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Wenn strategische Stimmungsschwankungen deine Beziehung zerstören

Foto: Eylul Aslan.
Hast du je eine Person gedatet – oder sogar mit einer zusammengelebt –, bei der sofort die ganze Welt Bescheid wusste, wenn sie schlecht drauf war? Vermutlich hast du dann immer einen regelrechten Eiertanz um sie herum aufgeführt, die Klappe gehalten, dich generell so unauffällig wie möglich verhalten, um diese Person nicht versehentlich zu nerven, und alles gegeben, um sie in ihrer Wut zu beschwichtigen. 
Es könnte sein, dass du da etwas erlebt hast, was online als „weaponized moodiness“ (zu Deutsch etwa „Launenhaftigkeit als Waffe“) oder „weaponized emotions“ bezeichnet wird. Wenn du dich noch an strategische Inkompetenz erinnerst, die vorletztes Jahr auf TikTok die Runde machte, weißt du vermutlich schon, worum es hier geht.
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„Strategisch genutzte Gefühle sind die emotionalen Reaktionen einer Person, die damit versucht, das Verhalten und die Emotionen von jemand anderem zu manipulieren oder zu kontrollieren“, erklärt Dr. Chris Pepping, Professor für Psychologie an der Griffith University. „Das kann ganz absichtlich geschehen. Manche Menschen sind sich aber auch nicht völlig darüber bewusst, dass sie ihre emotionalen Reaktionen benutzen, um ihr Umfeld zu manipulieren.“
Diese strategische Launenhaftigkeit beschränkt sich nicht nur darauf, Leute in deinem Umfeld dazu zu zwingen, eingeschüchtert die Klappe zu halten, wenn du schlecht drauf bist. Dr. Pepping erklärt, wie diese gezielten Stimmungsschwankungen aussehen können:
– Du weinst, um dich vor der Verantwortung für deine Taten zu drücken, oder um eine Strafe oder Konsequenzen zu vermeiden.
– Du wirst wütend, um jemanden dazu zu bringen, etwas zu tun oder dir etwas zu geben, oder um Schuldgefühle in deinem Gegenüber auszulösen.
– Du nutzt deine emotionalen Reaktionen oder Verhaltensweisen, um jemanden zu bestrafen – zum Beispiel, indem du mürrisch wirst und dich zurückziehst oder kaum ein Wort sagst.
Das Ganze ist dem Konzept der „instrumentalisierten Emotionen“ ähnlich. Dabei sollen Emotionen hauptsächlich eine Reaktion im Gegenüber auslösen, um diese Person zu manipulieren oder dazu zu bewegen, etwas zu tun. Diese Art, die eigenen Gefühle auszunutzen, sieht man vor allem bei Kindern, die ihre Emotionen oft performativ ausleben. In ihrem Kopf gilt nämlich die Gleichung: Wenn ich mich (x) verhalte, bekomme ich (y).
Obwohl unter Erwachsenen vor allem Frauen als stereotypisch emotional gelten, geht es im Zusammenhang mit strategischer Launenhaftigkeit vor allem um Männer in einem familiären oder Beziehungsumfeld. Insbesondere die Journalistin Mel Hamlett (@melhamlett) hat viel darüber gesprochen, wie sich diese gezielten Stimmungsschwankungen in ihrer Jugend auf sie auswirkten. 
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„Wer auch immer behauptet, dass Männer nie lernen würden, wie sie ihre Gefühle ausdrücken sollen, hat eindeutig noch nie mit einem männlichen Verwandten zusammengelebt, der es für akzeptabel hält, seine Familie mit seiner schlechten Laune zu bestrafen“, erzählt sie in einem TikTok.
