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Wieso muss dein:e Partner:in bei jedem Treffen dabei sein?

Foto: Ramona Jingru Wang.
Ich habe vor ein paar Jahren von einer Studie gelesen, die mir seitdem durch den Kopf spukt: Wenn Frauen und Männer eine neue Beziehung eingehen, verlieren sie im Durchschnitt zwei Freundschaften. Wieso? Dazu habe ich eine Theorie: Die frisch vergebene Person fängt dann plötzlich damit an, den neuen Partner bzw. die neue Partnerin zu jedem Treffen mitzubringen. Kommt dir das bekannt vor? Ich selbst weiß jedenfalls, dass ich mich in solchen Fällen langsam, aber sicher von diesen Freund:innen distanziere. Hier will ich aber kurz klarstellen, dass es einen großen Unterschied macht, ob du deine:n Neue:n zu jedem Treffen mitschleppst oder nur ab und zu mal einlädst, um deine Leute besser kennenzulernen.
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Es kann sehr frustrierend sein, wenn du den Eindruck hast, eine befreundete Person nicht mehr ohne deren Partner:in treffen zu können. Das kennt auch die 28-jährige Joy. „Ich will nicht, dass sich Treffen mit meinen Liebsten wie eine Pflichtveranstaltung anfühlen, bei der wir immer nur oberflächlich quatschen können“, sagt sie. „Bei solchen Treffen sprechen wir auch gerne mal über unser Liebesleben – aber du kannst ja wohl kaum über deine:n Partner:in reden, wenn er oder sie mit dabei ist! Wenn ich mit beiden Partner:innen befreundet bin, ist das was anderes. Wenn es aber eine mir unbekannte Person ist, gebe ich mir bewusst Mühe, damit sie sich einbezogen fühlt. Das Gespräch ist daher ziemlich eingeschränkt“, erzählt sie. „Sagen wir mal, ich habe eine private Neuigkeit, oder will über was Emotionales reden. Oder aber ich freue mich einfach darüber, Zeit zu zweit mit einem Freund oder einer Freundin zu verbringen. All das gibt die Situation aber nicht unbedingt her, wenn der Partner oder die Partnerin dabei ist“, fügt sie hinzu. Manchmal wird auch nicht einmal angekündigt, dass der:die Partner:in auch kommt – und das ist einfach nur unhöflich, findet Joy.
Es gibt zahllose Reddit-Threads oder andere Foren-Posts, in denen Leute fragen, ob es okay ist, zuliebe einer Beziehung eine Freundschaft zu beenden. In anderen beschweren sich Leute darüber, dass ihre Freund:innen immer komplett abtauchen, sobald sie eine neue Beziehung eingehen. Klar ist, dass sich unser Liebesleben auf unsere bestehenden Freundschaften auswirkt – vor allem, wenn wir im Dating noch nicht so erfahren sind (nicht zufällig stammen die meisten dieser Online-Beiträge von Schüler:innen oder Student:innen). Manchmal legen wir diese schlechten Angewohnheiten aber auch später im Leben nicht ab.
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Wenn so etwas immer wieder passiert, sagt Joy, dass sie sich daraufhin über die Person ärgert, die sich scheinbar „nie von einem Partner oder einer Partnerin losreißen kann“. Sie erklärt: „Es ist nicht so, als würde ich diese Beziehung nicht respektieren. Es geht mir eher darum, dass ich dadurch den Eindruck bekomme, mein:e Freund:in habe komplett die Individualität verloren, bloß weil er oder sie jetzt in einer Beziehung ist. Daraufhin überlege ich mir schon, wie oft ich diese:n Freund:in noch sehen möchte, wenn der oder die Partner:in jedes Mal dabei ist.“ Bisher hat sie deswegen aber noch nie jemanden darauf angesprochen.
