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Warum dieses Jahr im Zeichen von romantischem Realismus steht

Foto: Anna Jay
Die meisten von uns haben sich wahrscheinlich schon mit der Tatsache abgefunden, dass die Disney-Prinzessinnen-Version von ewiger Liebe – das „Glücklichsein bis ans Lebensende“ – ein Mythos ist. Das Gleiche gilt für die Existenz von Seelenverwandten: die Vorstellung, dass ein einziger Mensch auf einem Planeten mit Milliarden von Menschen zu einem unbestimmten Zeitpunkt auf magische Weise in unserem Leben auftaucht und all unsere Fehler berichtigt.
Viele von uns tun sich jedoch immer noch schwer damit, uns vorzustellen, dass echte Liebe – also wahre Verbundenheit und Kameradschaft – nur auf praktischem Wege zu erreichen ist. Romantischer Realismus ist kein sexy Begriff, aber er stellt auch keinen Widerspruch in sich dar. Tatsache ist, dass Pragmatismus in romantischen Beziehungen viel eher zu dauerhafter Zufriedenheit führt als jede andere Herangehensweise.
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Romantischer Realismus ist kein sexy Begriff, aber er stellt auch keinen Widerspruch in sich dar.

Lemarc Thomas, Gründer und CEO von Lemarc Thomas Matchmaking und ein Beziehungsguru, der sein Fachwissen fast ein Jahrzehnt lang durch sein Psychologiestudium verfeinert hat, ist ein Verfechter von romantischem Realismus. Anstatt zu warten, bis wir über die perfekte Person stolpern, folgt sein Ansatz einer ganzheitlichen, wissenschaftlichen Methode.
„Ich glaube, dass Menschen bei der Suche nach Partner:innen viel unnötigen Herzschmerz erleiden und Unannehmlichkeiten durchleben. Eine bewusstere Partner:innensuche könnte all das mindern“, erklärt er gegenüber Refinery29.
„Wenn du bewusster daten möchtest, solltest du herausfinden, was für dich grundlegende, nicht verhandelbare Anforderungen an eine Beziehung sind. Das sind Faktoren, die mit jenen deiner Werte, Überzeugungen oder Ziele zu tun haben, ohne die du dir keine Beziehung vorstellen kannst. Das sind persönliche Kriterien, die – wenn nicht vorhanden – gegen eine Beziehung sprechen, auch wenn die Chemie zwischen zwei Menschen extrem gut ist.“
„Versuche außerdem herauszufinden, welche emotionalen und praktischen Bedürfnisse du hast und wie sich diese erfüllen lassen. So wird dir klar werden, ob ein:e potenzielle:r Partner:in dir das geben kann, was du brauchst.“
„Es ist schmerzhaft und frustrierend, emotionale Energie in Dinge zu investieren, die es nicht wert sind. Indem du dich zuerst ums Praktische kümmerst, kannst du erkennen, was deine Aufmerksamkeit verdient und was du brauchst, um eine echte Verbindung aufzubauen.“
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Sam, 34, hofft, dass 2020 das Jahr sein wird, in dem sie sich von dem löst, was sie zu wollen glaubt, und romantischen Realismus in ihrem Leben walten lassen kann, um einen Partner zu finden, der ihre Bedürfnisse erfüllt.
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„Früher, als ich noch auf Dating-Apps unterwegs war, hatte ich eine ganz genaue Vorstellung von der Art von Männern, die ich kennenlernen wollte. Ich wollte jemanden, der gerne Zeit draußen verbringt und ähnliche Freund:innen hat wie ich.“
„Ich merkte, dass ich zu viel des Guten tat, als ich mir den Rucksack meines Bruders auslieh, um mehr Bildern im Freien von mir auf den Dating-Apps zu haben und so die richtige Person auf mich aufmerksam zu machen. Ich hatte sogar ein Foto-Shooting mit dem Hund meiner Schwester. Ich sorgte dafür, dass mein Profil tiptop rüberkam. Dadurch, dass ich zu viel Energie in die Vorstellung davon steckte, wie eine erfolgreiche Partner:innensuche aussehen sollte, schottete ich mich selbst ab.“

Ich merkte, dass ich zu viel des Guten tat, als ich mir den Rucksack meines Bruders auslieh, um mehr Bildern im Freien von mir auf den Dating-Apps zu haben und so die richtige Person auf mich aufmerksam zu machen.

