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Haha, BrangeliNO: Sind wir schlechte Menschen, weil wir Jennifer-Aniston-GIFs teilen?

Getty Images
Ich bin 27 Jahre alt und zähle zum Einschlafen keine Schäfchen, sondern Sonnenuntergänge bei Instagram. Meine Generation zeichnet aus, dass wir wenige Worte brauchen, um auf den Punkt zu kommen. Immerhin haben wir LOL und ROFL erfunden. Entsprechend einfach sieht das Protokoll meiner ersten Gedanken zur Trennung des Jahres aus. „Angelina Jolie trennt sich von Brad Pitt und hat die Scheidung eingereicht“, steht riesengroß auf meinen Bildschirm. „Nein!“, denke ich. Ich lese den Satz noch einmal. „OMG.“ „Haha.“ Hier multitaske ich bereits. Ein Teil meines Unterbewusstseins lässt mich instinktiv Brangelina in den Browser tippen. Auf diese Idee bin natürlich nicht nur ich gekommen. Kollektiv macht sich auf Twitter und Facebook ein „Wusst ich’s doch!“ breit. Ausgedrückt wird das mit einer Flut an GIFs von Jennifer Aniston in ihrer legendären Rolle als Rachel in Friends. Sie ist Brad Pitts Ex-Ehefrau und die Partnerin, die sich das Internet vereint an seiner Seite wünscht. Bis heute. In den Artikeln zur Trennung von Brad Pitts eigentlicher Ehefrau ist von „unüberbrückbare Differenzen“ die Rede. Ich verziehe einen Mundwinkel und bin so kalt wie Miranda Priestly, die in Der Teufel trägt Prada angewidert zur Seite blickt, weil ihre Assistentin vor der Modewoche eine Erkältung bekommt. Selbst schuld, wenn man sich vor Paris erkältet. Selbst schuld, wenn man nicht auf das Internet hören will und die richtige für die falsche Frau verlässt. Ist ja nicht böse gemeint, aber wir haben es ja vorhergesagt.
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Nicht böse gemeint heißt aber nicht gleich nicht böse. Eine zehnjährige Beziehung ist gerade gescheitert. Noch dazu von zwei Menschen, die ich auf der Straße erkennen würde. Sechs Kinder wird die Trennung nachhaltig beeinflussen. Was wäre, wenn mir eine Freundin davon erzählen würde? Würde ich triumphierende Selfies des Expartners photoshoppen und „And that, my friend, is what they call closure“ darauf schreiben? Unwahrscheinlich. Ich bin ehrlich: Während ich nach dem GIF mit dem Closure-Spruch google, um den Wortlaut abzutippen, muss ich grinsen. Außerdem habe ich es einer Kollegin bei Facebook geschickt. Mein Smartphone vibriert. Sie reagiert sofort. Zurück bekomme ich einen Serien-Screenshot, in dem Jennifer Aniston als Rachel mit Ross im Bett liegt. Darauf steht: „Once a cheater, always a cheater“. Einmal ein Betrüger, immer ein Betrüger. Ja, klar! Ich nicke mir selbst theatralisch zu. Obwohl nie offiziell bestätigt wurde, dass Brad Jennifer tatsächlich mit Angelina betrogen hat, verspüre ich so etwas wie späte Gerechtigkeit. Team Aniston, Rächerinnen der guten Seite, vereinigt euch! In Wirklichkeit geht es hier natürlich weder um Recht noch um Rache – oder gar um Rachel. Ich empfinde Schadenfreude. Insgeheim befriedigt es mich wahnsinnig, dass dieses perfekte Paar mit der ewigen sexuellen Spannung, den durchtrainierten Armen, den vielen Villen und den Bilderbuchfamilienfotos eben doch nicht so perfekt ist.

Schadenfrohe Gifs sind die Waffe all derjenigen mit normalen Armen, normalen Bäuchen und normal gebrochenen Herzen, denen es zwar auch schlecht geht, aber jetzt immerhin besser als #BrangeliNO.

Ich besitze weder Villen noch trainierte Arme. Für den Suchbegriff „Jennifer Aniston Gif“ reicht meine Muskelkraft aber aus. Ich bin angefixt. Ich suche bittersüße Genugtuung und damit bin ich nicht allein. Schadenfrohe GIFs sind die Waffe all derjenigen mit normalen Armen, normalen Bäuchen und normal gebrochenen Herzen, denen es zwar auch schlecht geht, aber jetzt immerhin besser als BrangeliNO. In einer Welt, in der das Frühstück der anderen bei Instagram morgens frischer aussieht als man selbst und Prominente auf einmal nahbar, aber immer noch perfekt sind, freuen wir uns heimlich über jeden Kratzer. Die Oberfläche ist so spiegelglatt poliert wie das neue iPhone in Diamantschwarz, dass wir fast erleichtert sind, wenn der Lack endlich ab ist. So erleichtert, dass wir uns freuen. Ist ja nicht böse gemeint, aber wir haben es ja schon immer gewusst. Und so sitze ich hier und scrolle mit meinen normalen Händen, normalen Fingern und dem abgesplitterten Nagellack durch weitere elf unglaubliche Bewegtbilder, die zeigen, wie Jennifer Aniston auf BrangeliNO reagiert haben könnte. Gerade weist man mich bei Facebook darauf hin, dass man längst nicht mehr BrangeliNO sagt, sondern Brangelexit. Ich antworte mit einem Jennifer-Aniston-GIF, in dem sie leise lächelnd eine Pepsidose zerknüllt.
Macht mich das zu einem schlechten Menschen? Und alle BrangeliNO- und Brangelexit-Hashtagnutzer gleich mit? Ich glaube nicht. Schuld ist die Perfektion der Oberfläche, die uns wie eine Drohkulisse umhüllt. Trotzdem kann sie nicht verstecken, dass die große Liebe so zerbrechlich ist wie ein iPhone-Display – egal, wie makellos die Beziehung nach außen wirkt. Selbst nach zehn Jahren. Inklusive gemeinsamem Hashtag. Und vielleicht ist deshalb auch dein Jennifer-Aniston-Gif nur ein stummer Schrei nach Liebe.

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