Der Psychologin Caroline Plumer kann das mit der sogenannten Co-Abhängigkeit zusammenhängen. „Wenn jemand das Gefühl hat, nichts ohne den:die Partner:in unternehmen zu können – oder zu wollen –, besteht vermutlich ein ungesundes Maß an Co-Abhängigkeit“, sagt sie. „Es ist ganz natürlich und auch gesund, Zeit mit einem:einer Partner:in verbringen zu wollen. Es ist aber ebenfalls wichtig, eigene Interessen und Freundschaften außerhalb dieser Beziehung zu bewahren. Viel zu oft ‚verlieren‘ sich Leute in einer Beziehung. Dann fällt es ihnen schwer, die Grenze zwischen sich und ihrem Partner bzw. ihrer Partnerin noch zu erkennen. Das kann dann zum Beispiel so aussehen, dass beide sämtliche Freund:innen und Interessen teilen und keinen Freiraum voneinander haben. Auch Beziehungen brauchen aber eine gewisse Distanz.“
Co-Abhängigkeit ist nicht dasselbe wie eine kontrollierende oder missbräuchliche Beziehung, kann aber sehr wohl auf ein Problem hinweisen. Deswegen sollten wir, als Freund:innen, dabei immer empathisch bleiben. „Co-Abhängigkeit entspringt meist einem unerfüllten Bedürfnis, einem emotionalen Defizit“, erklärt Plumer. „Es kann sich lohnen, mal zu hinterfragen, wieso dein:e Freund:in eigentlich nirgendwo ohne Partner:in auftaucht. Das kann schwierig sein – denn auf die Frage kommt vermutlich eine Antwort wie: ‚Ich liebe ihn:sie!‘, oder: ‚Ich verbringe halt gerne Zeit mit ihm:ihr!‘ Dabei ist dieser Person vielleicht nicht mal bewusst, dass ihr Verhalten ungesund sein könnte – oder warum sie sich überhaupt so verhält. Es ist immer gut, die Perspektive deines Freundes oder deiner Freundin zu verstehen. Du hast aber auch das gute Recht darauf, eine klare Grenze zu ziehen, wenn du nicht möchtest, dass der:die Partner:in jedes Mal dabei ist. Wenn dein:e Freund:in das nicht respektieren kann, solltest du vielleicht darüber nachdenken, wie und wie oft du mit ihm oder ihr Zeit verbringen möchtest.“
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„Ich versuchte einfach, ein guter Partner zu sein und ihre Freund:innen kennenzulernen. Wenn du zu solchen Treffen mitgenommen wirst, betrachten die Freund:innen dich aber manchmal als eine Art ‚Eindringling‘.“

Natürlich ist auch das Gegenteil eine Red Flag – wenn dein:e neue:r Partner:in deine Liebsten gar nicht erst kennenlernen will. Das kann ein Balanceakt sein, weiß auch der 29-jährige Sam. Er war selbst schon in der Rolle des neuen Partners im Freundeskreis seiner Freundin. „Zu Beginn unserer Beziehung wollte ich manchmal gar nicht mit dabei sein, wenn sie mich mitnahm“, erzählt er ehrlich. „Ich versuchte einfach, ein guter Partner zu sein und ihre Freund:innen kennenzulernen. Es war wichtig, dass sie mich mögen. Wenn du zu solchen Treffen mitgenommen wirst, betrachten die Freund:innen dich aber manchmal als eine Art ‚Eindringling‘. Dabei wurdest du ja einfach nur in einen wichtigen Bereich des Lebens deines Partners bzw. deiner Partnerin eingeladen. Inzwischen bin ich seit acht Jahren mit meiner Freundin zusammen, und stehe den Leuten sogar ziemlich nah, die damals ‚gezwungen‘ waren, mich kennenzulernen.“
Heute versuchen Sam und seine Freundin, nur gelegentlich ihre jeweiligen Freundeskreise zu kombinieren. Sie verstehen, wie wichtig emotionale Intimität in bestimmten Gruppen ist und erinnern sich gegenseitig daran, auch Freundschaften außerhalb ihrer Beziehung zu führen. Lustigerweise ist Sam heute in der Position, dass er neue Partner im Freundeskreis seiner Freundin als „Eindringlinge“ empfindet. „Leider wird von mir erwartet, dass ich mich sofort mit ihnen anfreunde, weil sie auch Männer sind.“
