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Wieso fühlen sich Follow-Up-Mails so demütigend an?

Foto: Beth Sacca.
Es ist 15:12 Uhr an einem Donnerstagnachmittag, und dir kribbeln die Finger auf der Tastatur. Dein Kollege hatte dir vor zwei Wochen versichert, dass er sich bei dir bis Donnerstagnachmittag – bis exakt jetzt – zu einem Fördermittelantrag melden würde. Er hatte damit jede Menge Zeit bis zur Deadline. Ganze zwei Wochen! Und ihr habt sogar noch letzte Woche im Büro drüber gesprochen! Du checkst seine letzte Mail an dich sicherheitshalber nochmal, aber es steht – natürlich – nichts Neues drin. Du aktualisierst deinen Posteingang. Nichts. Keine neuen Mails. Du holst dir in der Küche einen Kaffee, rufst deine Mails dann wieder ab. Und wieder: nichts.
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Also sitzt du da nun, mit einer kurz bevorstehenden Deadline, und überlegst gequält hin und her, ob du deinem Kollegen eine Follow-up-Mail schicken sollst.
Im Kopf gehst du deine Optionen durch:
„Melde mich nochmal…“ – „Wollte mal nachhaken…“ – „Damit es nochmal ganz oben in deinem Posteingang landet…“ – „Falls deine Mail nicht bei mir ankam…“ – „Freundliche Erinnerung…“ – „Kleine Nachfrage…“ – „Um drauf zurückzukommen…“
Alle Optionen lassen dich erschaudern. Du fühlst dich wie ein Kind, das seine Eltern um etwas anbettelt, oder wie ein Tinder-Match, das einfach nicht zu kapieren scheint, dass aus euch nichts wird. Aber das hier ist kein Familien- oder Dating-Szenario, sondern eine berufliche Situation. Warum solltest du so schüchtern um wichtiges Feedback bitten müssen?
Und genau fühlen sich Follow-up-Mails so demütigend an. Es ist schwer, Formulierungen zu finden, die sich nicht bettelnd, anbiedernd oder ein bisschen cringe anhören, wenn du jemanden nochmal zu erreichen versuchst. Jede Folge-E-Mail ist ein bisschen anders; Kolleg:innen schreibst du dabei vermutlich etwas anderes als Kund:innen, und für ein höfliches Nachhaken nach einer Jobbewerbung würdest du vermutlich wieder einen anderen Ton verwenden. Allein die Suche nach den richtigen Worten für die jeweilige Situation kann sich anfühlen wie ein eigenständiger Job.
Vor allem, weil um Follow-up-Mails heutzutage kaum noch ein Weg herumführt. Büroangestellte kommen mit ihren anderen Aufgaben schon kaum hinterher; die (immer noch fortwährenden) Entlassungswellen seit Corona haben Teamstrukturen in aller Welt auf den Kopf gestellt, und die Pandemie selbst hat viele dazu veranlasst, sich beruflich umzuorientieren, wodurch weitere Teamlücken entstanden. Aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten sind unsere Reallöhne gesunken, der Druck auf Angestellte hingegen gestiegen. Und genau diese Wirtschaftskrise sorgt dafür, dass leere Stellen seltener nachbesetzt werden. Unter all diesen Umständen ist es wohl kaum überraschend, dass nicht jede E-Mail auch eine Antwort bekommt.
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Diese E-Mails allein sorgen für zusätzlichen Stress. Schon seit Jahren steigt die Anzahl der E-Mails, die Angestellte im Durchschnitt bekommen. Dieser konstante Strom aus Nachrichten von Kolleg:innen, Vorgesetzten und Fremden verebbt in vielen Branchen nicht mal im Feierabend. Eine US-Studie von Wakefield Research für die E-Mail-Plattform Superhuman ergab, dass 38 Prozent der befragten Büroangestellten aufgrund ihrer „E-Mail-Fatigue“ gern kündigen würden. Zurecht – denn laut Untersuchungen der University of California von 2016 gilt: „Je mehr Zeit man pro Stunde mit E-Mails verbringt, desto höher fällt der Stress pro Stunde aus.“ Dieselben Forschenden kamen zu dem Schluss, dass gestresste Angestellte E-Mails zwar schneller, aber weniger sorgfältig beantworteten. Wie The New Yorker schon schrieb: E-Mails „vermiesen uns das Leben“.
Es wäre schon ein wenig lächerlich, es jeder Person zutiefst übel zu nehmen, die sich nicht bei dir zurückmeldet. Vielleicht nervt es dich, deinem Kollegen schon wieder eine Folge-E-Mail schicken zu müssen – aber womöglich muss genau dieser Kollege nächste Woche dir eine Mail schicken, weil du auf seine nicht reagiert hast. Wer bisher immer sofort auf jede E-Mail geantwortet hat, werfe den ersten Stein!
Ganz egal, ob die Person, die dich zu ignorieren scheint, vielleicht plötzlich etwas Dringenderes zu tun, persönlich viel um die Ohren hatte oder deine Mail schlichtweg vergessen hat: Menschen sind eben Menschen, keine Roboter. Und so nervig es auch sein kann – viele Leute (inklusive mir) haben einfach nicht die mentalen Kapazitäten, um die Postfach-Etikette über alles andere zu stellen.
Und genau da landen wir in einer unangenehmen Sackgasse: Follow-up-Mails sind ätzend – aber die Art, wie wir arbeiten, funktioniert eben nicht ohne. Wir müssen vielleicht akzeptieren, dass es Aspekte unseres Berufslebens gibt, die sich einfach peinlich anfühlen (ja, damit meinen wir dich, LinkedIn!), und das ist eben einer davon.
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Aber zumindest laut einiger Networking- und Kommunikationsexpert:innen hast du doch ein paar Möglichkeiten, mit deinen Follow-up-E-Mails erfolgreicher zu sein.

