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Ich habe perfektionistische „Nagel-Angst“ & bin damit nicht allein

Foto: Megan Decker.
Wann immer sich die Nagel-Content-Creator Sarah Haider (@heluviee) im Nagelstudio ihres Vertrauens eine Maniküre gönnte, musste sie die zu Hause immer „korrigieren“. „Ich mochte es schon immer, mir die Nägel machen zu lassen und schöne neue Designs auszuprobieren“, erzählt Sarah, die ihre DIY-Maniküre inzwischen auf Instagram postet, wo sie über eine halbe Million Follower hat. „Jedes Mal, wenn ich danach nach Hause kam, musste ich aber sofort zur Nagelfeile greifen.“
Es war nicht so, als hätten Sarahs damals noch regelmäßige Salon-Maniküren nicht schön ausgesehen; sie sahen nur nie genau so aus, wie sich Haider das vorgestellt hatte. „Wenn eine Maniküre am Ende nicht so aussieht, wie ich sie mir in meinem Kopf ausgemalt habe, bin ich immer ziemlich frustriert“, erzählt sie. Weil sie irgendwann schon vor der Maniküre jedes Mal nervös und unruhig war, fing sie schließlich an, sich selbst die Nägel zu machen. „Da bekomme ich sie dann direkt perfekt hin.“
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Was ist „Nail Anxiety“? 

Sarah ist nicht die Einzige, die diese nagelbedingte Unruhe empfindet. Der Hashtag #nailanxiety bringt es aktuell auf über 21.000 TikTok-Views. Viele derjenigen, die dort ihre Videos posten, beschreiben das Gefühl als ein generelles Unwohlsein im Nagelstudio. Vielen fällt es unheimlich schwer, etwas zu sagen, wenn ein Teil der Maniküre – wie die Nail Art oder die Farbe des Nagellacks – dann doch nicht so aussieht wie erwartet. Das kann zu Enttäuschung und Reue führen. 

Nagel-Perfektionismus

Für Jess Brush, eine Nail-Art-Creator, die ihre Kunst unter dem Alias @nailbetch postet, bedeutet ein Besuch im Nagelstudio ebenfalls immer Stress. Weil sie sich selbst als Perfektionistin bezeichnet, hat sie immer schon vor der Maniküre eine genaue Vorstellung davon, was sie sich für ihre Nägel wünscht. Sie hat aber Angst davor, zu pingelig zu wirken. „Ich will niemandem reinreden“, sagt sie. „Aber es macht mich einfach unruhig, nur dabei zuzusehen, wie jemand meine Nägel macht.“
Natürlich soll das nicht bedeuten, dass das Nagelstudio an sich das Problem sei. Diese Unruhe ist etwas ganz Persönliches, und für viele Betroffene spielt dabei eben auch der Perfektionismus eine große Rolle. „Ich beobachte, dass in jüngeren Generationen viele Menschen total besessen von ihrem Aussehen sind“, meint Dr. Dana Stern, Dermatologin und Nagelspezialistin. „Das scheint vor allem mit den bearbeiteten Fotos zusammenzuhängen, die wir überall sehen.“ Wir wissen alle, dass uns die Beauty-Industrie ein unrealistisches Perfektionsideal verkaufen will – und der Wunsch nach „perfekten“ Nägeln ist dafür das beste Beispiel.
Dr. Stern zufolge hat sie in den letzten Jahren zahlreiche Patient:innen behandelt, die sich extrem um das Aussehen ihrer Nägel sorgen. „Eine meiner jungen Patientinnen ist wie gelähmt vom Aussehen ihrer Nägel. Sie ist deswegen sehr unsicher, vor allem bei Dates.“
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Ich beobachte, dass in jüngeren Generationen viele Menschen total besessen von ihrem Aussehen sind.

Dr. Dana Stern, Dermatologin

Kontrollverhalten

Jess’ heutige DIY-Nagel-Routine gibt ihr hingegen das Gefühl, selbst die Kontrolle zu haben. „Der Hauptgrund dafür, dass ich mir selbst die Nägel mache, ist der, dass ich so ein starkes Kontrollbedürfnis habe“, gesteht sie. Tatsächlich ist dieses Bedürfnis hinsichtlich der Nägel aber nicht für alle Nail Artists und Creators etwas Negatives. Manche von ihnen sind sogar der Meinung, sie könnten ihre detailverliebten Looks gar nicht ohne diesen unruhigen Perfektionismus erreichen. „Es kann auch etwas Positives sein“, meint Sarah. Wenn die Nägel allerdings zum Job werden, entsteht daraus eine ganz neue Form von Stress.
Obwohl Sarah heute nämlich die volle Kontrolle über ihre Nägel hat, ist sie weiterhin gestresst – und in mancher Hinsicht sogar stärker als zuvor. „Ich werde panisch, wenn eine Maniküre nicht perfekt aussieht“, erklärt sie ihren Hang zur Selbstkritik. „Ich bemerke, dass ich dann extrem frustriert werde. Dadurch fangen meine Hände an zu zittern, und das Ganze dauert viel länger.“
Auch Jess kennt diesen Nagelfrust. „Ich werde wütend und unruhig“, erzählt sie – vor allem, wenn sie eine Maniküre „ruiniert“. „Ich muss das dann direkt korrigieren. Ansonsten werde ich den Fehler nämlich immer wieder anstarren, und er wird mich durchgehend stören.“ Weil Jess aber normalen Nagellack verwendet (und kein Gel), ist es meistens ziemlich einfach, einen verschmierte oder anders unschöne Stelle zu korrigieren. „Dann wische ich einfach den Lack ab und fange nochmal von vorne an.“