Schwierig wird es nämlich, wenn das Gender eine Rolle spielt. Jane* identifiziert sich als lesbisch und hat eine Ehefrau, die von ihren heterosexuellen Freundinnen herzlicher willkommen geheißen wird (als männliche Partner), weil sie eben eine Frau ist. „Bei meinen queeren Freund:innen ist das Gender nicht so wichtig, weil die Grenzen bei uns dahingehend verschwimmen. Dadurch ist es oft kein großes Ding, wenn Partner:innen mitkommen. Bei meinen heterosexuellen Freundinnen ist das was anderes: Partner:innen sind nicht automatisch willkommen. Meine Frau wird aber fast immer mit eingeladen, weil sie eben eine Frau ist. Das stört mich zwar nicht, aber manchmal muss ich dann doch eine Grenze ziehen und mich nur mit meinen Freundinnen treffen.“ Wenn sie mit den Partner:innen von Freund:innen zusammen ist, hat Jane festgestellt, dass sich die Stimmung abhängig von der jeweiligen Person komplett ändern kann. „Wenn die Person das Gespräch gerne bestimmt oder eine andere politische Meinung vertritt als der Rest der Gruppe, passiert es, dass ich meine Persönlichkeit ein bisschen runterschraube oder zumindest mehr darauf achte, was ich sage. Das ist ganz schön anstrengend“, sagt sie. Eine Freundin sieht Jane deswegen heute seltener als früher, weil sie sich mit ihrem Partner nicht so gut versteht – der allerdings oft einfach mitgebracht wird, wenn nicht explizit vorher um ein Treffen „nur unter uns“ gebeten wird.
Die Psychotherapeutin Lucy Beresford hält es sogar für „schädlich“, wenn so etwas wiederholt passiert. Oft wird die neue Person in solchen Situationen nämlich allen anderen vorgezogen – insofern, als dass alle anderen ihr Verhalten an den „Neuzugang“ anpassen. „Diese Person hat vielleicht gar nichts mit den anderen gemeinsam. Das kann super sein, um neue Energien in die Gruppe zu bringen – aber auch für Spannungen sorgen, weil es den Anwesenden das Gefühl gibt, sie könnten sich nicht ganz natürlich verhalten. Weil wir uns außerdem in verschiedenen Beziehungen häufig von verschiedenen Seiten zeigen, bemerken wir bei einem solchen Treffen vielleicht, dass sich unser:e Freund:in in Gegenwart ihres Partners oder ihrer Partnerin anders verhält. Das kann schwierig sein“, sagt sie. „Deswegen ist ein klares Gespräch wichtig. Redet darüber, dass neue Partner:innen natürlich herzlich willkommen sind, aber nicht bei allen Treffen – vor allem, wenn sie dabei die einzige Person wären, die nicht zum ursprünglichen Freundeskreis gehört. Ein solches Gleichgewicht ist in allen Beziehungen wichtig.“
Jane achtet deswegen gezielt darauf, ihre Freund:innen auch mal allein zu treffen, obwohl sie „wirklich alles“ mit ihrer Frau unternehmen könnte. Das betrifft vor allem Freundschaften, die sie schon vor ihrer Beziehung hatte. „Wenn ich ein Treffen vorschlage, bei dem ich keine Partner:innen dabei haben will, stelle ich das direkt klar. Ich brauche meine Zeit mit Freund:innen genauso wie Zeit mit meiner Frau und befreundeten Paaren. Ein paar meiner Freund:innen haben nämlich Partner:innen, von denen ich kein großer Fan bin – und das kann schwierig sein.“

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