SAM, 34
Sam lief vor Kurzem auf einer Weihnachtsfeier einem ehemaligen Mitschüler über den Weg. Obwohl sie ihn nicht für ihren Typ hielt, war sie überrascht, als sie feststellte, dass sie gemeinsame Interessen hatten. Kurz darauf suchten sie sich gegenseitig auf Tinder. Nachdem sie einige Wochen lang Nachrichten ausgetauscht hatten, fingen sie, sich zu verabreden.
„Was ich daraus gelernt habe – unabhängig davon, wie die Sache zwischen ihm und mir weitergehen wird –, ist, dass die Eigenschaften, die er meiner Meinung nach unbedingt aufweisen sollte, nicht so wichtig sind wie eine Verbindung zu jemandem und echte gemeinsame Interessen.“
Foto: Anna Jay
Dr. Becky Spelman ist als Psychologin und klinische Leiterin in der Private Therapy Clinic tätig. Sie stimmt Sams Schlussfolgerung zu, dass Paare zwar nicht in allen Punkten übereinstimmen müssen, dass aber ähnliche Ansichten zu grundlegenden Themen wie Politik und Lebensstil entscheidend sind, um eine Beziehung längerfristig zu erhalten.
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„Ganz gleich, wie leidenschaftlich es am Anfang zugeht, wenn ein Paar wirklich nichts gemeinsam hat, gibt es nach dem Abklingen der anfänglichen Aufregung nur wenig, worauf sich eine Beziehung stützen kann. Dafür ist aber die Wahrscheinlichkeit von Streitereien, Meinungsverschiedenheiten und verletzten Gefühlen wesentlich höher“, erklärt sie gegenüber Refinery29.
Sam ist aber nicht die Einzige, bei der romantischer Realismus dieses Jahr besonderen Anklang findet. Beatrice, 28, hat nach einer schmerzhaften Trennung von ihrer Freundin und einer „toxischen Erfahrung“ in der App-Szene eine zweijährige Dating-Pause eingelegt.
„Ich fühle mich anderen Menschen schnell verbunden und schenke ihnen viel Aufmerksamkeit, und dieses Verhalten fand ich destruktiv“, erzählt sie Refinery29.
Sie hat versucht, die Partner:innensuche praktischer und weniger reaktiv anzugehen. Um das zu erreichen, hat sie ihre Dating-Apps gelöscht.
„Ich kann innehalten und wahrnehmen, was mit mir geschieht, anstatt in dem Hamsterrad einer Dating-App zu bleiben.“
„Ich habe etwa ein Jahr lang viel an mir gearbeitet und ging in dieser Zeit auf gar keine Dates. Wenn du nicht aufhörst und das Hamsterrad verlässt, ist es unmöglich, diese Art von innerer Arbeit zu leisten.“
„Neben Meditation und Mantras verwende ich gerne Körperscan-Methoden, um zu erkennen, ob ich gerade ängstlich bin und das eine gute oder eine schlechte Sache ist, und um festzustellen, wie ich mich wirklich in diesem bestimmten Moment fühle.“
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Paul Dolan ist Professor für Verhaltenswissenschaften an der London School of Economics. In seinem neuen Buch Happy Ever After zeigt er anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse auf, in welche Fallen viele von uns tappen, wenn wir versuchen, das zu erreichen, was wir als „Glück“ wahrnehmen – auch in Beziehungen. Er sagt, dass es wichtig ist, Schritte zu unternehmen – so wie Beatrice es gemacht hat –, um sich von den ständigen emotionalen Turbulenzen zu befreien.
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Foto: Anna Jay
„Wir sprechen über Online-Dating und darüber, dass wir uns heutzutage von der Auswahl überwältigt fühlen“, sagt er gegenüber Refinery29. „Zu viele Möglichkeiten zu haben, macht es viel schwieriger, sich niederzulassen, und hat zu einer Kultur geführt, in der viele von uns eher nach temporärer Leidenschaft als nach dauerhafter Kameradschaft suchen. Wir sollten darüber nachdenken, aus diesem Kreislauf auszusteigen, um bedeutungsvollere Bindungen einzugehen.“
Nicht nur zu wissen, was wir fühlen, sondern auch, warum wir es fühlen, ist seiner Meinung nach der Schlüssel zu einer erfolgreichen Partner:innensuche. „Wenn du angespannt bist, weil [dein Date] dich nicht kontaktiert, bedeutet das dann, dass du ihn:sie wirklich magst, oder bedeutet das nur, dass die Ungewissheit darüber, was vor sich geht, Angst bei dir auslöst? Es ist wichtig, zwischen diesen beiden Dingen unterscheiden zu können.“