Angst im Nagelstudio

Im Nagelstudio ist das Nageldesign selbst gar nicht zwangsläufig der Grund für die Unruhe. Manche Kund:innen haben eher ein Problem mit dem Prozess der Maniküre – insbesondere mit den scharfen Werkzeugen und dem Entfernen der Nagelhaut. „Ich weiß noch, dass die Nail Artist bei meinem ersten Maniküretermin eine E-Feile (auch als Nagelfräser bekannt) benutzte, um meine Nagelhaut zu entfernen“, erzählt der Nail Content Creator Abe. „Als ich den Lack dann ein paar Wochen später entfernte, war auf meinem Nagel deutlich zu sehen, wo die Feile angesetzt hatte. Es war, als hätte sie eine Linie in meine Nägel geritzt. Die musste ich erstmal rauswachsen lassen.“
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Obwohl Abe dem Nagelstudio dafür keinen Vorwurf macht, besteht er jetzt doch bei der Maniküre darauf, die Nagelhaut unbehandelt zu lassen. „Heute stelle ich klar: Meine Nagelhaut soll bitte nicht berührt werden. Einfach nur lackieren, bitte“, erzählt er. „Ich glaube, viele Leute wissen gar nicht so richtig, dass sie auch Nein sagen können.“ (Um die Angst davor zu erleichtern, haben wir gleich noch ein paar Tipps.)

Nagelkunst als „weiblicher“ Selbstausdruck

Abe verbindet mit seinen Nägeln auch insofern eine ganz eigene Angst, weil er als Mann „wunderschön bemalte Nägel“ trägt und sich dafür oft verurteilt fühlt. „Ich bin unruhig, wenn ich das Nagelstudio betrete – einen typischerweise ‚weiblich‘ gelesenen Raum“, erklärt er. Und auch außerhalb des Nagelstudios ist die Welt nicht immer tolerant gegenüber Männern mit Nagellack. „Ich muss mich sehr bemühen, meine Hände nicht immer in meine Hosentasche zu stecken. Das ist aber leider oft mein Instinkt, weil ich Angst davor habe, was andere sagen könnten.“

Die Angst vor der freien Bewegung

Nachdem er als Nail Content Creator auf Instagram zahlreiche Follower angesammelt hatte, machte sich in Abe eine andere Form von Angst breit: Was, wenn ihm ein Nagel abbrechen würde? „Als ich damit anfing, mir selbst die Nägel zu machen, ließ ich mir meine Naturnägel sehr lang wachsen. Ich weiß noch, dass ich immer Angst davor hatte, irgendwas anzufassen“, erzählt er. „Ich merkte, dass ich mich mit langen Nägeln anders bewegte. Ich musste aktiv darüber nachdenken, wie ich etwas anfasste, damit die Nägel auch ja nicht abbrechen würden.“
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Heute hält Abe seine Nägel kürzer, um sich diesen Stress zu ersparen. „So konnte ich einfach nicht leben“, ergänzt er. „Heute habe ich kürzere Nägel und zerbreche mir nicht mehr so sehr den Kopf darüber.“

Nägelkauen oder Nagelzupfen

Angst, Stress und Sorgen können sich manchmal in Form zwanghafter Nagelgewohnheiten äußern – meist durch Nägelkauen (Onychophagie) oder Nagelzupfen (Onychotillomanie). Laut der Wissenschaft kauen tatsächlich rund 20 bis 30 Prozent aller Menschen an ihren Nägeln herum. Die gute Nachricht? Die meisten dieser Verhaltensstörungen sind behandelbar – manchmal zum Beispiel durch regelmäßige Salonmaniküren.
Sarah zupfte früher selbst immer an ihren Nägeln herum, wenn sie gestresst war. „Während meines Studiums hatte ich die Angewohnheit, mir den Nagellack abzupulen und an der Haut rund um den Nagel zu zupfen, wenn ich vor einer Prüfung besonders nervös war“, sagt sie. In solchen Fällen kann eine regelmäßige Maniküre (ob nun zu Hause oder im Salon) wirklich helfen. „Wenn ich frisch gemachte Nägel hatte, fiel es mir schwerer, dran rumzufummeln. Und wenn meine Nagelhaut entfernt worden war, konnte ich daran auch nicht rumzupfen. Das half mir echt gegen diese Gewohnheit.“
Dr. Stern zufolge ist diese Behandlung tatsächlich bei vielen Betroffenen sehr effektiv. „Wer an den Nägeln kaut oder zupft, kann von einer regelmäßigen Maniküre profitieren, weil du die Maniküre vielleicht nicht damit ruinieren willst. Das Geld und die Zeit, die du darin investiert hast, können dich außerdem davon abhalten, die Maniküre wieder zu zerstören.“ Schließlich wissen wir alle, wie teuer eine Maniküre im Nagelsalon sein kann.
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Nägelkauen und -zupfen muss aber nicht immer stress- oder unruhebedingt sein. Dr. Stern zufolge kann auch das Gegenteil der Fall sein: Manche Leute fummeln an ihren Nägeln rum, wenn sie gelangweilt sind. „Viele meiner Patient:innen kauen oder zupfen an ihren Nägeln, wenn ihnen etwas fehlt, was sie mit ihren Händen machen können“, erzählt Dr. Stern. Dabei kann es helfen, die Fingernägel während Phasen der Inaktivität „abzudecken“ – sprich: wenn du gelangweilt bist. „Ich habe einige Patient:innen, die sich beim Fernsehen Handschuhe anziehen oder ihre Nägel mit Pflastern abkleben“, ergänzt sie.