„Mein Dad setzte seine Launen als Waffe ein. Seine Stimmung gab den Ton für die ganze Familie an. Wenn Daddy schlecht drauf ist, müssen alle leiden. […] Männer wissen genau, wie sie ihre Launen ausnutzen müssen, damit wir um sie herum auf Eierschalen gehen.“
Während Frauen oft vermittelt wird, sie sollten ihre Wut nicht ausdrücken, weil das abstoßend/aggressiv/„unfeminin“/hysterisch etc. sei, gilt dasselbe nicht für Männer. Die lernen nämlich oft, laute Emotionen (Wut, Freude, Aufregung) seien gute Emotionen. Als Konsequenz haben viele Männer nie gelernt, beim Ausdrücken ihrer Gefühle auch ihr Umfeld zu berücksichtigen. Es sind eher die ruhigeren Gefühle (Trauer, Verletztheit), die Männer unterdrücken „sollen“ – und all das kann zu einer Unfähigkeit führen, negative Emotionen zu regulieren.
Wir wissen, dass uns toxische Männlichkeit letztlich allen schadet, und wir sollten hierbei unbedingt erwähnen, dass gezielte Launenhaftigkeit nicht unbedingt immer absichtlich geschieht oder böse Absichten verfolgt.
„Normalerweise steckt hinter einer Manipulation meist der Wunsch, das zu bekommen, was man will oder braucht – nur hat man keine ‚gesunde‘ Möglichkeit, es zu bekommen“, erklärt die Empathie-Coach Vin Kiva (@vinkiva) in einem TikTok. „Ich glaube, strategische Emotionen fallen auch in diese Kategorie. Sie sind nicht unbedingt so bösartig, wie viele denken.“
Natürlich beschränken sich strategische Stimmungsschwankungen auch nicht ausschließlich auf Männer. Alle Gender können sich auf diese Art verhalten – ob nun absichtlich oder nicht. Tatsächlich kommt es zu dieser Form der emotionalen Manipulation auch nicht nur innerhalb enger Beziehungen. Hattest du schon mal Kolleg:innen oder, noch schlimmer, Vorgesetzte, die immer sicherstellten, dass das ganze Büro ihre schlechte Laune zu spüren bekam? 
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Wir wissen, dass dieses Verhalten – absichtlich oder nicht – toxisch sein kann. Aber kann es auf etwas Finstereres hindeuten?
„Die Instrumentalisierung von Gefühlen lässt sich in vielen Beziehungen beobachten, und obwohl sie diesen Beziehungen zwar langfristig meist nicht guttut, repräsentiert sie nicht automatisch etwas Dunkles, Gefährliches“, meint Dr. Pepping dazu. „Sie kann aber definitiv auch ein Bestandteil einer missbräuchlichen Beziehung sein.“
Emotionaler Missbrauch und Zwangskontrolle bleiben im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt oft unbemerkt und werden viel zu selten gemeldet. Obwohl die schlechte Laune deines Partners oder deiner Partnerin, aufgrund derer du quasi nur noch durch die Wohnung schleichst, demnach nicht immer zwangsläufig ein Symptom einer kaputten oder gar missbräuchlichen Beziehung sein muss, ist es doch wichtig, diese Red Flags auch im Auge zu behalten – vor allem, wenn du vermutest, diese Launenhaftigkeit könnte vielleicht Absicht sein.
Ja, wir sind alle mal schlecht drauf. Und ja, wir alle haben das Recht, negative Gefühle zu empfinden (und auszudrücken). Wenn diese Emotionen aber nicht mehr nur etwas sind, das wir in uns selbst bewältigen müssen, sondern zu Waffen werden, die wir gegen unser Umfeld richten, haben wir damit definitiv eine Grenze überschritten.
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Wenn du selbst betroffen bist oder jemanden kennst, die oder der Opfer häuslicher Gewalt ist, kannst du dich beispielsweise unter der Nummer 08000 116 016 oder per Online-Beratung an das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ wenden – ein vertrauliches, kostenfreies 24-Stunden-Beratungsangebot, das anonyme, mehrsprachige und barrierefreie Unterstützung bietet. Eine Liste mit weiteren Ansprechpartnern findest du hier.
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