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Das richteten 2 falsch-positive HIV-Tests mit mir an

Photo: Courtesy of Zoe Ligon.
Als ich 21 Jahre alt war und im letzten Semester meines Grundstudiums steckte, bekam ich zwei falsch-positive HIV-Testergebnisse. Innerhalb weniger Wochen wurde aus einer ausgeglichenen, sexuell aktiven Collegestudentin eine Frau, die sich wegen einer Krankheit das Leben nehmen wollte, die sie gar nicht hatte. Nach dem Anruf von meiner Frauenärztin im Frühjahr 2013 erlebte ich eine mir völlig neue Angst. Sehr trocken und etwas gestresst sagte mir in einem Zug: „Ihr HIV-Test war positiv, aber dann haben wir weitergehende Blutuntersuchungen vorgenommen, und die waren negativ, es ist also alles in Ordnung bei Ihnen.“

WAS, WENN ICH DOCH HIV+ BIN?

Ich war völlig benommen, legte das Telefon weg, immer noch nicht ganz sicher, was gerade passiert war, und rief meinen Vater an. Ich fragte mich, ob das erste Ergebnis nicht vielleicht doch das korrekte gewesen war? Was, wenn ich doch HIV-positiv war? War ich dem Virus jetzt einfach ausgesetzt? Ich versuchte, mir die genauen Worte der Ärztin ins Gedächtnis zu rufen, aber ich weinte und sprach so schnell, dass ich merkte, wie wenig Sinn meine Worte ergaben. Obwohl mein Vater genauso durcheinander und besorgt war wie ich, versicherte er mir in aller Ruhe, dass alles gut werden würde. Um mich zu vergewissern, dass er Recht hatte, nahm ich den schnellsten Weg nach Hause und suchte online nach „falsch-positiver HIV-Test“ – dabei kamen sofort ein paar wichtige Dinge heraus. Falsch-positive Ergebnisse sind unglaublich selten, sie kommen bei weniger als 1 % der Getesteten heraus. In einem Forum las ich von einem falsch-positiven Ergebnis, das nach einem Abstrich der Mundschleimhaut herauskam – aber bei mir waren Blutuntersuchungen vorgenommen worden, das ist ein viel zuverlässigerer Test! Ich machte mich nur noch mehr verrückt. Nach diesen neuen Informationen rief ich noch einmal bei meiner Ärztin an, um zu erfahren, was für Tests genau durchgeführt wurden. Mehrere Stunden vergingen, bis ich sie endlich erreichte, und ich hatte endlos viele Fragen. Sie schien mich jedoch überhaupt nicht zu verstehen. Warum sollte ich Fragen haben? Warum sollte ich mir wegen der Sache überhaupt Sorgen machen?
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IHR AALGLATTER TONFALL BRACHTE MICH DAZU, MIR WEGEN MEINER ANGST WIE EINE TOTAL GEISTESKRANKE VORZUKOMMEN.

Vielleicht blieb sie bewusst so ruhig, damit ich mich nicht zu sehr aufregte, aber ihr aalglatter Tonfall wühlte mich nur noch mehr auf und ich steigerte mich weiter in die negativen Gedanken rein. Ich erfuhr, dass drei Bluttests durchgeführt wurden: der ELISA, der Western Blot und der PCR, auch bekannt als Virusdirektnachweis. Kurz gesagt ist der ELISA ein preiswerter Schnelltest, der bei den meisten Leuten bei Standard-STD-Tests vorgenommen wird. Es ist auch der Test, bei dem mein Ergebnis positiv ausgefallen war. Wenn man HIV-positiv ist, erzeugt der Körper Antikörper, um den HI-Virus zu bekämpfen, und der ELISA untersucht, ob ein paar dieser Antikörper bereits im Immunsystem vorhanden sind. Wenn man das Ergebnis bekommt, ist das lediglich ein Positiv oder ein Negativ. Der Western Blot, der bei mir ein negatives Ergebnis aufwies, ist im Grunde eine umfangreichere Version des ELISA, bei dem auf mehr Antikörper getestet wird. Aber dieser Test ist teurer und wird nur vorgenommen, wenn der ELISA positiv ausfällt, um das Ergebnis zu bestätigen oder zu widerlegen. Der letzte Test, der PCR, testet das Vorhandensein des Virus selbst und ermittelt die Anzahl der Viren im Körper. Wie der Western Blot ist er ein Nachfolgetest nach einem positiven ELISA und dient darüber hinaus auch dazu, das Fortschreiten des Virus bei Patienten zu bestimmen, die bereits positiv getestet worden sind. Auch bei diesem Test kam bei mir ein negatives Ergebnis heraus. Und doch stand ich die ganze Woche nach dem ersten Anruf völlig neben mir. Trotz der Informationen, die ich bekommen hatte - auf dem Papier war ich negativ - blieb ich überzeugt, dass irgendetwas nicht stimmte.
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Ich fragte mich, wann diese Angst weggehen würde - ob sie überhaupt jemals weggehen würde.

