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Tove Lo im Interview: „Das würde man mich nicht fragen, wenn ich ein Mann wäre“

Foto: Universal Music
Icona Pop und Ellie Goulding hat sie als Songwriterin Ohrwurm-Potential verschafft. Spätestens seit ihrem Debüt Queen Of The Clouds ist aber klar, dass Tove Lo mehr will als nur im Studio für gute Songs zu sorgen. Platin-Erfolge, eine Grammy-Nominierung und über eine Milliarde Spotify-Streams zeigen, dass das genau die richtige Entscheidung war. Mit Lady Wood setzt die 28-Jährige noch einen drauf. Schon der Titel zeigt, dass man die Schwedin alles andere übersehen kann. Wood heißt übersetzt so viel wie Ständer – einen Begriff, den sich Tove angeeignet hat. „Es gibt keine weibliche Entsprechung für den Ausdruck ‚einen Ständer kriegen‘“, erklärt sie. Mit welchen Geschlechterklischees sie konfrontiert ist und wie sie unsere Beziehung zueinander beeinflussen, hat sie uns im Gespräch verraten.
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Für deinen Song Cool Girl hast du dich von Gone Girl inspirieren lassen. Wie hat der Film deine Arbeit beeinflusst?
Der Film hat mich begleitet, als ich über das Machtspiel in der frühen Phase von Beziehungen geschrieben habe. Man will seine Emotionen oft nicht zu schnell offenbaren – fast so, als würde man nur so die Oberhand behalten können. Und das ist seltsam. Cool Girl steht für diese nicht wirklich emotionale Person, die nicht das widerspiegelt, was dich eigentlich ausmacht. Man ändert sich für sein Gegenüber, nachdem man glaubt, genau einschätzen zu können, was er oder sie möchte. Damit wären wir wieder bei Gone Girl und dem Monolog, den die Protagonistin Amy im Film führt. Sie ist psychotisch, doch in ihren Worten steckt ein wahrer Kern: Viele Menschen – nicht nur Frauen, sondern auch Männer – verbiegen sich für die Person, die sie daten. Für mich ist das eine Lose-Lose-Situation: Wenn es nur funktioniert, weil man etwas darstellt, das man nicht ist, bedeutet das ja auch, dass man diese Person für den Rest seines Lebens bleiben müsste. Der Monolog aus dem Film hat mich begleitet, während ich den Song geschrieben habe. Der Titel ist natürlich sarkastisch gemeint. Eigentlich ist für mich ein Cool Girl eine Person, die weiß, wer sie ist und sich nicht dafür interessiert, in welche Schubladen sie andere Menschen stecken wollen.
Wird dieses Machtspiel von Stereotypen über Männer und Frauen geprägt?
Auf jeden Fall. Natürlich hat die Rolle, die dir zugeschrieben wird, auch einen Einfluss auf dich. Wir haben das Bedürfnis, alles zu labeln. Die Leute stecken dich gerne in eine Schublade. Sobald du dich dazwischen bewegst, frustriert das dein Umfeld. Wenn es sich für beide beim Dating in Ordnung anfühlt, frei und offen zu sein, ohne gleich ein Etikett darauf zu kleben und beide einfach darauf vertrauen, dass alles, was man fühlt, auch echt ist, funktioniert es. Aber sobald eine oder einer von beiden unsicher ist, wird es schwierig, weil so auch der Drang zum Definieren des Status’ entsteht. Dieses Definieren kann sehr gut funktionieren oder alles kaputt machen. Ich glaube, dass Stereotypen mehr und mehr verblassen, es gibt sie aber natürlich noch. Ein Beispiel ist definitiv, dass Männer dazu tendieren, zu glauben, dass Frauen immer etwas Stabiles und Definiertes haben möchten und das am liebsten sofort. Ich bin allerdings der Meinung, dass sich jede Person einfach nur eine echte Verbindung wünscht – ob das nun die pure, tiefe Liebe ist oder einfach nur etwas, das sich in diesem Moment gut anfühlt. Du willst nicht schauspielern müssen. Ich lege in meinem Song also auch offen, wie wir solche Dinge verkomplizieren.
Wirst du als Künstlerin auch mit Stereotypen konfrontiert?