Beatrice' Plan beinhaltet eine Reihe von Techniken, die Thomas in seiner Praxis anwendet. Er fügt aber auch ein paar warnende Worte für die allzu Pragmatischen hinzu. „Realistischer zu sein, bedeutet nicht, dass du so Herzschmerz vermeiden kannst. Wenn du nämlich offen für Liebe sein willst, musst du auch offen für Verletzungen sein“, sagt er.
„Ich hatte eine Kundin, die sich für eine praktischere Herangehensweise entschloss und 20-minütige Verabredungen zum Mittagessen vereinbarte, um so möglichst viele Männer kennenzulernen, ohne viel Zeit mit der Partner:innensuche zu verbringen. Natürlich schaffte es keiner von ihnen in die zweite Runde, weil solch ein Setting es nicht ermöglicht, eine emotionale Verbindung herzustellen.“
Und wenn du jemanden triffst, mit dem:der du gut zusammenpasst? Es gibt eine weitere wichtige Lektion, die wir lernen und akzeptieren müssen, sagt Dolan. „Jede:r, der:die eine langfristige Beziehung eingehen will, muss akzeptieren, dass die leidenschaftliche Phase irgendwann zu Ende gehen wird.“
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Eines der größten Probleme, mit denen viele von uns konfrontiert sind, besteht seiner Meinung nach darin, dass sie nicht in der Lage sind, den Unterschied zwischen – wie er es nennt – leidenschaftlicher und kameradschaftlicher Liebe zu erkennen.
Leidenschaftliche Liebe – die erste Phase einer Beziehung, während der wir auf Wolke sieben schweben und die Finger nicht von der anderen Person lassen können – hält nur ein oder zwei Jahre an. Danach bildet sich eine stärkere Bindung: die kameradschaftliche Liebe, eine bequemere Art des Zusammenseins, die es uns ermöglicht, das Leben realistischer zu sehen als während der leidenschaftlichen Phase.
Foto: Anna Jay
„Wenn du nach fünf Jahren immer noch eine [leidenschaftliche Art von Liebe] empfindest, stimmt was nicht mit deiner Beziehung“, so Dolan.
„‚Das Feuer zwischen uns ist erloschen‘, hören wir Paare sagen. Nun ja, das will ich verdammt nochmal auch hoffen! Wenn eine Person den Nervenkitzel braucht, der die Anfangszeit einer Beziehung auszeichnet, sollte sie vielleicht eine offene Beziehung in Erwägung ziehen oder regelmäßig nur auf bestimmte Zeit daten und dann weiterziehen.“
Wenn du schon ein paar Jahre in einer Beziehung bist und die Schmetterlinge der Anfangszeit weg sind, musst du dich damit abfinden und lernen, wie wichtig es ist, kontinuierlich über deine Wünsche und Bedürfnisse zu sprechen. Nur so lässt sich eine Beziehung auf Dauer aufrechterhalten.
„Im Idealfall würde ich mir wünschen, dass Pärchen eine Paartherapie beginnen und vielleicht ein- oder zweimal im Jahr eine Sitzung einplanen, auch wenn es keine offensichtlichen Probleme in der Beziehung gibt“, sagt Dr. Spelman.
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„Eine Paartherapie kann mit einer Autowartung verglichen werden. Jede:r Mechaniker:in wird dir sagen, dass es besser ist, dein Auto regelmäßig warten zu lassen, als zu warten, bis es kaputt geht.“
Und wenn doch alles schief geht? Kein Grund zur Panik, sagt Dolan. Es ist fast unvermeidlich, dass du jemanden treffen wirst, der:die besser ist als dein:e vorherige:r Partner:in – und das schneller, als du denkst.
„Wenn du Zweifel hast, solltest du die Beziehung wahrscheinlich beenden", empfiehlt Dolan. „Tu es schnell. Damit will ich nicht allen dazu raten, Schluss zu machen. Wenn es eine Person aber tut, sagt sie im Nachhinein selten: ‚Ich wünschte, ich hätte mit der Trennung gewartet.‘“
„Wir haben ein psychologisches Immunsystem, das uns hilft, mit Veränderungen umgehen zu lernen. Das nächste Mal wird mit ziemlicher Sicherheit besser sein als das letzte Mal.“
„Fünf von sechs Beziehungen gehen vor dem dritten Jahr in die Brüche. Und ich garantiere dir, wenn deine eine davon ist, wird es dir in sechs Monaten wieder absolut gut gehen.“

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