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Israelische Mode zeigt, dass Einwanderung das Beste für eine Gesellschaft sein kann

Foto: PR
Trumps großer Traum der Null-Toleranz-Politik ist eine Mauer zwischen den USA und Mexiko. CSU-Politiker Markus Söder spricht zynisch von „Asyltourismus”, während der Vorsitzende seiner Partei, Minister Horst Seehofer, Geflüchtete am liebsten schon an der deutschen Grenze wieder abweisen würde. Die Einwanderungskrise von 2015 verändert die Welt bis heute nachhaltig. Die ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Folgen sind enorm, Xenophobie und Überforderung machen sich durch einen alle Länder übergreifenden Rechtsruck bemerkbar.
Und wir? Wir fliegen jetzt zirka 4.000 Kilometer in südöstlicher Richtung über das Mittelmeer nach Israel. Der gerade einmal 70 Jahre alte Staat lud Anfang Juni zur mehrtätigen Pressereise. Der Anlass? Die erste Modeausstellung „Fashion Statement: Decoding Israeli Dress“ im international angesehenen Israel Museum in Jerusalem, dem Nationalmuseum des Landes. Ihr fragt euch nun vielleicht, was Israelische Mode mit Mauern zwischen Süd- und Nordamerika und der Flüchtlingskrise in Europa zu tun hat. Nun, hierzu später mehr, ich bitte noch um ein wenig Geduld.
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Wenn es um Israel geht, muss man mich in der Regel nicht zwei Mal bitten. Gerade erst diesen März habe ich neun Tage in Tel Aviv und Jerusalem verbracht. Das Israel Museum haben wir hierbei zwar ausgelassen, doch hatte ich noch eine vage Erinnerung an die Kunststätte von meinem ersten Israel-Urlaub vor sechs Jahren. In der atemberaubend umfangreichen Daueraustellung erwarten die Besucher*innen Meisterwerke des Impressionismus, zeitgenössische Kunst, archäologische Schätze und ein sehr eindrucksvoller Skulpturengarten. Das Israel Museum ist vergleichbar mit dem MoMa in New York, dem Centre Pompidou in Paris oder dem Deutschen Museum in München.
Umso erstaunter war ich ob des grenzenlosen Stolzes sowohl der Kuratorinnen Noga Eliash-Zalmanovich und Efrat Assaf-Shapira als auch der Pressesprecherin Michal. Verstecken muss sich das Museum nämlich nun wirklich nicht und Modeausstellungen finden schließlich weltweit in vielen Museen statt. Mal besser, mal schlechter umgesetzt zwar, aber es gibt sie. Dass nun also ausgerechnet das Israel Museum hier mit so viel Aufregung und Stolz an die Sache herangeht, war ziemich sympathisch. Am ersten Tag unseres Aufenthaltes bekamen wir eine kleine Privatführung durch die drei großen Themenschwerpunkte von „Fashion Statement: Decoding Israeli Dress”.
Den Anfang macht ein Querschnitt aus aktueller und historischer Mode verschiedener Designer*innen, die die kulturelle Vielseitigkeit und das Land Israel als Schmelztiegel auch in modischen Belangen skizzieren. Im zweiten Raum dreht sich alles um die Anfänge der jungen Nation Israel (zirka 1930 - 1940), deren Gesellschaft auf der einen Seite sehr sozialistisch (Kibbuz, anyone?) und auf der anderen Seite sehr liberal und mondän war. Hier die Arbeiter*innen und Selbstversorger*innen mit stark kommunistischem Selbstverständnis, für die Geschlechter keine Rolle spielen und Gleichberechtigung auch in der Kleidung ausgedrückt wird. Dort die wohlhabenden Israelis aus Tel Aviv oder Haifa, die der Modehauptstadt Paris nacheifern und Nerz zu opulenten Abendroben tragen.