Ich verbrachte viel Zeit damit, im Bett zu liegen und die Wand anzustarren, meinen Heizkörper anzustarren, dann meine Katze zu streicheln und erneut die Wand anzustarren. Ich konnte die Nervosität nicht abschütteln. Ich fragte mich, wann diese Angst weggehen würde - ob sie überhaupt jemals wieder gehen würde. Ich wusste, dass es nichts daran änderte, wenn ich mir nun den Kopf darüber zerbrechen würde. Aber ein Teil von mir erwartete noch immer jeden Moment den Anruf, der mir sagte, dass ich doch infiziert bin. Und dass ich besser vorbereitet wäre, wenn ich mich mental schon einmal in die Rolle der HIV-Positiven hineinversetzte. Es waren absurde Gedankengänge, aber das fällt einem in diesem Moment nicht auf. In Gesellschaft einer guten Freundin brachte ich den Mut auf, nach etwa einer Woche einen weiteren Test machen zu lassen. In der Hoffnung, einen Arzt zu finden, der einfühlsamer mit Patienten umgeht, ging ich in eine Spezialklinik für STD-Tests. Der Arzt dort versicherte mir, ich sei negativ, wenn sowohl der Western Blot, als auch der PCR negativ ausgefallen waren. Er meinte, der ELISA sei wahrscheinlich aufgrund menschlichen Versagens im Labor positiv ausgefallen, weil nur 0,2 % der Tests positiv sind, wenn man Vorfälle von verunreinigten Proben abzieht. Ursachen für falsch-positive Ergebnisse können unter anderem eine Schwangerschaft, Autoimmunerkrankungen, Hepatitis B und Tollwut sein, aber ich hatte nichts dergleichen und war auch nicht schwanger. Ich bat ihn, mir auf gar keinen Fall Ergebnisse mitzuteilen, bevor nicht alle Testergebnisse da sind. Nachdem ich schließlich alles in meiner Macht stehende unternommen hatte, ließ meine Beklemmung ein bisschen nach. Ich konnte nichts anderes mehr tun. Ich war sicher. Ich war gesund. Ich hatte einfach nur sehr, sehr viel Pech gehabt, zu den weniger als 1 % der Menschen zu gehören, die falsch-positive Ergebnisse bekommen. Und tatsächlich nicht HIV-positiv zu sein, war eigentlich Grund genug zum Feiern. Das Leben wurde die ersten Tage nach meiner zweiten Testrunde fast wieder normal - bis der Anruf von der Klinik kam, in dem die Sprechstundenhilfe mich bat, erneut vorzusprechen. Ich schrie ins Telefon und wollte erfahren, was los sei. Am anderen Ende klinkte sich mein verantwortlicher Arzt ins Telefonat ein und sagte mir, dass der ELISA wieder positiv zurückgekommen sei, und dass sie nun auf den Western Blot und den PCR-Test warteten. Ich war sicher, das war‘s. Ich hatte HIV. Zwei positive ELISA-Tests von zwei verschiedenen Einrichtungen? Keine Chance, das auf menschliches Versagen zurückzuführen. Das war der Punkt, an dem ich den Boden unter den Füßen verlor. Ich brach auf dem U-Bahnhof zusammen und legte mich auf den Boden. Ich weinte, ohne mich um meine Umgebung zu kümmern. Ich rief meinen Vater an, und anstatt mich einfach zu beruhigen, sagte er: „Es kann sein, dass Du es hast, Zoe. Ich kann nicht mehr so tun, als ob es ausgeschlossen wäre.“ Zu hören, wie die Haltung des starken, zuversichtlichen Vaters von ihm abfiel, machte mir Angst, aber es brachte mich auch zurück auf den Boden der Tatsachen. Ich war nicht irrational, es bestand tatsächlich die Möglichkeit, dass etwas mit mir nicht in Ordnung war. Einer meiner engsten Freunde übernachtete zu dieser Zeit bei mir. Als Diabetiker mit einem Sinn für schwarzen Humor machte er oft Witze darüber, wie sehr seine eigene Gesundheit im Arsch ist, und setzte sich dann dramatisch den Schuss mit der Insulinspritze. Er war der einzige Mensch, dem es gelang, mich wenigstens ab und zu für einen Augenblick abzulenken und mich zum Lachen zu bringen. Ich weiß nicht, wie ich ohne ihn überlebt hätte.
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ICH HATTE ANGST, ICH WÜRDE NIE WIEDER SEX HABEN...

