch unangenehm sein kann, mit dem Verraten des Namens gleichzeitig zu verraten, wie viel – oder wenig – der Duft gekostet hat. Und tatsächlich ergab auch eine kleine Umfrage in meinem Umfeld, dass es einigen peinlich ist, den (teils schockierend) hohen Preis ihres Parfums zu enthüllen. „Ich will nicht dafür verurteilt oder beschimpft werden, dass ich ein Viertel meiner monatlichen Miete für ein Parfum ausgegeben habe“, erzählte mir jemand.
Am anderen Ende des Spektrums gibt es aber auch günstige Parfum-„Dupes“, die sich inzwischen zu einem großen Business etabliert haben. Sieh dir nur mal Aldis hauseigene Beauty-Marke Lacura an, die am besten für ihre Parfums bekannt ist, die diversen Designer-Düften verdammt ähnlich sind – wie zum Beispiel Tom Fords Santal Blush, Yves Saint Laurents Black Opium und Thierry Muglers Angel. Lacuras Tom-Ford-Dupe kostet nur ein paar Euro – ein Bruchteil des Preises des luxuriösen Originals. Dupes sind aber ein kontroverses Thema. Einerseits scheinen sie Beauty demokratischer zu gestalten und Trends und Produkte für alle leichter zugänglich zu machen; andererseits kassieren Marken, die solche Dupes herstellen, viel Kritik dafür, die Arbeit größerer Marken als ihre eigene auszugeben und davon zu profitieren. Das ist, meint Barcenilla, effektiv Plagiarismus. Und obwohl manche vielleicht stolz verkünden würden, dass das Parfum, das du gerade komplimentiert hast, ein ganz günstiges Dupe-Produkt sei, ist das anderen wiederum unangenehm.
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Was sind die besten günstigen Parfums?

Weil unsere Lebenshaltungskosten in letzter Zeit deutlich gestiegen sind, ist es wichtiger denn je, niemanden dafür zu verurteilen, wie er oder sie das eigene Geld ausgibt. Wenn du aber lieber auf Dupes verzichten möchtest, hast du dennoch zahlreiche schöne Parfums zur Auswahl, die dich nicht ein Viertel deiner Miete kosten.
In Sachen Luxusparfum zahlst du, meint Barcenilla, oft unnötig drauf – für die Verpackung, das Marketing und vielleicht auch die Kosten für eine:n Promi in der Werbung. Zaras Cities-Collection (aktuell rund 13 Euro) entstand unter der Leitung der Parfum-Ikone Jo Malone. Bei den Eau de Parfums von Zara der Duft, im Vergleich zu schwächeren Eau de Toilettes, außerdem ähnlich lange wie bei den meistens Luxusparfums, die ich besitze (mein Favorit ist übrigens Magnificently Dubai). Und befreundete Beauty-Redakteur:innen schwören auf die edlen Düfte von & Other Stories (alle 35 Euro).
Alles in allem sind sich die Expert:innen, mit denen ich für diesen Artikel gesprochen habe, uneinig. Es ist definitiv ein Kompliment, auf der Straße angehalten oder von einer Freundin gefragt zu werden, die unbedingt wissen will, wieso du so gut duftest. Bestätigt das nicht deinen persönlichen Geschmack? Trotzdem ist es natürlich dein gutes Recht, deine Parfumwahl ganz für dich allein zu behalten. Im Duft und der Liebe ist alles erlaubt.
P.S.: Mein Parfum ist übrigens Diptyque Orpheon.
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