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Abschließend wird der Bogen ins Jetzt gespannt und sowohl Entwürfe aufstrebender sowie weltbekannter Designer*innen gezeigt. Die Mode hat es aktuell nicht leicht in Israel – es existiert keine eigene Industrie und der Nachwuchs wandert ins Ausland ab. Die Identität von Mode aus Israel jedoch ist unglaublich stark und das, obwohl israelische Mode streng genommen gar keine autarke Identität hat.
Warum? Weil die israelische Mode und speziell Kleidung das Ergebnis jahrzehntelanger Immigration aus aller Herren und Frauen Länder ist – von Europa, über Asien, Nord- und Südamerika, dem Nahen Osten und Ozeanien. All diese Menschen brachten ihre Traditionen, Gepflogenheiten und auch ihr eigenes Handwerk mit. So kam es, dass sich auf einem Kleidungsstück Stickereien im traditionell jemenitischen Stil auf Verzierungen trafen, wie sie die Bucharischen Juden aus den ehemaligen Sowjetrepubliken mit ins Land brachten. Oder dass Elemente wie der Kufiya-Print, ursprünglich das Muster der traditionellen Kopfbedeckung arabischer Männer, plötzlich ihren Platz auf Blusen und Kleidern fanden, heute etwa zu sehen bei Cecilie Copenhagen oder Dodo Bar Or. Auch vor rituellen Gegenständen wurde nicht Halt gemacht. So wurde auch der Tallit, der jüdische Gebetsmantel, in vielen Varianten ins Modische übersetzt.
Auf der Suche auch nach einer sichtbaren Identität in Form von originaler, folkloristischer Kleidung, wurde bereits 1936 ein Wettbewerb für die Schaffung eines einheitlichen, nationalen Gewandes ausgerufen. Die Gewinnerin war Pnina Riva, die zwei Kleider, die aus sowohl spirituellen als auch traditionellen Elementen der in Israel lebenden Menschen und Gesellschaften bestand. Durchgesetzt hat sich dieser Wunsch nach einer kleidenden Identität jedoch nicht.
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Die großen Namen der damaligen Zeit? Finy Leitersdorf, Lola Beer, Dorin Frankfurt, Ilana Efrati, das inzwischen wieder belebte Modekollektiv ATA, das Modehaus Maskit, Riki Ben-Ari. Ganz aktuell beweisen Labels wie Muslin Brothers oder Holyland Civilists, dass Mode aus Israel es vom Designanspruch, der Ästhetik und der Weltoffenheit locker mit den großen Marken der westlichen Welt aufnehmen könnten. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Designer jüdischer oder arabischer Herkunft sind, ob ihre Wurzeln über drei, vier oder nur zwei Generationen im Heiligen Land verwurzelt sind.
Diese drei ereignisreichen und hochinteressanten Tage in Jerusalem haben mir erneut vor Augen geführt, auf welch vielfältige Weisen eine Gesellschaft von Einwanderung profitieren und wie fruchtbar das Aufeinandertreffen verschiedener Traditionen und Kulturen sein kann. Das gilt natürlich nicht nur für Kleidung, sondern auch für Nahrung, den Umgang miteinander und gesellschaftliche Traditionen. Ein solcher Schmelztiegel wie Israel zeigt auch, wie man sich seiner Identität bewusst sein kann, ohne Angst davor zu haben, wenn sie erweitert, modifiziert oder geupdatet wird. Solange ein friedliches und respektvolles Miteinander gewahrt wird, sehe ich in jeder Art von Veränderung in aller erster Linie eine Chance auf Optimierung und eine Bereicherung.
Ein Grund dieser ganzen Gedanken ist neben meiner geistigen Übertragung des ganzen Sachverhaltes auf Kleidung mit Sicherheit auch die Tatsache, dass mir jeder Trip in den Nahen Osten immer die Augen öffnet. Es gibt auch im sehr westlich orientierten Israel eine komplett andere Kultur und gerade Jersualem ist der ultimative Melting Pot aller Glaubensausrichtungen. Das ist eine gute Klatsche in Sachen „Nabel der Welt” – der sind nämlich weder wir noch irgendjemand anderes.

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