Ich hatte Angst, dass ich an HIV/AIDS sterben würde. Ich hatte Angst, ich würde nie wieder Sex haben können - aber vor allem hatte ich Angst, dass ich nie wieder geliebt werden würde. Eines Abends vor dem Einschlafen sagte mein Freund, der meine tiefsten Ängste verstand, dass er mich lieben würde und dass er auch dann mit mir Sex haben würde, wenn ich wirklich HIV-positiv sein sollte. Es war keine Anmache und es war auch nicht peinlich oder merkwürdig, es war einfach nur seine Art, zu sagen: „Du bist viel mehr als eine potentielle Krankheit, du bist ein wunderbarer Mensch, und wenn du HIV haben solltest, ändert das gar nichts daran.“ In dem Augenblick habe ich meine Lage akzeptiert. Ich war ihr gegenüber machtlos, und ich würde weiterleben müssen, egal wie meine Testergebnisse aussehen sollten. Ich musste fast eine Woche auf die zweite Runde meiner Ergebnisse warten. Und wieder waren der Western Blot und der PCR-Test negativ. Ich atmete erleichtert auf, war aber nicht sicher, wie es nun weitergehen würde. Ich war zwar nicht HIV-positiv, aber würde ich den Rest meines Lebens falsch-positive Ergebnisse bekommen, weil ich zu jenen 0,2 % gehöre?

Ich habe seitdem 5 Tests machen lassen, alle fielen negativ aus; den Atem halte ich immer noch kurz an, wenn ich auf die Ergebnisse warte.

Seitdem habe ich mich mindestens fünf Mal testen lassen, alle Tests fielen negativ aus. Den Atem halte ich immer noch kurz an, wenn ich auf Ergebnisse warte. Obwohl ich ausnahmslos verhüte, habe ich noch immer panische Angst vor AIDS. Wenn die Sorgen überhandnehmen, schaue ich mir meine Western-Blot-Ergebnisse an, auf denen durchweg „negativ“ steht, und spüre, wie sich meine Anspannung löst. Ich habe sogar eine Kopie davon in meinem Nachttisch gebunkert.
Manchmal fühle ich mich immer noch so, als würde ich mein eigenes HIV-Puzzle zusammensetzen. Nach dem letzten Test, zum Beispiel, rief meine Ärztin nicht am besprochenen Tag an und ich geriet sofort in eine Abwärtsspirale. Ich nahm an, dass der ELISA schon wieder positiv ausgefallen war. Am Ende war alles in Ordnung, aber meine zwei HIV-Schrecken haben sichtliche Spuren hinterlassen. Mein Vater, der mich unterstützt und über alles geliebt hat, hat mir vor seinem Tod noch gestanden, dass er in den paar Wochen nach dem ersten Test jede Nacht geweint hat. Ich hatte davon nichts mitbekommen. Er mag unsägliche Angst um seine Tochter gehabt haben, aber er war zu 100 % für mich da. Ich hätte mir keinen besseren Vater wünschen können. Ich werde weiterhin sicheren Sex haben, und sowohl für Geschlechtsverkehr als auch Oralverkehr Kondome verwenden. Und egal, wie verrückt mich die Warterei auf die Ergebnisse auch macht, ich lasse mich regelmäßig testen. Ich habe erkannt, dass ich nicht wirklich „sicher“ vor der Krankheit bin, gleichgültig wie vorsichtig ich mein Leben lebe. Aber ich weiß auch, dass ich sehr viel mehr bin als nur mein STD-Status, und dass ich dadurch, dass ich die Krankheit nicht habe, in keiner Weise etwas Besseres bin als jemand, der sie hat.

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