Nagelpflege als Achtsamkeitsübung

Obwohl unsere Nägel oder eine Maniküre eine Quelle der Unruhe sein können, können sie tatsächlich auch als Gegenmittel wirken. Abe zum Beispiel hilft es, seine Nägel zu pflegen, um nicht daran rumzukauen oder -zupfen. „Ich habe überall Nagelöl rumzustehen und trage es auf, wann immer mich das Bedürfnis packt, an den Nägel zu kauen oder zu zupfen. Das hält mich dann davon ab“, erzählt er. „Dadurch erspare ich mir auch die Sorge, dass meine Nägel ungepflegt aussehen könnten.“
Auch für Jess ist eine gründliche DIY-Pflege-Routine entscheidend. „Gepflegte Nägel beruhigen meine Unruhe enorm“, sagt sie. „Mir die Zeit dafür zu nehmen, sie richtig in Form zu bringen und auch nochmal einen Nagel von vorn anzufangen, wenn er nicht richtig aussieht – das alles wirkt sehr beruhigend.“ Auch Abe empfindet das Auftragen von Nagellack als sehr friedlich. „Ich kann dabei total abschalten, weil sich die Bewegungen so wiederholen“, sagt er. „Das tut mir und meiner mentalen Gesundheit echt gut.“
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Jess ergänzt, dass ihr die Mühe um ihre Nägel außerdem viel Selbstbewusstsein verleiht. „Meine Nägel sind wie ein Accessoire. Wenn ich eine Jogginghose trage und mir nicht die Haare gemacht habe, meine Nägel aber mega aussehen, ist das ein echter Selbstbewusstseins-Boost.“

Tipps gegen Nagel-Unsicherheit

Natürlich sind wir nicht alle Nail Artists, und für dich bedeutet eine DIY-Nagelpflegeroutine nicht zwangsläufig dieselbe Entspannung wie für Jess und Abe. Wenn du also lieber ins Nagelstudio gehst, vor deinem Termin aber nervös wirst, halte dir vor Augen, dass du damit nicht allein bist! Und denk dran, dass du immer den Mund aufmachen und etwas sagen kannst. Am besten zu Beginn der Behandlung – und natürlich auf höfliche Art.
„Solange du freundlich bleibst, denke ich, dass die meisten Nail Artists darauf etwas sagen würden wie: ‚Oh, natürlich, ich kümmere mich sofort darum!‘“, meint Brush. „Sie wollen ja auch nicht, dass du das Studio unzufrieden verlässt.“ Wenn du eine Gelmaniküre machen lässt, überprüfst du am besten schon vor dem Aushärten unter der UV-/LED-Lampe, ob dir die Form und Farbe deiner Nägel gefällt; ansonsten ist es schwieriger, eventuelle Fehler zu korrigieren. „Bevor dich dein:e Artist bittet, deine Hand unter die Lampe zu legen, kannst du dir deine Nägel einfach mal anschauen“, empfiehlt Sarah. „Zu dem Zeitpunkt ist es nämlich noch ganz leicht, den Lack wieder abzuwischen, falls dir die Farbe zum Beispiel nicht gefällt. Wenn der Lack aber erstmal ausgehärtet ist, muss er wieder abgefeilt werden.“
Und es muss auch nicht immer alles perfekt sein. Tatsächlich findet Abe es auch ganz lustig, wenn mal was schiefgeht. „Ich habe in letzter Zeit häufiger ‚Nail Fails‘ gepostet“, erzählt er. „Wir sehen so viele Videos, in denen alles immer ganz easy und perfekt aussieht – als hätte die Maniküre nur zwei Sekunden statt zwei Stunden gedauert. Ich zeige aber auch gerne, wenn etwas nicht so klappt und ich mir zum Beispiel versehentlich Lack auf die Haut schmiere, und wie ich ihn wieder entferne.“ Wir alle machen Fehler – auch Menschen mit scheinbar perfekten Nägeln! Wie aber Abe sagt: „Mal ehrlich: Niemand wird sich deine Nägel jemals so genau angucken.“

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