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Wie das Patriarchat asexuelle Repräsentation in Film & TV beeinflusst

Fotos: Netflix.
Schnell: Nenn mir einen asexuellen Charakter aus einer Serie!
Hast du einen?
Worum wollen wir wetten, dass du entweder an Isaac aus Heartstopper, Todd aus BoJack Horseman oder Ca$h aus Heartbreak High gedacht hast? Ich würde sagen, diese Wette dürfte ich mit großer Wahrscheinlichkeit gewinnen. Aber haben diese Charaktere überhaupt noch irgendwas anderes gemeinsam, abgesehen von ihrer Asexualität
Ja – sie alle stammen aus Mainstream-Serien (und interessanterweise alle aus Netflix-Eigenproduktionen), und sie liegen mir alle am Herzen. Ich bin unheimlich dankbar dafür, dass es sie gibt, und dass sie die asexuelle Erfahrung auch einem Mainstream-Publikum näher bringen. Trotzdem stört es mich, dass sich diese drei Charaktere als männlich identifizieren.
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Es gibt nur sehr wenige Beispiele für sich als weiblich identifizierende Charaktere auf dem asexuellen Spektrum (und sogar noch weniger asexuelle nicht-binäre oder gender-nonconforming Figuren). Florence aus Sex Education ist oft der Charakter, der vielen als Erstes einfällt, wenn ich dieses Problem anspreche. Und obwohl ich die Diskussion zwar liebe, die Florences Storyline in Sex Education anzuregen versucht, war ich doch extrem enttäuscht davon, dass sie in der Serie nur dreimal auftauchte. Dabei ist Sex Education eine Show, die sich (zurecht) selbst dafür feiert, wegweisende queere Storys zu zeigen – und doch bekam die einzige asexuelle Figur nur eine Episode geschenkt, die sich auf ihre sexuelle Identität konzentrierte und deren Story letztlich nirgendwohin führte (im Gegensatz zu vielen anderen Nebenfiguren, die über mehrere Staffeln hinweg immer wieder in die Haupthandlung verwoben werden).
Aber wieso gibt es in Serien denn eigentlich nur so wenige Darstellungen asexueller Frauen? 
Ich bin der festen Überzeugung, dass diese mangelnde Repräsentation die Konsequenz des male gaze, des „männlichen Blicks“, ist. Wegen der patriarchalen Hypersexualisierung von Frauen werden Femininität und Frausein untrennbar mit Sexualität verbunden. Eine Frau, die kein Verlangen nach Sex hat, ist in den Medien demnach eine Anomalie, weil die (größtenteils heterosexuellen) weißen cis Männer in den Führungspositionen der Entertainment-Industrie eher keine Identität und keinen Lifestyle „bewerben“ wollen, die den heteronormativen Idealen unserer Gesellschaft direkt widerstreben.

The absolute deficit of non-male asexual characters is just another prime example of how the patriarchy is still prevalent in queer narratives.

Das erinnert mich daran, wie positive Repräsentation von allosexuellen queeren (also lesbischen, schwulen, bisexuellen usw.) Menschen in den 90ern und 2000ern vor allem die Form weißer cis Männer annahm. Von Glee über Modern Family bis hin zu Will and Grace: Queerness war deutlich akzeptabler (und besser zu vermarkten), wenn es dabei um weiße Männer ging. Es gab nur wenige Ausnahmen, und die Geschichten queerer Frauen wurden meist in den Hintergrund gerückt. Das gilt bis heute: Es gibt deutlich weniger lesbische als schwule Storys in populären Medien. Laut dem GLAAD Where We Are on TV 2022-2023 Report gab es in der Serien-Saison 2022-2023 ganze 30 lesbische Charaktere weniger als schwule. Derselbe Bericht ergab, dass sich nur 1 Prozent der LGBTQ-Charaktere als asexuell identifizierte. Das wirft die Frage auf: Wenn eine Serie eine Alternative zu traditionellen Gender-Erwartungen präsentiert, ein vom male gaze gelöstes Leben, bedroht das dann die männliche Kontrolle und Macht über Frauen? 
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Ein weiterer Hauptgrund für diese Darstellungslücke haben wir definitiv auch der uralten Weisheit „Sex sells“ zu verdanken. Asexualität steht dazu natürlich im direkten Kontrast; du kannst die Sexualität eines Charakters nicht vermarkten, wenn er keine empfindet. Wenn asexuelle Frauen demnach als „nicht vermarktbar“ abgestempelt werden und ihre Storys somit als wertloser vermittelt werden, beweist das wieder einmal, dass die Entertainment-Branche Sex für einen Hauptpfeiler des Wertes einer Frau hält.
Der beinahe völlige Mangel nicht-männlicher asexueller Charaktere ist nur ein weiteres Beispiel dafür, wie das Patriarchat auch heute noch queere Narrative beeinflusst. Ich liebe Ca$h in Heartbreak High dafür, dass mir seine Storyline mehr Selbstbewusstsein dazu verliehen hat, meine Asexualität auch zu kommunizieren. Ich bin Todd Chavez aus BoJack Horseman dankbar dafür, dass er mir und anderen das Vokabular gegeben hat, das wir brauchten, um diesen wichtigen Bestandteil unserer selbst wirklich zu verstehen. Ich finde es toll, dass Asexualität dank Isaacs Story in Staffel 2 von Heartstopper in der jüngeren Generation besser verstanden und normalisiert wird. Diese drei Charaktere sind alle auf ihre eigene Art revolutionär, weil sie dabei helfen, Asexualität zu destigmatisieren und zum Mainstream-Thema zu machen.
Foto: Netflix.
Will McDonald (links) als Ca$h in Heartbreak High.
Trotzdem bin ich doch enttäuscht darüber, dass Frauen aus der öffentlichen Darstellung von Asexualität bisher so ausgeschlossen werden. Der Sexappeal einer Frau sollte nichts darüber aussagen, als wie „wertvoll“ ihre Geschichte empfunden wird. Frauen haben so viel mehr zu bieten als nur Sex.
Ich bin optimistisch, dass uns in den kommenden Jahren eine Welle gender-diverser asexueller Charaktere erwartet. Bis es aber soweit ist, freue ich mich über die wenige asexuelle Repräsentation, die es schon jetzt auf unsere Bildschirme geschafft hat – und träume von dem Tag, an dem sie ganz normal und weithin akzeptiert ist. Meiner Meinung nach kann diese Zukunft gar nicht schnell genug kommen. Denn ich freue mich schon so darauf, dass auch unsere Geschichten endlich erzählt werden.
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