Wie du eine erfolgreiche Follow-up-E-Mail schreibst

Bevor du genervt in die Tasten haust, solltest du dich erstmal fragen: Braucht meine erste E-Mail wirklich eine Nachfolgerin? Feedback ist super – wenn du es aber für einen bestimmten nächsten Schritt gar nicht wirklich brauchst, ist das Ganze die Mühe nicht wert.
Die Gründerin der Karriereplattform I Like Networking Isabel Sachs erklärt, dass jede Mail, die eine klare Antwort erfordert, zwar durchaus ein Follow-up verdient, du aber trotzdem geduldig und nachsichtig sein solltest. „Wenn du schon eine Mail geschrieben hast, warte 14 Tage, bis du die nächste abschickst. Manchmal sind die Leute nämlich auch einfach im Urlaub oder haben Privates um die Ohren“, erzählt sie. „Ich würde aber sagen: Wenn ein E-Mail-Dialog noch nicht abgeschlossen ist und du beispielsweise ein deutliches Ja oder Nein brauchst, solltest du dich nochmal melden. Sei dabei aber immer höflich, weil wir nie wissen können, wie jemand an diesem Tag drauf ist, was diese Person gerade privat durchmacht und welche kulturellen Unterschiede es zwischen euch geben könnte.“
Aber wie formulierst du die gefürchtete Mail denn nun, wenn sie nötig sein sollte? David Rice, HR-Experte bei People Managing People, empfiehlt dazu, präzise zu sein. „Sei höflich, aber fass dich kurz. Stelle schon in der Betreffzeile klar, worum es geht, und komm direkt auf den Punkt“, erzählt er. „Der Zweck einer solchen E-Mail sollte nicht der sein, ein Meeting zusammenzufassen oder deine Notizen und Gedanken zu teilen.“ Er fügt hinzu, dass du auch nicht unbedingt eine Einleitung brauchst. „Du musst die Mail nicht als Follow-up-Nachricht identifizieren. Die Person weiß sicher schon, worum es geht, wenn du direkt auf das entsprechende Thema eingehst und keine drei Wochen seit der letzten Mail vergangen sind. Dein Ziel sollte es sein, eine Konversation voranzutreiben, die schon in irgendeiner Art begonnen hat. Rede also nicht um den heißen Brei herum, sondern leg los.“
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Letztlich ist es eben eine berufliche Situation, und direkt und transparent zu sein ist nicht dasselbe wie Aufdringlichkeit. Du wirst dadurch auch niemanden vergraulen. Wenn du dir dennoch darüber Sorgen machst, was die empfangende Person von deiner E-Mail halten könnte, empfiehlt Isabel, dich vorher zu fragen: Würde ich das diesem Menschen auch ins Gesicht sagen? Fände ich es okay, diese Mail selbst zu bekommen? Wenn du beides mit Ja beantworten kannst, kannst du guten Gewissens auf „Senden“ klicken.
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