Ja – und das überrascht mich jedes Mal. In meiner Welt habe ich das Gefühl, dass jeder längst weiter ist. Das liegt an den Leuten um mich herum und auch an meiner Heimat Schweden. Wir sind zwar noch lange nicht am Ziel angekommen, aber sehr liberal und entwickelt in dem Sinne, dass wir versuchen, so viel Abstand wie möglich von Genderrollen zu nehmen. Du kannst aussehen und leben, wie du möchtest, egal ob du eine Frau oder ein Mann bist. Ich bin viel unterwegs und merke manchmal schon an der Art, wie Leute mir Fragen stellen, dass sie von einer ganz bestimmten Sichtweise geprägt sind. Ich denke mir dann: „Das würdest du mich nicht fragen, wenn ich ein Mann wäre.“ Es war tatsächlich eine Frau, mit der ich mich bei einem Interview deshalb fast gestritten habe. Es ging um mein letztes Album und die Schritte zwischen Sex, Liebe und Schmerz, die beschrieben werden. Ich erzähle von einer Beziehung, die leidenschaftlich beginnt, zu Liebe wird und schmerzhaft endet, weil sie so intensiv ist. Sie hat über Sex als ersten Schritt gesprochen und gefragt, ob ich immer mit den Männern schlafen würde, um ihnen näher zu kommen und hoffen würde, dass daraus Liebe wird. Ich war irritiert und dachte mir nur: „Denkst du wirklich, dass ich bei jeder Person, mit der ich schlafe, hoffe, die große Liebe zu finden?“ Ich antwortete so etwas wie: „Nein. Manchmal ist es nur Sex. Manchmal ist da mehr. Aber es geht nie bewusst in die eine oder andere Richtung.“ Ich fühlte mich fast wie zum Opfer gemacht und das war seltsam. Ich meinte dann nur, dass ich überhaupt nicht nachvollziehen kann, worauf sie hinaus wollte und sagte, dass ich die Frage sexistisch finden würde. So hat sie das gar nicht gesehen. Darauf antwortete ich: „Du sagst mir als Frau gerade, dass mich die Jungs nie lieben werden, wenn ich sofort mit ihnen ins Bett gehe. Genauso ist das bei mir angekommen.“ So lief die Diskussion in etwa ab. Damit sprichst du einen spannenden Punkt an: Auch Frauen können dafür verantwortlich sein, dass sich Klischees über Frauen halten.
Natürlich können Frauen untereinander brutal sein. Aber auch hier hat sich wirklich etwas getan: Vor allem, wenn man sich ansieht, wie mit dem Konkurrenzdenken in der Musikindustrie umgegangen wird. Ich höre oft, dass das früher sehr ausgeprägt war. Aber ich selbst empfinde das heute überhaupt nicht so. Ganz im Gegenteil, ich fühle mich sehr unterstützt. Alle Künstlerinnen, die ich kenne, halten zusammen und unterstützen sich, machen gemeinsam Musik, feiern sich gegenseitig und das ist ein sehr gutes Gefühl. Mit welcher Künstlerin würdest du sofort etwas trinken gehen?
Sia ist eine große Inspiration für mich. Sie ist toll. Ich finde super, dass sie ihr Gesicht nicht in den Vordergrund stellt, um den Fokus auf ihre Musik zu legen. Sie ist eine fantastische Sängerin, eine fantastische Songwriterin und tut viel Gutes. Seit deinem Debütalbum sind zwei Jahre vergangen. Hat sich auch deine Herangehensweise an deine Musik verändert?
Ich möchte Musik machen, bei der ich etwas fühle. Deshalb ist es für mich sehr wichtig, nicht alle Ecken und Kanten abzuschleifen, um sie massentauglicher zu machen. Meine Texte sind pure Emotionen. Sie zeigen, was ich fühle, was ich denke und das wirkt sich auch auf den Sound aus. Wenn ich etwas mitteilen möchte, muss der Text zum Sound und der damit verbundenen Botschaft passen. Das passiert gar nicht bewusst, so schreibe ich einfach. Wenn das Ergebnis wie ein guter Song klingt, aber nichts in mir auslöst, dann wandert er in den Papierkorb. Ich möchte nichts produzieren, das einfach nur nett klingt. Ich will etwas bewirken. Wenn dich ein Song dazu bringt, sofort tanzen oder weinen oder Sex haben zu wollen oder dich wütend macht, dann ist er genau richtig. Es soll intensiv sein. Wenn jemand nur sagt: „Ja, das ist ein schöner Song“, ist mein erster Impuls: „Weg damit, ich schreibe einen neuen.“ Dann ist er glatt und stellt Leute zufrieden. Es soll aber etwas in ihnen auslösen.

Lady Wood erscheint am 28. Oktober.

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